Hamburg. Insider gehen von denselben Tätern bei Mord und Mordversuchen aus. Auftraggeber in der Türkei vermutet. Es geht auch um Drogentaxis.

  • Per internationalem Haftbefehl wird der mutmaßliche Auftraggeber des Mordanschlags in einer Shishabar vom Juli 2022 gesucht
  • Doch von den Tätern fehlt weiterhin jede Spur. Auch ihre Identität ist den Ermittlern noch völlig unbekannt.
  • Doch es gibt Hinweise.

Die Szene dürfte sich auf die Schenkel klopfen. 5000 Euro Belohnung haben die Hamburger Sicherheitsbehörden auf Hinweise ausgesetzt, die zur Ergreifung von Mansour Ismail führen. „Ob man für 5000 Euro den Don eines Dealerringes verpfeift, sollte wohlüberlegt sein“, sagt ein Insider zum Abendblatt. Tatsächlich sind die Chancen eher gering. Die Szene zeichnet sich durch eisernes Schweigen aus. Dazu gilt der 29-Jährige als skrupellos. In mehreren Fällen hat er nach Erkenntnissen der Ermittler der Soko „Trinity“ ein Killerkommando angeheuert, um aufmüpfige Handlanger oder Konkurrenten aus dem Weg zu räumen.

Polizei Hamburg: Spur im Shishabar-Mord führt in die Türkei

Der Mordanschlag in einer Shishabar im Juli 2022 in Hohenfelde war eine kaltblütige Tat. Die Spur führt in die Türkei. Dort, so glauben Ermittler heute, hält sich der per internationalen Haftbefehl Gesuchte auf. Davor soll er sich einige Zeit in Spanien aufgehalten. Spanien – das ist das Sehnsuchtsland erfolgreicher Drogenhändler. Schöner, wärmer, nicht so weit von Hamburg. Dort lässt es sich leben. Von dort aus kann man die illegalen Geschäfte lenken. Zudem kommen viele Drogen über Spanien nach Deutschland.

Die Polizei Hamburg sucht Mansour Ismail
Die Polizei Hamburg sucht Mansour Ismail © Polizei Hamburg | Polizei Hamburg

Der 29-jährige Ismail gilt als Kopf eines der Drogentaxi-Ringe. Fünf davon soll es, so sagen Insider, in Hamburg geben. Drogentaxis sind seit Jahren der Vertriebsweg für Rauschgift. Dahinter steckt ein ausgeklügeltes Logistiksystem mit Fahrern, sogenannten Bunkerbetreuer, Kundenbetreuern, Einkäufern und Koordinatoren. Für die Touren werden hauptsächlich Carsharing-Fahrzeuge benutzt. Vermehrt, so heißt es, werden Frauen eingesetzt. „Die steigen voll ein, leben den Gangsterstyle“, so ein Insider.

Carsharing-Fahrzeuge werden in Hamburg als Drogentaxi missbraucht

„Heute läuft fast alles über die Drogentaxis“, sagt ein Beamter. „Und die Nachfrage ist enorm.“ Gehandelt werden im großen Stil Marihuana oder Kokain. Dass Carsharing-Fahrzeuge genutzt werden, hat zwei Gründe: Sie stehen an vielen Straßen und sind schwerer von Observationskräften zu überwachen. Wird ein Drogentaxi erwischt, kann man das Fahrzeug nicht als Tatmittel einziehen, weil es der Carsharing-Firma gehört.

Die Fahrer dieser Drogentaxis bilden in dem System die unterste Ebene in der Hierarchie. Das klingt nach „Mindestlohn“, bringt aber, so der Insider „um die 4000 Euro im Monat“. Natürlich steuerfrei.

Dass Mansour Ismail nicht mehr in Spanien vermutet wird, hat einen Grund. Im Rahmen der Encrochat-Ermittlungen, durch die Hunderte hochkarätige Dealer aufflogen und festgenommen wurden, war das Land zunehmend in das Visier der Behörden geraten. Offenbar fühlt sich der Mann in der Türkei sicherer.

Killerkommandos: Unklar ist, wer die angeheuerten Schützen sind

Völlig unklar ist, wer die Schützen sind, die die Jobs für den mutmaßlichen Auftraggeber ausführten. Bei beiden Taten, dem Mord an Terry S. In der Shishabar in Hohenfelde im Juli 2022 und bei den Schüssen auf zwei aus der Dealerszene bekannte Männer in Tonndorf im Januar 2023, waren es immer zwei Täter. Auch die Tat im September 2022 auf der Veddel, bei der einem Mann ins Gesicht geschossen wurde, wurde von zwei Tätern verübt. Die Polizei schließt nicht aus, dass es sich immer um dasselbe Duo handelt.

Dass es Profi-Killer ala Werner „Mucki“ Pinzner sind, der in den 1980er Jahren auf dem Kiez für Geld Luden tötete, die Konkurrenten aus dem Weg haben wollten, glaubt man in Polizeikreisen nicht.

Polizei Hamburg: In der Dealerszene gehören Waffen zum Standard

„In der Dealerszene ist heutzutage jeder bewaffnet und trägt die Waffe auch mit sich“, so ein Beamter. Das hatte sich bei der Schießerei in Tonndorf gezeigt. Dort hatten die „Opfer“ selbst Waffen gezogen und das Feuer erwidert. Eine These ist, dass es sich um Angehörige einer Gruppierung handelt, die sich „hocharbeiten“ will. Auch das zeichnet die Szene aus: Man schweigt bei der Polizei. Haftstrafen sind einkalkuliert. Wer sich an die Regeln der Kriminellen hält, kann nach der Haftentlassung wieder „ins Geschäft“ einsteigen.

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Eine sogenannte „heiße Spur“ zu ihnen gibt es nicht. Ein Verdächtiger, den man anhand von DNA-Spuren auf einer schusssicheren Weste ermittelt hatte, wurde freigesprochen. Zwei Zeuginnen, die in der Schweiz leben, sagten nicht aus. Die Weste will der Mann zeitweise besessen, aber dann weitergegeben haben. In Haft sitzt der Freigesprochene trotzdem. Er war bereits wegen Drogenhandels und Waffenbesitzes im Zusammenhang mit anderen Fällen verurteilt worden.

Damit bleibt die Chance, Mansour Ismail zu verhaften. Dass der Mann mit dem arabischen Namen ausgeliefert wird, wenn er im Ausland gefasst wird, ist groß. Er hat die deutsche Staatsbürgerschaft.