Hamburg. Der berühmte Vater wollte verhindern, dass er sich viel mit Fernsehen beschäftigt. Doch er bewirkte bei Brandt damit das Gegenteil.
Er hat „TV Total“ mit Stefan Raab genauso ins deutsche Fernsehen gebracht, wie, über Umwege, Big Brother: Borris Brandt hat ein Stück TV-Geschichte geschrieben. Jetzt arbeitet der Hamburger wieder in der Stadt, in die er unbedingt mit 50 zurückkehren wollte – und zwar für den Fernsehsender Hamburg 1. In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ erzählt er, wie es dazu gekommen ist, warum seine Großeltern eine so wichtige Rolle in seinem Leben gespielt haben und wie er mit einer Anzeige im Hamburger Abendblatt das erste Mal ins Fernsehen gekommen ist. Zu hören unter www.abendblatt.de/entscheider
Das sagt Borris Brandt über …
… seinen Vornamen, der sich ungewöhnlich, nämlich mit zwei R schreibt: „Das ist eine Entscheidung meiner Großeltern gewesen. Mein Vater war sehr jung, als meine Mutter mit mir schwanger war, und er hat wohl überlegt, ob sie mich überhaupt bekommen sollten. Meine Großeltern haben damals dafür gesorgt, dass es nicht zu einer Abtreibung gekommen ist und sich dann auch um die anderen Sachen in meinem Leben gekümmert, unter anderem um meinen Namen. Meine Großmutter hatte auf einem Friedhof in Ostfriesland die Inschrift ,Kapitän Borris fuhr zur See‘ auf einem Grabstein entdeckt, und fand den Namen so gut, dass sie ihn für mich auswählte. Und weil mein Opa zu der Zeit beruflich in New York war, heiße ich mit zweiten Namen York.“
… die Flucht von zu Hause und die Rettung durch die Großeltern: „Ich bin mit 14 Jahren von zu Hause weg, weil ich das Schauspielerleben meiner Eltern mit dem ewigen Umziehen leidhatte. Ich bin nach einem großen Streit mit den beiden schwarz mit der Bahn von Karlsruhe, wo wir damals lebten, nach Hamburg gefahren und mit der U-Bahn weiter zu meinen Großeltern nach Volksdorf. Weil es früh war, und meine Großeltern noch schliefen, habe ich mich dort erst mal auf die Terrasse gesetzt. Irgendwann kam meine Großmutter raus, sah mich und sagte: ‚Das haben wir uns schon gedacht, dass du zu uns kommst.‘ Dann waren die beiden so nett, dass sie mir ein Internat in St. Peter-Ording bezahlten – und für mich war die Welt wieder in Ordnung. Das Leben im Norden und das Zusammensein mit meinen Großeltern war immer das Schönste. Deshalb habe ich vor ein paar Jahren auch versucht, das Haus meiner Großeltern zu kaufen, was mir leider nicht gelungen ist. Aber wir haben zum Glück eine Heimat in unmittelbarer Nähe gefunden, und deshalb wohne ich seit zwölf Jahren selbst in Volksdorf.“
… sein Verhältnis zu seinem Vater, dem berühmten Volker Brandt: „Mit meinem Vater habe ich mich vor 20 Jahren ausgesprochen, wir haben inzwischen ein gutes Verhältnis. Ich kann heute verstehen, dass meine Eltern damals mit mir überfordert worden, sie waren 17 und 22, als ich zur Welt kam, und ich war sicher kein einfaches Kind. Aber am Ende bin ich durch all das, was ich mit ihnen erlebt habe, zu dem geworden, der ich bin, und dafür bin ich ihnen dankbar.
… seinen Einstieg ins Fernsehen, der etwas mit Ausreden zu tun hatte: „Mein Vater hat immer gesagt, dass nur die ins Fernsehen kommen, die lange und hart dafür gearbeitet haben, die Besten der Besten. Und ich habe gesagt: Jeder Depp kommt ins Fernsehen. Wir haben um 100 Mark gewettet, dass ich das hinkriege. Ich habe dann eine Anzeige im Hamburger Abendblatt geschaltet, in der ich so getan habe, als hätte ich Hamburgs ersten Ausredenservice gegründet. Darüber haben verschiedene Zeitungen berichtet. Die Artikel habe ich ausgeschnitten und an TV-Sender geschickt. Es dauerte nur wenige Tage, bis ich die erste Einladung in eine Talkshow bekam, und zwar von Alfred Biolek. Die Wettschulden hat mein Vater bis heute nicht bezahlt, aber ich habe so meine ersten Erfahrungen im Fernsehen gesammelt.“
… die Erfindung von „TV total“ mit Stefan Raab: „Ich war Programmdirektor bei ProSieben und hatte eine fette Prämie in Aussicht bekommen, eine Million Mark. Um die zu erhalten, brauchte ich aber bessere Quoten, und habe deshalb einen Termin mit Stefan Raab gemacht, der damals noch bei Viva war. So ist ,TV total‘ entstanden, eine Sendung, in der sich Stefan musikalisch austoben sollte und in der wir Fernsehpannen aus aller Welt zeigen wollten, falls Stefans Einlagen nicht ausreichen würden – deswegen hieß das Format ,TV total‘. Wir haben die skurrilen Einspielfilme nicht lange gebraucht …“
… Big Brother: „Um die fette Prämie bei ProSieben zu erhalten, von der ich bereits gesprochen habe, brauchte ich noch ein erfolgreiches Format. So kam ich in Kontakt mit John de Mol, der damals jemanden suchte, der sich traute, die Lizenz für eine Sendung zu kaufen, in der normale Menschen bei ihrem normalen Leben in einem Haus rund um die Uhr gefilmt werden und bestimmte Aufgaben erledigen müssen. Das Format hieß Big Brother und niemand traute sich, es umzusetzen. Ich war gleich begeistert und unterschrieb einen Vertrag mit John de Mol, der am Ende dazu führte, dass ich zwar die Prämie von ProSieben bekam, aber dort auch meinen Job verlor. Später stellte mich dann John de Mol an, und ich wurde Chef von Endemol Deutschland.“
… Erfolg im Fernsehen und „Wer wird Millionär?“: „Entertainment ist Diktatur, da geht es darum, dass einer sagt, was gemacht wird. John de Mol ist ein Diktator: ,Wer wird Millionär?‘ gibt es nur, weil er die ersten vier Folgen aus der eigenen Tasche bezahlt hat, weder RTL noch Günther Jauch haben am Anfang an die Sendung geglaubt.“
Entscheider treffen Haider
- Sebastian Fitzek: „Meine Bücher lesen vor allem Frauen“
- Mojib Latif: „1,5 Grad Erwärmung ist nicht der Untergang“
- Dalia Das: „In drei Monaten zum IT-Experten“
… seinen Wechsel zum Fernsehsender Hamburg 1: „Je schlimmer die Zeiten werden, desto mehr konzentrieren sich die Menschen auf ihr engstes Vorfeld. Deshalb glaube ich, dass ein Lokalsender in einer Stadt wie Hamburg absolut Sinn macht. Wir müssen im Jahr 2024 zeigen, dass es wieder ein verlässliches Programm im Sender gibt. Das Größte, was wir machen können, ist einerseits über das zu informieren, was in der Stadt passiert, und andererseits von den angesprochenen schweren Zeiten und den Krisen auf dieser Welt abzulenken.“
… Arbeit, die nicht endet: „Ich glaube, ich gehöre zu den Menschen, die schnell altern, wenn sie nichts zu tun haben. Deshalb arbeite ich gern und viel, und ein bisschen Geld verdienen muss ich schon auch noch.“