Hamburg. Am Montag beginnt bei „Hart aber fair“ eine neue Zeit. Moderator Louis Klamroth will sich nicht nur an Quoten messen lassen.

Nach und nach kommen die politischen Talkshows aus der (langen) Winterpause – und in diesem Jahr gibt es zwei Neustarts: Den von Caren Miosga haben wir am vergangenen Sonntag erlebt, der von Louis Klamroth steht an diesem Montag an. Der Hamburger hat jetzt die volle Verantwortung für die Produktion von „Hart aber fair“, die künftig seine eigene Firma herstellt. In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht der 34-Jährige über jede Menge Neuerungen, über den Titel der Sendung, der bleibt, und über AfD-Politiker wie Björn Höcke, die er niemals einladen wird. Das komplette Gespräch ist unter www.abendblatt.de/entscheider zu hören.

Das sagt Louis Klamroth über…

… die Änderungen bei „Hart aber fair“, die sich wie ein Neustart anfühlen: „In einer gewissen Weise ist es ein Neustart. Es wird ein neues Studio geben, das Konzept wird sich im Laufe des Jahres weiterentwickeln. So wie die erste Sendung sein wird, wird sicherlich nicht die zweite sein, und so weiter. Es wird nicht mehr diesen einen klassischen Tresen geben, hinter dem fünf Leute stehen, und dadurch werden sich die Talkkonstellationen ändern. Je nach Thema und Gästelagen wird es mal ein Einzelgespräch geben, dann eine Zweier- oder eine Dreierrunde. Aber es ist durchaus möglich, dass insgesamt auch mal sieben Gäste im Studio sind, vielleicht sogar noch mehr. Was wir schärfen und ausbauen wollen, ist die Rolle von Bürgerinnen und Bürgern, die mit ihren Perspektiven mehr zu Wort kommen sollen. Ich selbst werde häufiger aus dem Studio rausgehen, was mir allein schon deshalb wichtig ist, weil ich nicht das Gefühl verlieren will, was da draußen so los ist. Ich werde viel unterwegs sein, vielleicht werden wir auch mal eine ganze Sendung außerhalb des Studios machen.

… eine weitere „Hart aber fair“-Folge am Dienstagabend: „Für uns hört die Sendung nicht mehr am Montag um 22.15 Uhr auf. Wir verlängern ‚Hart aber fair‘ in die Mediathek, in der es am Dienstagabend eine zweite Version geben wird, die ich mit Kommentaren und weiteren Informationen anreichere. Bisher funktionieren Politik-Talks in der Mediathek nicht besonders gut, das wollen wir ändern.“

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… den Wechsel der Produktionsfirma, von Frank Plasbergs „Ansager & Schnipselmann“ zu „Florida Factual“, die Klamroth mit Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf betreibt: „Im Laufe des vergangenen Jahres hat sich herausgestellt, dass es einen Wechsel der Produktionsfirmen geben wird. Das war nicht von Anfang an klar, im Gegenteil. Ich bin da als neuer Moderator erstmal reingegangen mit dem Ziel, gute Sendungen zu machen, was wir meist auch gut hinbekommen haben. Ich hatte aber irgendwann das Gefühl, dass ich mehr in die Verantwortung kommen muss, um die Weiterentwicklung der Sendung auch jenseits des linearen Fernsehens vorantreiben zu können. Frank Plasbergs Firma und ich haben dann darüber gesprochen, ob wir das gemeinsam hinkriegen, und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir getrennte Wege gehen. Was ehrlicherweise im Fernsehen nichts besonderes ist. Zu Joko und Klaas: Die beiden spielen für mich insofern eine Rolle, weil sie wichtige Ratgeber sind, übrigens in allen möglichen Fragen. Aber die stehen jetzt nicht bei den Proben von ‚Hart aber fair‘ im Studio und geben ihren Senf dazu ab.“

… die Frage, warum seine Sendung nicht wie bei anderen Talkshows so heißt wie der Moderator: „Der Name ‚Hart aber fair‘ bleibt. Das ist eine traditionsreiche Talkshow und Marke, die die Zuschauerinnen und Zuschauer liebgewonnen haben. Der Titel beschreibt, zusammen mit dem Untertitel ‚Politik trifft auf Wirklichkeit‘, ziemlich genau, was wir machen. Natürlich ist die Sendung auch geprägt vom Moderator, Frank Plasberg hat sie schließlich 22 Jahre moderiert, aber sie funktioniert eben auch mit einem anderen Gastgeber. Und ich finde, das ist wichtig: Dass das Format unabhängig von dem ist, der es moderiert. Bei uns soll die Auseinandersetzung mit den Themen im Vordergrund stehen, nicht ich.“

… die Planung einer Sendung: „Es gibt Sendungen, bei denen stehen die Gäste zwei Monate im Voraus fest, und es gibt Sendungen, bei denen wir erst am Sonntagabend wissen, wer am Montag dabei ist. Im Idealfall wissen wir am Mittwoch, wie die Runde aussieht. Aber der Idealfall tritt in den seltensten Fällen ein.“

