Hamburg. Auf den Containerterminals kommt es zu Staus. Reedereien beschweren sich über Unzuverlässigkeit und ziehen Konsequenzen.
Der Hamburger Hafen wird seine Probleme nicht los. Wegen Ladungsstau und einer offensichtlich zu langsamen Abfertigung auf den Terminals haben erste Reedereien eine temporäre Verlagerung ihrer Schiffsdienste eingeleitet. Betroffen ist in diesem Fall der Containerterminal Hamburg (CTH) von Eurogate, dem so mindestens 25.000 20-Fuß-Standardcontainer (TEU) an Umschlagsmenge verloren gehen.
Deutliche Schiffsverspätungen, die Folgen der zeitweiligen Sperrung des Suezkanals wegen eines Schiffsunfalls, rasant wachsende Umschlagsmengen, aber auch eine zu langsame Arbeit an der Kaikante setzen dem Hafen zu. Ein Marktteilnehmer spricht von einer „standortschädigenden“ Situation.
Hamburger Hafen: Maersk und MSC reagieren erbost
Den Stein ins Rollen haben die Reedereien Maersk und MSC mit einer Kundeninformation am 31. Mai gebracht, die dem Abendblatt vorliegt. Darin heißt es, dass der Betrieb des Eurogate-Terminals in Hamburg massiv von einem Ladungsstau, Langsamarbeit und Protesten von Hafenarbeitern betroffen sei.
Deshalb würden zwei Schiffsanläufe der „MSC Leanne“ und der „MSC Kalina“ ihre Ladung nicht nach Hamburg bringen, sondern Wilhelmshaven anlaufen. „Da sich die Situation im Hamburger Hafen in den vergangenen Tagen nicht gebessert hat und es starke Kapazitätskürzungen im Inlandsnetz gibt, haben wir geschlussfolgert, dass es keine Möglichkeit gibt, ihre Ladung nach Hamburg zu bringen“, heißt es in dem Kundenschreiben.
25.000 Boxen im Monat gehen verloren
Am 1. Juni legte Maersk in einem weiteren Kundenbrief nach. „Aufgrund hoher Auslastung und außergewöhnlicher Wartezeit für unsere Schiffe im Hamburger Hafen, hat sich Maersk entschieden, Hamburg auf den nächsten vier Reisen des Ostasiendienstes nach Europa (AE7) auszulassen, und die Löschbewegungen am Nordseeterminal NTB in Bremerhaven vorzunehmen.“
Eurogate selbst geht wegen der Ladungsverschiebung von einem Verlust von 25.000 Boxen pro Monat für Hamburg aus. So wurde es nach Abendblatt-Informationen den Mitarbeitern mitgeteilt.
Auch die HHLA ist von Verlässlichkeit betroffen
Nicht nur bei den Reedern, sondern auch bei Hafenunternehmen sitzt der Frust über die offenbar fehlende Verlässlichkeit bei Eurogate tief. Im Frucht- und Kühlzentrum der HHLA spricht man sogar von einem wirtschaftlichen Schaden, weil man auf Ladung gewartet habe, die am Eurogate-Terminal in Hamburg umgeschlagen werden sollte und nun nicht kommt.
Und die Kritik von Geschäftsführer Axel Hoeckrich fällt harsch aus. „Die aktuelle Performance des Eurogate-Terminals ist für den Hamburger Hafen ohne Übertreibung standortschädigend und für alle nachgelagerten Betriebe geschäftsschädigend“, schreibt dieser an die Vorstandsvorsitzende Angela Titzrath und ihre Vorstandskollegen. Der HHLA Frucht und Stein würden durch die Minderleistung in diesem Jahr Ebit-Beträge (operative Gewinne) in sechsstelliger Höhe durch Mengenabwanderung und Folgekosten entgehen.
Eurogate will sich offiziell nicht äußern
Eurogate will sich offiziell zu den Vorgängen nicht äußern. „Die Entscheidungen von MSC und Maersk kommentieren wir nicht“, sagte ein Sprecher. Inoffiziell weist das Unternehmen aber Vorwürfe, es gebe Arbeiterproteste und absichtliche Langsamarbeit, von sich. Vielmehr sei das Problem, dass die Containerstellflächen zu 100 Prozent ausgelastet seien, worunter die Flexibilität etwa in der Bereitstellung von Containern für erwartete Schiffsanläufe leide.
Mit diesem Problem kämpft Eurogate aber nicht allein. Das machte der Präsident des Speditionsverbands DSLV und Chef des Hamburger Speditionsbetriebs Zippel Gruppe, Axel Plaß, in einem Interview mit der „Deutschen Verkehrszeitung“ (DVZ) am Mittwoch deutlich: „Wir müssen mit erheblichen Wartezeiten rechnen, wenn wir Container abholen möchten, und haben auf der anderen Seite auch Restriktionen, wenn wir Container anliefern. Dies gilt im Grunde für alle Terminals im Hamburger Hafen.“ Lastwagen müssten sehr lange warten, Züge würden halbleer aus den Terminals herausfahren.
CDU spricht von einem „Alarmsignal“
HHLA-Vorstand Jens Hansen verteidigt sein Unternehmen im gleichen DVZ-Gespräch: „Wenn Schiffe in der Spitze bis zu drei Wochen verspätet den Hamburger Hafen anlaufen, Exportladung währenddessen bis zu 13 Tage bei uns auf dem Terminal lagert, die Flächen aber nur für vier bis fünf Tage ausgelegt sind, dann liegt unsere Auslastung bei über 90 Prozent und damit so hoch, dass wir kaum noch agieren können.“ Tatsächlich fährt jedes zweite Schiff den Hamburger Hafen derzeit mit Zeitverzögerung an. Die Verspätungen betragen zum Teil bis zu drei Wochen.
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Export-Ladung, die normalerweise nur für zwei oder drei Tage vor ihrer Verschiffung auf den Terminals steht, lagert dort derzeit Wochen. Ausgerechnet jetzt befinden sich die Hafenunternehmen aber mit den Gewerkschaften in stockenden Verhandlungen über einen neuen Tarifvertrag. Die Hafenarbeiter sind deshalb wenig motiviert, um Mehrarbeit zu leisten.
„Abziehen von Diensten aus dem Hafen ist ein Alarmsignal"
Der hafenpolitische Sprecher der CDU-Bürgerschaftfraktion, Götz Wiese, sieht die Politik in der Pflicht, endlich einzugreifen: „Das Abziehen von Diensten aus dem Hafen ist ein Alarmsignal. Es muss endlich gehandelt werden. Der Hafensenator darf nicht länger abtauchen.“
Wirtschaftssenator Westhagemann, der Senat und die Hafenbehörde Hamburg Port Authority (HPA) hätten kein Konzept für die maritime Wirtschaft im Hafen. Der Forderungskatalog der Hafenwirtschaft werde nicht bearbeitet. Ein Hafenentwicklungsplan liege nicht vor. Senator Michael Westhagemann (parteilos) ging auf den Vorgang nicht direkt ein. In der Haushaltsdebatte der Bürgerschaft sagte er: „Selbstverständlich arbeiten wir an einer Strategie für unseren Hafen der Zukunft.“