Hamburg. Die Hamburgerin Ebru Yaral ist in acht Monaten einmal um die Welt gesegelt, bei einem besonderen Rennen. Was sie erlebt hat.

Ein bisschen irreal ist es für Ebru Yaral gerade noch, an der Alster zu sitzen und auf die vorbeisegelnden Schiffe zu schauen. „Noch bin ich nicht so ganz wieder da“, sagt sie kurz nachdem sie in Hamburg gelandet ist. „Es ist ein wenig verrückt. Hier ist das Leben normal weitergegangen. Aber ich bin irgendwie ein anderer Mensch geworden, trage die acht Monate auf See noch wie einen Rucksack mit mir herum – und muss vor allem meine Erlebnisse noch verarbeiten.“

Ebru Yaral hat an dem Ocean Globe Race teilgenommen, einem Rennen einmal um die Welt. Erst vor rund zwei Wochen ist sie nach vielen Monaten auf See mit der südafrikanischen Yacht „Sterna“ wieder in Cowes in England eingelaufen.

Weltumsegelung: Nach Ruderbruch im Südpolarmeer – Hamburger Seglerin zurück

Nun ist sie zurück in ihrer Heimat und muss sich noch von den Strapazen erholen. „Ich merke, dass mein Körper nicht mehr der ist, der er vor der Abreise im September war“, sagt sie. Eine gewisse Müdigkeit spüre sie in sich, alles müsse im Moment noch etwas langsamer laufen. Dazu die vielen Eindrücke und Menschen, „auf dem Boot waren wir ja nur zu acht, außer dem Schiff, dem Wind und dem Meer gab es ja nichts.“ Der Trubel einer Großstadt überfordere sie noch hin und wieder. Deshalb nehme sie sich auch Zeit, sich langsam wieder in Hamburg einzufinden.

Ebru Yaral hat acht harte Monate auf See hinter sich. Die junge Frau war die einzige Hamburgerin im Feld bei einem besonderen Retrorennen. Denn das Ocean Globe Race war kein normales Segelrennen, in dem es um Hightech und maximale Geschwindigkeiten geht wie beim Ocean Race, an dem im vergangenen Jahr auch der Hamburger Boris Herrmann teilnahm.

Das Ocean Globe Race soll an die Anfänge des heutigen Ocean Race erinnern

Das Ocean Globe Race wollte an die Anfänge des heutigen Ocean Race vor genau 50 Jahren erinnern. Damals hieß es Whitbread Round the World Race, es wird seit 1973 alle drei bis vier Jahre veranstaltet. Heute nehmen unter dem Titel The Ocean Race die modernsten Rennyachten an der Weltumsegelung teil, dazu die besten Segelprofis an Bord. Wie im vergangenen Jahr, als Herrmann mit seiner Crew einen dritten Platz ersegelte.

Doch in den 70er-Jahren war es eine Veranstaltung für jeden, der den Mut für ein solches Abenteuer besaß. Genau daran wollen die Veranstalter des Ocean Globe Race nun zum Jubiläum erinnern. „Der Mensch zählt hier, das Team zählt – und nicht das Hightech-Rennboot“, so Ebru Yaral über die Idee des Ocean Globe Race. 14 Yachten gingen im September an den Start, rund 200 Teilnehmer aus aller Welt waren an Bord der alten Schiffe.

Am Ocean Globe Race durften nur Schiffe teilnehmen, die vor 1988 entworfen wurden

Die Route war der von Herrmann und den anderen Profiseglern nicht unähnlich. Von Cowes ging es nach Kapstadt. Danach segelten die Teilnehmer in das Südpolarmeer bis nach Auckland in Neuseeland. Weiter ging es durch das Südpolarmeer nach Punta del Este in Uruguay. Im April landeten dann Stück für Stück die teilnehmenden Schiffe wieder in Southampton in England.