… Absprachen zwischen den Politik-Talks in der ARD: „Die drei Talks, die in der ARD laufen, müssen sich unterscheiden. Wenn wir alle die gleichen Themen mit den gleichen Gästen machen würden, wäre das langweilig. Deshalb stimmen wir uns unter der Woche ab, wer sich um was kümmert. Es lässt sich nicht immer verhindern, dass wir uns mit ähnlichen Themen beschäftigen, denken wir nur an den Ukraine-Krieg im vergangenen Jahr. Aber dann müssen sich die Fragestellungen und Perspektiven unterscheiden.“

… die Quote und Themen, die gut laufen: „In Redaktionskonferenzen wird bei der Suche nach Themen gern damit argumentiert, dass dieses oder jenes schon mal gut gelaufen ist. Ich bin da eher skeptisch. Ich glaube, wir tun gut daran, uns in der Themensetzung nicht nur an den Quoten zu orientieren, sondern an anderen Kriterien: Was ist journalistisch relevant, was halten wir für wichtig, welche Debatten sollen abgebildet werden? Das müssen die Leitfragen sein.“

… die politische Lage: „Journalistisch ist das im Moment eine extreme intensive Zeit. Ich gucke wie viele mit Sorgen auf dieses Jahr, auf die Kriege in der Ukraine und in Israel, auf die Landtagswahlen in Ostdeutschland, auf die Präsidentschaftswahl in den USA. Aber für einen Journalisten ist all das, was gerade passiert, eben auch sehr spannend. Wir müssen uns fragen: Was für Debatten führen wir, wie werden wir als politische Talkshow den Ansprüchen gerecht, die an uns gestellt werden? Im besten Fall kann eine Talkshow wie ‚Hart aber fair‘ einen kleinen Teil zu einer anderen Debattenkultur und der Politisierung der Menschen beitragen.“

… Wunschgäste: „Bei der Frage nach einem Wunschgast fällt mir erst mal ein Nicht-Politiker ein: Uli Hoeneß fände ich extrem spannend. Bisher hat es leider nicht geklappt. Ich würde mit ihm über politische Dinge sprechen wollen, weil er ein sehr politischer Mensch ist, aber auch darüber, wie er so geworden ist, wie er geworden ist. Ich finde zudem einige Politiker aus der zweiten und dritten Reihe ganz spannend, die bisher kaum in Talkshows waren. Auch die wird man bei ‚Hart aber fair‘ in diesem Jahr häufiger sehen.“

… den Gesprächspartner Olaf Scholz: „Olaf Scholz ist eine wahnsinnig spannende Person. Ich habe ihn mehrfach interviewt und fand, dass dabei immer interessante Gespräche herausgekommen sind. Mein Gefühl ist übrigens, dass er deutlich mehr Interviews gibt als seine Vorgängerin. Ich finde schon, dass er medial präsent ist und gehöre nicht zu denen, die sagen, dass der Kanzler sich nicht zu Wort meldet. Ich höre, sehe und lese ihn viel. Das Problem ist, dass er manchmal viel kommuniziert, ohne konkret etwas zu sagen.“

Entscheider treffen Haider

… den AfD-Politiker Björn Höcke als Gast in einer Talkshow: „Ich würde ihn nicht einladen. Mit der AfD ist es kompliziert, sie ist keine normale demokratische Partei, wird in mehreren Bundesländern als rechtsextrem eingestuft. Teile dieser Partei wollen offensichtlich das Grundgesetz aushebeln wollen. All das spielt bei der Besetzung einer Talkrunde eine Rolle. Was auch oft missverstanden wird ist, dass eine Talkshow den Parteienproporz im Bundestag abbilden muss. Wir sind ja kein Parallel-Parlament. Gleichzeitig versucht ein Talk, demokratische Debatten zu ermöglichen. Und dabei stellt sich mir die Frage, wie man mit Vertretern einer Partei umgeht, die demokratische Grundwerte zumindest in Teilen missachtet. Meine Redaktion und ich werden wie auch in der Vergangenheit gemeinsam entscheiden, ob und wann die Einladung eines AfD-Politikers passend ist.“

… die Frage, warum es „Hart aber fair“ nicht jede Woche gibt, sondern nur 30-mal im Jahr: „Das hat etwas mit linearen Sendeschemata zu tun. Und ich glaube, ich würde es nicht durchhalten, 52 Wochen im Jahr eine Sendung zu machen. Ich habe vergangenes Jahr ähnlich viele Sendungen gemacht wie wir sie jetzt für 2024 planen, und kann sagen, dass das sehr intensiv und anstrengend ist. Ich habe größten Respekt vor Kollegen, die mehrere Sendungen pro Woche machen. Aber vielleicht sollten wir tatsächlich darüber nachdenken, zusätzliche Sendungen zu produzieren, die es dann nur in der Mediathek gibt. Und vielleicht planen wir ja auch etwas in Richtung Podcast…“