Hamburg. Mit einem skurril wirkenden Aufruf sucht die Reederei nach den Besitzern verwaister Boxen. Doch dahinter steckt ein ernstes Problem.

Manche Menschen neigen ja dazu, ständig etwas zu vergessen. Den Schlüsselbund, das Smartphone, den Schirm ... Eher ungewöhnlich ist es allerdings, dass große, weltweit operierende Konzerne so sperrige und schwere Gegenstände wie Container einfach im Hamburger Hafen stehen lassen.

Für die Reederei Hapag-Lloyd ist dies offenbar aber zu so einem großen Problem geworden, dass sie nun auf ihrer Seite Customer News die Kunden bittet, doch mal zu schauen, ob sie vielleicht eine ihrer Stahlboxen vermissen. "Wartet Ihr Container noch immer darauf, in Deutschland abgeholt zu werden?", fragt Hapag-Lloyd auf der eigenen Webseite. Und weiter: "In der Alltagshektik vergessen wir manchmal wichtige Dinge, auch große Gegenstände wie Container."

Hafen Hamburg – Hapag-Lloyd: Container sind knappes Gut

Tatsächlich steckt hinter der launig formulierten Frage eine ernste Schwierigkeit, die mit der angespannten Lage im weltweiten Containerverkehr zusammenhängt. Durch den derzeitigen Boom im Welthandel komme es zu Engpässen bei den Transportkapazitäten, sagt Unternehmenssprecher Tim Seifert dem Abendblatt. Die Logistikketten seien angespannt, die Umlaufzeiten für die Stahlboxen hätten sich von durchschnittlich 50 auf 60 Tage erhöht. "Es gibt zwar im Prinzip genug Container, doch diese stehen nicht immer da, wo wir sie gerade benötigen", erklärt Seifert weiter.

Vor diesem Hintergrund kommt es für Hapag-Lloyd auf jede Box an. "Eine beträchtliche Anzahl unserer Container ist nicht verfügbar, weil sie nicht im Hafen abgeholt werden, immer noch voll sind und darauf warteten, am Terminal abgeholt zu werden", heißt es in der Mitteilung an die Kunden weiter. „Könnte einer oder mehrere dieser Container Ihnen gehören?“, fragt die Reederei und bittet darum zu überprüfen, ob die Kunden in Hamburg, Bremerhaven oder Wilhelmshaven eine oder mehrere Boxen stehen habe.

Hamburger Hafen an der Kapazitätsgrenze

Wie berichtet, arbeitet insbesondere der Hamburger Hafen an seiner Kapazitätsgrenze, weshalb diverse Reedereien schon ihre Schiffe aus der Hansestadt abgezogen haben. Grund ist unter anderem, dass die Schiffe in anderen Häfen wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie mit Verzögerungen abgefertigt wurden, sodass sie Hamburg mit erheblicher Verspätung ansteuern. Das hat viele Fahrpläne durcheinandergewirbelt.

Hinzu kommt, dass viele Schiffe voll beladen sind, weil der private Konsum in Europa in der Pandemie zugenommen hat. Schließlich sorgte ein Schiffsunfall im Suezkanal, der im März zu einer mehrtägigen Sperrung geführt hatte, Ende Mai für einen weiteren Effekt in Hamburg: Plötzlich kamen die Schiffe, die zuvor im Stau gestanden hatten, alle auf einmal an.

Über diese Probleme ist man sich bei Hapag-Lloyd natürlich im Klaren. "Wir sind uns der Kapazitätsengpässe beim Transport von Containern aus den Terminals und Häfen bewusst", schreibt die Reederei daher an die Kunden weiter. Es solle aber mit "örtlichen Kundendienstteams" aktiv nach Möglichkeiten gesucht werden. "Wir freuen uns darauf, von Ihnen zu hören und die nächsten Schritte zu unternehmen, um Ihre Waren zu Ihnen zu bringen!"