Ebru Yaral unter Deck am Navigationstisch. Navigiert wurde noch mit den alten Seekarten, elektronische Geräte gab es nicht auf der „Sterna“.
Ebru Yaral unter Deck am Navigationstisch. Navigiert wurde noch mit den alten Seekarten, elektronische Geräte gab es nicht auf der „Sterna“. © Dr Gerrit Louw | Dr Gerrit Louw

Die Veranstalter hatten das Rennen mit besonderen Vorgaben geplant. So konnten nur Schiffe teilnehmen, die vor 1988 entworfen wurden. An Bord durften keine technischen Hilfsmittel verbaut sein. Auch moderne Materialien wie Kohlefaser sollten nicht zu finden sein. Dazu waren keine technischen Geräte an Bord gestattet – wie GPS, Plotter, Handys oder Satellitentelefone.

Gesegelt wurde wie vor 50 Jahren mit Seekarten und Sextanten

Das heißt, gesegelt wurde genau wie vor 50 Jahren. Die Position wurde mithilfe des Sextanten bestimmt, navigiert mit der guten alten Seekarte. Einmal am Tag gab es ein Wetterfax, danach mussten die Crews Entscheidungen über Routen oder Segel treffen. Dazu durfte die Crew zweimal am Tag Bilder und Kurznachrichten verschicken – von einem extra darauf ausgelegten Telefon. Weitere Kontakte zu Personen an Land waren strengstens verboten. Alle anderen Smartphones wurden versiegelt und mussten in einem Schrank verwahrt werden.

Ebru Yaral am Steuer der Yacht „Sterna“. Die junge Frau ist gerade von ihrer Weltumsegelung zurückgekehrt.
Ebru Yaral am Steuer der Yacht „Sterna“. Die junge Frau ist gerade von ihrer Weltumsegelung zurückgekehrt. © Ebru Yaral | Ebru Yaral

Für Ebru Yaral war das Ocean Globe Race genau das richtige Rennen. „Ich wollte unbedingt dabei sein und es war, genau wie ich mir gedacht habe, eine unglaubliche Erfahrung. Ich möchte keinen einzigen Tag missen“, sagt die Seglerin. „Ich bin so dankbar, dass ich auf allen Etappen mitsegeln konnte.“ Keinen Tag habe sie die Entscheidung bereut, ihr Leben in Hamburg für eine Weile gegen ein Leben auf einem verhältnismäßig kleinen und vor allem alten Schiff einzutauschen. „Selbst in den unangenehmsten, rauen, nassen oder kalten Stunden habe ich nie gezweifelt, dass ich hier und jetzt genau an der richtigen Stelle bin.“

Bei einem heftigen Sturm im Südpolarmeer brach das Ruder der „Sterna“

Und von denen gab es durchaus genug. Etwa als ein heftiger Sturm im Südpolarmeer weitab jeder rettenden Küste über die „Sterna“ hinwegfegte, sie mehrfach komplett auf die Seite drückte und dabei das Steuerkabel zerstörte. „Es machte einen lauten Knall und uns allen war sofort klar, dass etwas Schlimmes passiert sein musste.“ Die Crew habe die Segel geborgen und den Schaden untersucht. Eine Notpinne funktionierte nicht. „Und so trieben wir bei heftigsten Winden einfach hilflos herum.“

Eine Situation, in der der eine oder andere Segler sicherlich Angst bekommen hätte. Nicht so Ebru Yaral. „Ich wusste, der Mast steht, der Rumpf ist heil, dann schaffen wir es auch zurück“, sagt sie heute. Die Crew habe das Schiff stabilisiert, sei beigedreht und habe abgewartet, bis der Sturm sich legte. Was Tage gedauert habe, so Ebru Yaral. Erst dann hätten sie sich an die Reparatur machen können. „Irgendwann haben wir es geschafft, das Steuerkabel zu reparieren und konnten weiter Richtung Ziel segeln.“

Ein besonderer Moment war für Ebru Yaral das Einlaufen nach der ersten Etappe in Kapstadt

Ein weiteres einschneidendes Erlebnis – bereits kurz nach dem Verlassen des ersten Stopps in Südafrika machte der Crew die Ruderanlage derart zu schaffen, dass sie sogar umkehren musste und eine Woche durch die Reparatur verlor. So kam die „Sterna“ in Auckland, dem zweiten Stopp, erst an, kurz bevor alle Schiffe den Hafen bereits wieder zur nächsten Etappe des Rennens verlassen mussten.

