Hamburg. Das traditionsreiche Unternehmen „Wer liefert was?“, heute Visable, ist mehrheitlich im Besitz der Chinesen. Firmenchef erzählt, warum.

Er hat für einige der bekanntesten Digital-Unternehmen in Deutschland gearbeitet, für Autoscout24 genauso wie für Ebay und Parship. Dann bekam Peter F. Schmid das Angebot, bei einem Verlag einzusteigen, der 1932 gegründet wurde und einen Namen hatte, der so gar nicht ins Internet-Zeitalter zu passen schien. Er entschied sich trotzdem für „Wer liefert was?“ und machte daraus Visable – eine Firma mit inzwischen 500 Mitarbeitern, die seit kurzer Zeit einen starken Partner hat: Die chinesische Online-Plattform Alibaba hat die Mehrheit übernommen. Wie es dazu gekommen ist, erzählt Schmid in unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ (zu hören unter www.abendblatt.de/podcast). Und er verrät auch, warum er einmal „Kuppler der Nation“ genannt wurde und wieso Hamburg einen Nachholbedarf in seiner wirtschaftlichen Ausrichtung hat.

Das sagt Peter F. Schmid über …

… seine frühe Entscheidung, Unternehmer zu werden, und die Rolle, die sein Opa dabei gespielt hat: „Ich hatte einen Großvater, der für sein Unternehmen gelebt hat. Wenn ich von der Schule nach Hause kam, saß ich immer eine halbe Stunde bei ihm im Büro, und dann hat er erzählt: von guten und von schlechten Zeiten, von Auf- und Abschwüngen und was man als Unternehmer machen muss. Er ist 92 Jahre alt geworden, und bis wenige Tage vor seinem Tod jeden Tag ins Büro gegangen. Das hat mich beeindruckt und sehr früh geprägt, so mit 13 Jahren, genauso wie die Region Oberschwaben in Baden-Württemberg, in der ich aufgewachsen bin und in der es viele mittelständische geprägte Unternehmen gab und bis heute gibt.“

… den Berufsstart als Angestellter, also das Gegenteil dessen, wovon er als Kind geträumt hatte: „Heute ist es selbstverständlich, nach dem Studium ein Start-up zu gründen. Damals war das wesentlich komplizierter, es gab ja kaum Venture-Capital-Firmen, es war schwer, an Geld für eine Unternehmensgründung zu kommen. Insofern bin ich nach dem BWL- Studium an der LMU in München ganz klassisch als Angestellter bei Procter & Gamble eingestiegen, was auch nicht leicht war, weil es damals Hunderte Bewerber für einen Job dort gab. Und als ich dann Ende des vergangenen Jahrhunderts versuchte, 200.000 Mark für die Gründung eines Internetunternehmens zu bekommen, musste ich sehr lange suchen. Das war damals praktisch unmöglich.“

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… seine Zeit bei der digitalen Partnervermittlung Parship: „Mich hat das Thema Versingelung der Gesellschaft wahnsinnig gereizt, und als ich hörte, dass es mit Parship eine Plattform gibt, die eine Lösung dafür hat, fand ich das sehr interessant. Als ich gefragt wurde, ob ich dort hinkommen wolle, habe ich schnell zugesagt. Aber wenn ich danach bei einem Abendessen oder anderen Gelegenheiten erzählt habe, was ich beruflich mache, herrschte oft betretenes Schweigen. Damals sprach man noch nicht so offen wie heute darüber. Meine Schwiegermutter hat ihren Freundinnen deshalb immer erzählt, dass ich im Umfeld eines Verlags arbeite. Was ja auch stimmte, weil Parship zu Holtzbrinck gehörte, und was so lange gut ging, bis in einer großen deutschen Zeitung ein Bild von mir zu sehen war, über dem stand: „Der Kuppler der Nation.“ Dann war das Versteckspiel zu Ende.“

