Hamburg. Es geht um die Grunderwerbsteuer. Senken? Abschaffen? Oder Freibeträge einführen? Im Wahlkampf machen die Parteien Vorschläge.

Wohneigentum zu erwerben wird für junge Familien in Hamburg eine immer größere Herausforderung. Unter 500.000 Euro für vier Zimmer aufwärts geht in den meisten Stadtteilen gar nichts mehr, in guten Lagen nähern sich die Angebote schnell der Millionen-Grenze. Im Speckgürtel der Stadt, in Schleswig-Holstein und Niedersachsen ist der Trend ähnlich, wobei gilt: Je weiter draußen, desto günstiger wird es. Doch auch die Ferienorte an den Küsten erleben infolge der Corona-Krise einen wahren Immobilienboom.

Im Bundestagswahlkampf hat das Thema zwar derzeit keine Top-Priorität, aber in fast allen Parteiprogrammen wird es aufgegriffen. Und ein Punkt taucht dabei immer wieder auf: die Grunderwerbsteuer. Auch aus Hamburg gibt es Forderungen, die Steuer zu senken oder ganz abzuschaffen, Freibeträge einzuführen und Steuer-Schlupflöcher zu schließen.

Steueraufkommen in Hamburg rasant gestiegen

Was auch daran liegt, dass das Steueraufkommen zuletzt rasant gestiegen ist. In Hamburg von 140 Millionen im Jahr 2000 auf 530 Millionen im vergangenen Jahr und in Schleswig-Holstein im gleichen Zeitraum von 210 auf 812 Millionen Euro – also knapp eine Vervierfachung innerhalb von 20 Jahren.

Grundsätzlich gilt: Die Grunderwerbsteuer fällt wie Maklergebühren und Anschlussbeiträge unter die Nebenkosten und kommt auf den eigentlichen Kaufpreis einer Immobilie noch oben- drauf. Geregelt ist sie in einem Bundesgesetz, aber die Einnahmen fließen den Ländern zu, die auch die Höhe des Steuersatzes festlegen.

Höhe des Steuersatzes in Hamburg: 4,5 Prozent

Und die variieren erheblich: von 3,5 Prozent in Bayern und Sachsen über 4,5 Prozent in Hamburg, 5,0 Prozent in Niedersachsen und Bremen bis zu 6,5 Prozent in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Brandenburg und dem Saarland. Wer also eine Immobilie für 500.000 Euro erwirbt, zahlt dafür in Bayern 17.500 Euro Steuern, in Hamburg 22.500 und in Kiel 32.500 – die Unterschiede machen ungefähr den Wert einer kompletten Einbauküche im Neubau aus.

Kein Wunder also, dass die Politik die Steuer als Hebel entdeckt hat, um die Bürger beim Häuslekauf zu entlasten. „Spielraum für allgemeine Steuerentlastungen haben wir zurzeit leider nicht“, sagte Schleswig-Holsteins Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) zwar dem Abendblatt. Denn die schrittweise Erhöhung der Grunderwerbsteuer – zuletzt 2014 von 5,0 auf 6,5 Prozent – sei „ein entscheidender Faktor bei der zehnjährigen Haushaltskonsolidierung des Landes“ gewesen. Und kaum sei die geschafft gewesen, habe die Corona-Pandemie „große Lücken in die Finanzplanung gerissen“, so Heinold.

Hamburg hält an Steuersatz fest

Dennoch habe die Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP in Kiel im Bundesrat eine Initiative gestartet, „die es den Ländern ermöglichen soll, eigene gesetzliche Regelungen zu schaffen, um junge Familien beim Ersterwerb einer Immobilie steuerlich zu entlasten“, so Heinold. Ob das am Ende über Freibeträge geschehe oder über differenzierte Steuersätze, da sei man noch nicht festgelegt, so die Ministerin am Freitag vor der Länderkammer.

SPD feiert Bündnis

Heute vor zehn Jahren, am 20. September 2011, seien „die Stadt und die Wohnungswirtschaft unter partnerschaftlicher Beteiligung der Mietervereine erstmals im Hamburger Bündnis für das Wohnen zusammengekommen“ – darauf wies die SPD-Fraktion am Sonntag hin.

Mehr als 100.000 Baugenehmigungen seien seitdem erteilt und rund 77.000 Wohnungen fertiggestellt worden – davon 22.000 öffentlich gefördert. Damit sei Hamburg bundesweit Vorbild für eine gelungene Wohnungsbaupolitik. „Bezahlbares Wohnen ist eine soziale Kernfrage unserer Zeit, auf die das von Olaf Scholz initiierte Bündnis für das Wohnen seit einem Jahrzehnt die richtigen Antworten gibt“, sagte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf. „Verbindlichkeit, kooperative Zusammenarbeit und Planungssicherheit sind zentrale Stützen für diesen Erfolg.“ Neben sozialen und wirtschaftlichen Fragen spiele auch der Klimaschutz im Gebäudesektor in der Vereinbarung eine Rolle.