Doch die schönen Dinge, von denen sie dann berichtet, die seien es, die für immer in ihrem Gedächtnis bleiben würden. „Nie werde ich das Einlaufen in Kapstadt nach der ersten Etappe vergessen. Dieses Gefühl, bei Sonnenaufgang auf den Hafen zuzufahren, festzumachen und von den anderen Crews begrüßt zu werden war überwältigend. Vielleicht auch, weil es das erste Einlaufen war.“

Wale, Delfine, Albatrosse – besonders diese Naturerlebnisse wird die Seglerin nie vergessen

Doch die Naturerlebnisse seien es vor allem, die eine solche Weltumsegelung so einzigartig machen. „Meinen ersten Wal werde ich nie vergessen. Wie er so majestätisch hinter uns auftauchte, das ist unbeschreiblich.“ Oder ein anderes Mal, als einige Buckelwale vor dem Boot her schwammen. Eine Nacht habe eine riesige Gruppe Delfine um das Boot herumgespielt. „Auch mein erster Albatros war ein absolutes Highlight. So einen Vogel bekommt man hier ja gar nicht zu sehen.“

Traurig und nachdenklich stimme sie die Umweltzerstörung, die sie direkt auf ihrer Weltumsegelung erlebt habe. „Riesige Algenteppiche haben wir gesehen, sind immer wieder lange durch solche Teppiche gesegelt.“ Oder der Müll, der auch in den entlegensten Orten zu finden war. „Ich habe mich immer wieder gefragt, wie kommt der hier her. Das ist unfassbar traurig.“

Acht Menschen auf engstem Raum – das war nicht immer leicht, berichtet Ebru Yaral

Und noch eine Sache habe sie gestört, sagt Ebru Yaral. „Wir waren durch die Schäden oft viel langsamer als alle anderen. Außerdem ist das Schiff im Verhältnis klein und nicht so schnell gewesen.“ Das sei durchaus frustrierend für die Crew gewesen. „Denn wir hatten bei jedem Stopp eine Woche oder maximal zehn Tage Zeit für Reparaturen, Einkäufe – und die wichtige Erholung kam viel zu kurz.“ Nach den Strapazen auf See sei das zu wenig gewesen. „Außerdem haben wir die anderen Crews selten gesehen, konnten uns mit ihnen nicht wirklich austauschen oder gar feiern.“

Herausfordernd sei auch das menschliche Miteinander an Bord gewesen. „Wir waren zu acht auf engstem Raum, viele Wochen zusammen quasi eingesperrt“, sagt sie. Dazu Menschen, die sich vorher nicht kannten. Die „Sterna“ haben der Südafrikaner Gerrit Louw und sein Vater extra für dieses Rennen angeschafft, umgebaut und ausgerüstet. Der Eigner selbst segelte mit, dazu übernahmen drei Personen als Skipper die Verantwortung für das Schiff, der Rest der Crew wurde in einem Auswahlverfahren ausgesucht. „So kam eine bunte, internationale Truppe zusammen.“ Das habe natürlich den Reiz ausgemacht, aber sei eben auch eine Herausforderung gewesen.

Im Juni wird es in England ein großes Abschiedsfest geben

Im Juni wird Ebru Yaral noch einmal ihre Crew treffen – und die anderen Teilnehmer auch. Denn dann wird es in Rom in Italien ein großes Abschiedsfest geben. Die junge Seglerin freut sich schon jetzt auf die Tage mit den anderen Mitstreitern. „Endlich haben wir noch einmal Zeit miteinander und können diese verrückte Regatta Revue passieren lassen. Ich freue mich schon jetzt riesig auf die gemeinsamen Tage.“

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Bis dahin wird Ebru Yaral daran arbeiten, wieder in ihrem neuen alten Leben anzukommen. Freunde und Familie wollen endlich wieder Zeit mit ihr verbringen, und auch ihre Firma, Airbus, wartet darauf, dass sie wieder zurückkehrt. Die hat Ebruy Yaral im Rahmen eines Sabbaticals für das größte Abenteuer ihres Lebens freigestellt. Im Moment wirkt es, als sei der ganz normale Alltag für die junge Frau fast eine größere Herausforderung als eine Weltumsegelung. „Ein bisschen Zeit habe ich noch, bevor mich dieser Alltag ganz wieder hat – und das ist auch gut so.“