Hamburg. Zur Walpurgisnacht wurden 13 Versammlungen angemeldet. Polizeigroßaufgebot. Demo des „Schwarzroten 1. Mai Bündnisses“ verboten.
Die traditionellen Kundgebungen und Demonstrationen rund um den 1. Mai in Hamburg stehen in diesem Jahr unter dem Eindruck der verschärften Corona-Regeln inklusive der ab 21 Uhr geltenden Ausgangssperre.
In Hamburg gibt es heute erste Kundgebungen linker und linksextremer Gruppen rund um den 1. Mai – unter anderem im Schanzenviertel und auf St. Pauli. Insgesamt seien zur Walpurgisnacht 13 stationäre Versammlungen angemeldet worden, sagte Polizeisprecherin Sandra Levgrün. Darunter zwei „Klassentreffen“ des vom Verfassungsschutz als gewaltorientiert eingestuften Roten Aufbaus am Bahnhof Sternschanze und Beim Grünen Jäger sowie eine „queerfeministische Kundgebung“ auf dem Hans-Albers-Platz.
Am S-Bahnhof Sternschanze versammelten sich am Nachmittag vor einer Bühne zunächst mehr Menschen als die erlaubten 200. Wie der Lagedienst der Polizei auf Anfrage mitteilt, waren dort etwa 600 Menschen. Nach Aufforderung an die Anmelder, die Teilnehmerzahl zu begrenzen, verteilten sich 400 im Umfeld der Kundgebung. 200 blieben vor Ort. Als die Beamten versuchten, weiterhin anrückende Demonstranten auf dem Bahnhofsvorplatz zurückzudrängen, kam es zu einem kleineren Handgemenge. Zuvor war bereits eine Frau vorläufig festgenommen worden, weil sie sich geweigert hatte, in der Menschenmasse eine Maske zu tragen oder den Platz zu verlassen. Später wurde noch eine Person in Gwahrsam genommen.
Bei der anderen Kundgebung am Grünen Jäger zählte die Polizei um kurz nach 19 Uhr noch 25 Personen. In der Spitze waren es 90, ebenso viele wie auf dem Hans-Albers-Platz. Die Polizei sprach bei allen drei Veranstaltungen von einem weitgehend ruhigen Verlauf. Wie der Lagedienst auf Anfrage mitteilte, hatten sich bis zum Beginn der Ausgangsperre alle Kundgebungen aufgelöst.
An einer Kundgebung der "Black lives matter"-Bewegung auf dem Hamburger Rathausmarkt nahmen am Freitagnachmittag etwa 150 Personen teil. Angemeldet waren 200 Teilnehmer.
Die Polizei wird heute und Sonnabend mit einem Großaufgebot im Einsatz sein. Neben der kompletten Hamburger Bereitschaftspolizei sowie den Alarmhundertschaften, bestehend aus Beamten der Polizeiwachen, werden auch Hundertschaften aus Schleswig-Holstein und der Bundespolizei im Einsatz sein. Insgesamt 26 Kundgebungen und fünf Aufzüge sind für den 1. Mai angemeldet, dazu 13 Kundgebungen für die „Walpurgisnacht“ von Freitag auf Sonnabend.
Demos zum 1. Mai: Versammlungsrecht und Infektionsschutz unter einen Hut bringen
„Derzeit sind für Aufzüge maximal 50, für stationäre Kundgebungen maximal 100 Personen zugelassen“, sagt Polizeisprecherin Sandra Levgrün unter Verweis auf die Corona-Eindämmungsverordnung. Außerdem müssen alle Demonstrationen und Aufzüge wegen der Ausgangssperre um 20.30 Uhr beendet werden.
Natürlich werde man in Hamburg auch in der Pandemie das Grundrecht auf Versammlung garantieren, sagte Levgrün. Auf der anderen Seite gebe es den Infektionsschutz. „Und beides unter einen Hut zu bringen, ist hier die Herausforderung.“
Groß-Demonstrationen werden aufgeteilt, um Corona-Regeln beachten zu können
Während die Polizei in den meisten Fällen davon ausgeht, dass Teilnehmer und Organisatoren sich an die Auflagen halten, gab es – gerade bei den größeren geplanten Versammlungen aus der linken und linksextremen Szene – hinter den Kulissen Kooperationsgespräche. So sind Kundgebungen, bei denen vom Anmelder bis zu 2000 Teilnehmer erwartet wurden, aufgeteilt worden.
