Hamburg. Die Traditionsreederei und der Terminalbetreiber HHLA liegen im Clinch. Nun greift Hapag-Lloyd zum Äußersten.
Auf dem Papier sieht die Sache ganz gut aus. Nach dem Beginn der Pandemie und dem massiven Einbruch beim Seegüterverkehr im vergangenen Jahr holt der Hamburger Hafen nun langsam auf. Der Containerumschlag ist im ersten Quartal 2021 gegenüber dem Vorjahr um 1,8 Prozent gestiegen.
Dabei wurden 2,2 Millionen Standardcontainer (TEU) über die Kaikante gehoben. Der gesamte Seegüterumschlag stieg im betrachteten Zeitraum um 0,4 Prozent auf 32,1 Millionen Tonnen, wie die Marketingorganisation des Hafens am Donnerstag mitteilte.
Hapag-Lloyd-Abzug aus Hamburg wäre schwerer Schlag
Die Frage ist allerdings, wie lange dieser Positivtrend anhält. Denn nur wenige Stunden nach der Veröffentlichung der neuen Umschlagszahlen fand am Ballindamm eine Sitzung mit großer Bedeutung für den Hafen statt. Dort wurden nämlich Dinge besprochen, die seine kleinen Erfolge infrage stellen.
Bei Hamburgs Traditionsreederei Hapag-Lloyd, dem größten und wichtigsten Ladungsbringer des Hafens, tagte der Aufsichtsrat. Einer der Gründe: Die Reederei will Ladung aus Hamburg abziehen. Das haben mehrere mit dem Vorgang vertraute Personen dem Abendblatt bestätigt.
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Zumindest ein großer Asiendienst soll ab 2023 langfristig nach Wilhelmshaven abwandern. Das sind bei einem wöchentlichen Anlauf mindestens sechs Schiffe, die Hamburg mit einem Dienst verloren gingen. Betroffen davon wäre die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), für die der Abzug ein schwerer Schlag wäre. Und natürlich geht es auch hier – wie derzeit üblich im globalen Wettbewerb der Häfen – ums Geld.
Hapag-Lloyd geht es um Geld
Bisher kamen die HHLA und Hapag-Lloyd ganz gut miteinander aus. Das ordentliche Verhältnis basierte nicht zuletzt auf einem Vertrag, über den Hapag-Lloyd am Containerterminal Altenwerder der HHLA direkt beteiligt ist. Dabei handelt es sich um eine asymmetrische Gewinnbeteiligung: Die Reederei hält 25 Prozent an dem Terminal, ist aber zu 50 Prozent am Gewinn beteiligt.
Die Voraussetzung ist, dass Hapag-Lloyd den Terminal mit 800.000 Standardcontainern Umschlag im Jahr versorgt. Das funktionierte lange Zeit, weil der Vertrag der Reederei einen bevorzugten Umschlag einräumte und dem HHLA-Terminal feste Ladungsmengen sicherte.
Doch diese Symbiose ist nun in großer Gefahr: Die Hamburg anfahrenden Containerschiffe sind immer größer geworden. Insbesondere die Frachter der Hapag-Lloyd-Partnerreedereien in der gemeinsamen Allianz, One und Hyundai Merchant Marine (HMM), sind viel zu groß, als dass sie noch unter der Köhlbrandbrücke hindurch zum Containerterminal Altenwerder fahren könnten.
Schiffe sind zu groß für die Köhlbrandbrücke
Die neuen Schiffe, die Hapag-Lloyd selbst kürzlich auf Werften in Asien bestellt hat und die ab 2023 fahren, gehören ebenfalls zu den weltgrößten Containerfrachtern, die nicht unter der Köhlbrandbrücke hindurch passen, weil sie sich beim Unterfahren die Deckaufbauten abrasieren würden. Diese Schiffe müssen deshalb alle zum Burchardkai der HHLA, wo ihnen keine Brücke im Weg steht. Am Burchardkai ist Hapag-Lloyd aber nur eine von vielen Reedereien – und eine bevorzugte Abfertigung gibt es dort nicht.