… den Wechsel zu „Wer liefert was?“, einem Verlag, dessen Wurzeln in die 1930er-Jahre zurückreichen:
„Als ich angesprochen wurde, ob ich zu ,Wer liefert was?‘ kommen möchte, war meine erste Reaktion: Gibt es die noch? Ich kannte natürlich den Namen, aber ich wusste nicht, dass die Firma den Sprung ins Digitale geschafft hatte. Ursprünglich hat ,Wer liefert was?‘ ein Nachschlagewerk herausgegeben, in dem Unternehmen lesen konnten, wo sie die Maschinen, das Material und Co. bekommen, das sie brauchen. Diese Idee ist bis heute gültig, wir bringen nach wie vor Anbieter und Nachfrager zusammen, inzwischen über eine digitale Plattform. Für mich gab es zwei Gründe, damals zu ,Wer liefert was?‘ zu gehen und auch in das Unternehmen zu investieren: Zum einen konnte ich nach meiner Zeit als angestellter Manager bei Parship endlich wieder Unternehmer sein und selbst ins Risiko gehen; zum anderen sah ich die großen Möglichkeiten und das riesige Potential, das sich auf internationaler Ebene für die Digitalisierung im B2B-Bereich ergeben konnte.“

… den Firmenstandort in Hamburg, den er zunächst nicht sehen sollte: „Lustig war, dass die Menschen, die mich zu „Wer liefert was?“ holen wollten, in der Anwerbephase darauf bestanden, mich überall zu treffen – aber auf keinen Fall in der Hamburger Firmenzentrale am Normannenweg. Und sie wussten, warum: Hätte ich das Gebäude gesehen, wäre ich wahrscheinlich nicht nach Hamburg gekommen. Das ist schon ein spezieller Standort, der sich wie eine Behörde anfühlte und in keiner Weise wie ein Digitalunternehmen. Ich habe sozusagen die Katze im Sack gekauft. Als ich das erste Mal da war, habe ich wirklich kurz gedacht: Hättest du doch nur auf die Freunde gehört, die dir davon abgeraten haben, hier einzusteigen. Aber es zeigte sich schnell, dass das Unternehmen Substanz hatte und alles dafür mitbrachte, in seinem Bereich zu einem führenden digitalen Unternehmen in Europa zu werden. Damals hatten wir 130 Mitarbeiter, inzwischen sind es 500. Wir sind also, anders als die meisten Verlage, sehr stark gewachsen, was auch daran liegt, dass wir vor ein paar Jahren mit Europages eine europäische Plattform dazugekauft haben. Seitdem haben wir allein 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Paris.“

… den Einstieg des chinesischen Internetkonzerns Alibaba, der seit Ende des vergangenes Jahres die Mehrheit an Visable hält: „Mir war klar: Wenn wir einen europäischen Champion aufbauen wollen, brauchen wir einen starken Partner, der bereit ist, auch noch einmal richtig Geld in die Hand zu nehmen, und am besten von unserem Geschäft mehr versteht als wir selbst. Ich war deswegen vor ein paar Jahren bei Alibaba vorstellig geworden, doch die hatten damals noch kein Interesse. Was sich zum Glück geändert hat: 2022 bekamen wir eine Anfrage via LinkedIn und haben danach über einen Einstieg der Chinesen bei uns gesprochen.“

Entscheider treffen Haider

… die genaue Prüfung des Verkaufs durch die Bundesregierung: „Man braucht wie bei jedem Verkauf die Zustimmung des Kartellamts, die wir schnell bekommen haben, weil Alibaba und Visable mit unseren Plattformen wer liefert was und Europages in sehr unterschiedlichen Märkten unterwegs sind. Außerdem brauchten wir das Okay vom Wirtschaftsministerium, dass den Deal sehr kritisch geprüft hat, auch unter Einbeziehung des Verteidigungsministeriums. In den Anhörungen ging es dabei vor allem um Daten, Know-how und eigene Patenten, auf die Alibaba als Mehrheitsgesellschafter Zugriff erhalten könnte. Es wurden Spielregeln festgesetzt, es wurde klar definiert, was ausgetauscht werden darf und was nicht – und das wird vonseiten des Wirtschaftsministeriums auch sehr klar nachgehalten.“

… den Standort Hamburg: „In der ersten Expansionsphase haben wir versucht, alle benötigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Hamburg einzustellen, aber das ist uns leider nicht gelungen. Das ist der Grund, warum wir inzwischen ein großes Büro in Berlin haben. Vor allem im technischen Bereich ist es viel einfacher, dort Personal zu finden. Ich finde es sehr schade, dass Hamburg bisher nicht ausreichend erkannt hat, wie wichtig die Digitalwirtschaft ist. Mir persönlich wird in dieser wirklich schönen Stadt, die alles für einen attraktiven Standort mitbringt, im Verhältnis noch viel zu oft über den Hafen gesprochen im Vergleich zu den tollen Digitalfirmen, die hier ansässig sind.“