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Daher wird es zwei Kundgebungen von Halil Simsek, Führungsfigur beim Roten Aufbau Hamburg, unter dem Tenor „Klassenfest gegen Staat, Kapital und Corona“ geben. Auch der vom Sprecher der Roten Flora Andreas Blechschmidt angemeldete Aufzug „Wer hat, der gibt“, zu dem 2000 Teilnehmer erwartet werden, die durch Harvestehude ziehen wollen, könnte in mehrere Kundgebungen mit je 200 Teilnehmern aufgeteilt werden.
Gericht untersagt Versammlung des Bündnisses „Schwarz-Roter 1. Mai“
Für den vom „Schwarzroten 1. Mai Bündnis“ angemeldeten Aufzug wurden dagegen die Kooperationsgespräche abgebrochen. Am Freitagnachmittag teilte das Verwaltungsgericht Hamburg mit, dass die Versammlung des Bündnisses „Schwarz-Roter 1. Mai“ untersagt bleibt.
Das Bündnis „Schwarz-Roter 1. Mai“ hatte für den 1. Mai zwei Versammlungen angemeldet, einen Aufzug mit bis zu 500 Teilnehmern und eine Versammlung mit bis zu 200 Teilnehmern vor der U-Bahn-Station Emilienstraße. "Die Freie und Hansestadt Hamburg lehnte die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen nach § 10 Abs. 2 Coronavirus-Eindämmungsverordnung ab", heißt es in der Mitteilung des Verwaltungsgerichtes. Die Durchführung sei aus infektionsschutzrechtlicher Sicht nicht vertretbar, da davon auszugehen sei, dass sich zur selben Zeit bis zu 700 Personen an einem Ort einfänden, hieß es in der Begründung.
Konzept zweier gesonderter Veranstaltungen könne nicht aufgehen
Das Verwaltungsgericht hat den hiergegen gerichteten Eilantrag abgelehnt. "Die zuständige Kammer hat nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung nicht erkennen können, dass das in § 10 Abs. 2 Coronavirus-Eindämmungsverordnung statuierte Verbot von Aufzügen und Versammlungen mit mehr als 100 Personen mit der Möglichkeit, die Zulassung einer Ausnahme hiervon zu beantragen, verfassungswidrig wäre", heißt es vonseiten des Verwaltungsgerichts.
Zudem könne das von dem Antragsteller suggerierte Konzept zweier gesonderter Veranstaltungen nicht aufgehen. "Auch in den öffentlichen Aufrufen des Antragstellers sei keine hinreichend deutliche Differenzierung zwischen den beiden von ihm angemeldeten Versammlungen vorgenommen worden." Gegen diese Entscheidung kann der Antragsteller Beschwerde bei dem Hamburgischen Oberverwaltungsgericht erheben
Bereits am Montag war an der Roten Flora ein Plakat mit dem Slogan „Komm, wir ziehen zu den Häusern der Reichen“ aufgehängt worden, das sich offensichtlich auf den Demo-Zug durch Harvestehude bezieht.
Die Polizei geht von einem störungsfreien Verlauf der Aufzüge aus. Allerdings wird auch mit militanten Aktionen kleiner Gruppen gerechnet. Zudem wird es am 1. Mai – voraussichtlich eher kleinere – Kundgebungen der in Hamburg und bundesweit vom Verfassungsschutz beobachteten „Querdenkerszene“ geben, zu denen auch Gegendemonstrationen erwartet werden.
Grüne und Linke zu den Protesten rund um den 1. Mai
Sowohl die Linken als auch die Grünen rufen für den 1. Mai dazu auf, für einen gerechteren Arbeitsmarkt einzutreten. Filiz Demirel, arbeitspolitische Sprecherin der grünen Bürgerschaftsfraktion, sagt: "Die Corona-Pandemie wirkt wie ein Brennglas für soziale und arbeitsmarktpolitische Probleme. Das vergangene Jahr hat deutlich gemacht: Die Corona-Krise verstärkt bestehende soziale Ungleichheiten – zwischen Tarifbeschäftigten und Prekär-Beschäftigten, zwischen den Geschlechtern, zwischen Arm und Reich".
Anders als Demirel, die zwar vor "antidemokratischen, spalterischen Bewegungen" warnt, die versuchten, den "1. Mai für sich vereinnahmen", die erwarteten Proteste von linksaußen jedoch nicht erwähnt, begrüßt die Fraktionsvorsitzende und frauenpolitische Sprecherin der linken Bürgerschaftsfraktion, Cansu Özdemir, die angekündigten Demonstrationen explizit und sagt: "Das Ringen um gute Arbeit und das gute Leben muss die besonderen Barrieren, mit denen Frauen und Queers konfrontiert sind, anerkennen, analysieren und letztlich verändern. Konkret heißt das: Hoch mit den Löhnen in der Pflege, an der Kasse, in der Kita und beim Reinigungspersonal!"