Die kleineren Schiffe, die Hapag-Lloyd im Südamerika-Verkehr einsetzt, können zwar weiterhin in Altenwerder abgefertigt werden. Allerdings reicht dann das Ladungsaufkommen nicht mehr aus, um die für die Gewinnbeteiligung notwendige Menge zu erzielen. Spätestens als Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) Anfang des Jahres verkündete, dass eine neue barrierefreie Köhlbrandquerung frühestens 2034 zur Verfügung steht, gingen in der Hapag-Lloyd-Zentrale die Alarmsignale an. Eine neue Lösung muss nun her.
Wilhelmshaven als Alternative zu Hamburg
Dabei gerät der Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven in den Fokus. Der im Jahr 2012 offiziell in Betrieb gegangene JadeWeserPort, dessen Containerterminal vom Bremer Hafenkonzern Eurogate zusammen mit der weltgrößten Reederei, der dänischen Maersk, betrieben wird, hat eine enttäuschende Entwicklung genommen: Die im Vergleich hochmodernen Anlagen könnten 2,7 Millionen TEU pro Jahr umschlagen.
Im Krisenjahr 2020 waren es aber nur rund 423.000 Boxen. Maersk will sich deshalb aus Wilhelmshaven zurückziehen. Und da kommt Hapag-Lloyd ins Spiel. Die Hamburger Reederei könnte einspringen. Ihr Aufsichtsrat befasste sich am Donnerstag mit diesem Szenario.
Das Potenzial in Wilhelmshaven wäre groß und so stellt sich die Frage, ob es auf Dauer bei dem einen Liniendienst bliebe, den Hapag-Lloyd aus Hamburg verlagern will. Für die HHLA wäre das ein schwerer Schlag. Inzwischen soll das bisher gute Verhältnis zwischen den beiden Vorstandschefs Angela Titzrath und Rolf Habben Jansen von Hapag-Lloyd komplett erkaltet sein. „Die reden derzeit nicht miteinander“, heißt es aus deren Umfeld.
Senat will Schwächung des Hafens verhindern
Hapag-Lloyd und HHLA-Konkurrent Eurogate arbeiten zudem schon an anderer Stelle – abseits von Wilhelmshaven – gut zusammen. Gemeinsam betreiben sie ein Umschlagsterminal im Marokko – und das äußerst erfolgreich. Hapag-Lloyd dementierte am Donnerstag die Pläne zur Verlagerung nach Wilhelmshaven nicht. Ein Sprecher sagte lediglich: „Zu Spekulationen äußern wir uns nicht.“ Auch von der HHLA gibt es keinen Kommentar.
Nun bringt diese aktuelle Entwicklung womöglich Bewegung in einen ganz anderen Plan, der vor genau einem Jahr groß angekündigt worden war, seitdem aber vor sich hin dümpelt: Die Fusion des Containerumschlaggeschäfts von HHLA und Eurogate in den deutschen Seehäfen.
Klaus-Michael Kühne meldet sich zu Wort
Die Verhandlungen könnten nun an Fahrt aufnehmen, wobei Hapag-Lloyd ein Katalysator wäre. Der größte Anteilseigner der Reederei, der Hamburger Logistikunternehmer, Klaus-Michael Kühne spricht sich dabei deutlich für die Fusion aus.
„Die führenden Hamburger Hafenumschlagsunternehmen haben keinen leichten Stand. Sie sollten sich womöglich auch unter Einbeziehung anderer deutscher Seehäfen zusammenschließen und darauf achten, dass man sich nicht durch allzu hohe Hafenumschlagstarife aus dem Markt preist“, sagte er dem Abendblatt. Der Standort Hamburg brauche einen starken, einheitlichen und auf Effizienz ausgerichteten Auftritt der Hafenwirtschaft.
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Ein besonderes Interesse daran hat der Hamburger Senat. Er ist mit 14 Prozent an Hapag-Lloyd und mit 69 Prozent an der HHLA beteiligt. Beide Unternehmen sichern nicht nur viele Jobs in der Stadt, sondern sind auch Dividendenbringer. Bisher hat sich Hamburg nicht in die Fusionsgespräche eingeschaltet.
Doch das könnte sich ändern. Denn die Finanzbehörde sitzt sowohl bei der HHLA wie auch bei Hapag-Lloyd im Aufsichtsrat. Sie ist über den neuen Vorstoß also informiert. Offiziell gibt es auch hier keinen Kommentar. „Eine Schwächung unseres Hafens darf es nicht geben“, hieß es nur aus Senatskreisen.