Dort fand der Vorstoß aber bislang keine Mehrheit, was auch an Hamburg liegt. Warum? „Hamburg hat es im Zuge des Bündnisses für das Wohnen in den letzten Jahren geschafft, den Steuersatz bei der Grunderwerbsteuer bei im Bundesvergleich niedrigen 4,5 Prozent zu belassen“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) dem Abendblatt. „Schleswig-Holstein hat mit 6,5 Prozent einen signifikant höheren Steuersatz, insofern ist das Anliegen unser Nachbarn im Norden aus ihrer Perspektive im Grundsatz nachvollziehbar. Wir sehen allerdings angesichts der Belastungen durch die finanziellen Corona-Folgen keinerlei Spielraum für Steuersenkungen an überhaupt irgendeiner Stelle.“ Daher folge man gemeinsam mit den anderen SPD-regierten Ländern dem Antrag nicht.

SPD, Grüne und Linke wollen Share Deals beenden

Die Sozialdemokraten wollen an anderer Stelle ansetzen: „Wir werden die Umgehung der Grunderwerbsteuer (Share Deals) beenden“, heißt es in ihrem Wahlprogramm. Bei dieser Art von Geschäften werden Grundstücke und/oder Immobilien vor dem Verkauf in eine Firma eingebracht und diese dann verkauft – so kann die Grunderwerbsteuer umgangen werden.

Auch Grüne und Linkspartei in Hamburg wollen Share Deals einen Riegel vorschieben – die Mehreinnahmen aber nutzen, um Familien zu entlasten. „Insbesondere junge Familien beim Erwerb von Wohnungseigentum steuerlich zu entlasten, ist begrüßenswert“, sagte Dennis Paustian-Döscher, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen in der Bürgerschaft.

Freibeträge für selbst genutztes Eigentum

„Daher ist ein Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer für das erste, selbst genutzte Wohneigentum eine bedenkenswerte Idee.“ Wenn man gleichzeitig die Steuervermeidung durch Share-Deals beende, „könnte man die Steuerreform aufkommensneutral gestalten“, so Paustian-Döscher. „Das würde den schwierigen Haushaltslagen der Bundesländer gerecht werden.“

Ähnlich argumentiert David Stoop, Haushaltsexperte der Linksfraktion in der Bürgerschaft: „Eine prinzipielle Absenkung der Grunderwerbssteuer halte ich nicht für sinnvoll. Bedenkenswert ist da schon eher der Vorschlag, den Erwerb selbst genutzter Immobilien steuerlich zu begünstigen im Vergleich zu Immobilien, die als Investitionsobjekte gekauft werden. Das wäre beispielsweise mit einem Freibetrag oder einem entsprechend vergünstigten Satz für selbst genutztes Wohneigentum möglich.“

Entlastung für junge Familien gefordert

Zudem sollte darüber nachgedacht werden, Verkäufe von nur kurz gehaltenen Immobilien mit einem Aufschlag zu versehen, um Immobilienspekulation vorzubeugen. Share Deals bezeichnet Stoop als „große Ungerechtigkeit“, da nur große Immobilienkonzerne die Zahlung der Steuer dadurch vermeiden könnten, während jede Familie sie zahlen müsse.

Thilo Kleibauer, Finanzexperte der Hamburger CDU, fordert: „Die Bildung von Wohneigentum für junge Familien muss stärker gefördert werden. Wir wollen bei der Grunderwerbsteuer einen Freibetrag für den erstmaligen Erwerb von selbst genutztem Wohnraum von 250.000 Euro pro Erwachsenen plus 100.000 Euro pro Kind einführen.“ Das wären bei einer vierköpfigen Familie also 700.000 Euro. „Dafür muss die rechtliche Möglichkeit auf Bundesebene geschaffen werden, was bislang von der SPD blockiert wird“, so Kleibauer.

„Stadt verstärkt Preisdruck bei Immobilien"

Der FDP-Landesvorsitzende Michael Kruse stößt ins selbe Horn: „Die Stadt nimmt aufgrund der steigenden Immobilienpreise Jahr für Jahr mehr ein und verstärkt damit den Preisdruck bei Immobilien. Deshalb ist die Initiative unserer Kollegen aus Schleswig-Holstein genau richtig, denn sie macht es Menschen leichter, den Traum vom Eigenheim zu realisieren.“ Seine Partei wolle einen Freibetrag bei der ersten selbst genutzten Wohnimmobilie in Höhe von 500.000 Euro der Kaufkosten einführen. Grundsätzlich gehe es auch darum, die Eigentumsquote in Hamburg und Deutschland zu stärken, so Kruse.

Auch Thomas Reich, finanzpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, verweist auf die niedrige Eigentumsquote in Deutschland von unter 50 Prozent. Er könne sich außer einer Senkung der Grunderwerbssteuer oder einem Freibetrag noch mehr vorstellen: „Die AfD geht sogar weiter, indem sie den Erwerb von Wohneigentum unter anderem durch die Abschaffung der Grunderwerbsteuer erleichtern möchte.“ Schließlich seien die Nebenkosten beim Immobilienkauf in Deutschland „so hoch wie in kaum einem anderen europäischen Land“.