Hamburg. Der Chef des Wohnungsbaukonzerns sieht den Konzern als Gewinner in der Krise. Wohnen ist für ihn die neue soziale Frage.

Die Saga ist nicht nur das größte öffentliche Wohnungsbauunternehmen in Deutschland, sondern auch eines der ältesten. Vor 100 Jahren übernahm die Saga in der Steenkamp-Siedlung die ersten 760 Wohnungen, inzwischen sind es knapp 140.000 im Bestand. Die Durchschnittsmiete lag 2022 bei öffentlich geförderten Mieten bei 6,26 Euro pro Quadratmeter, frei finanziert bei 7,30 Euro.

Die Saga ist für die Stadt der wichtigste Bauherr im sozialen Wohnungsbau und Partner vieler Stadtentwicklungsprojekte. Nun gilt die Siedlungsaktiengesellschaft auch bei der Entwicklung des Holsten-Quartiers und des Paloma-Viertels als potenzieller Partner.

Immobilien Hamburg: Saga hat darauf gewartet, dass die Immobilienblase platzt

Hamburger Abendblatt: Aus der Immobilienbranche kommen derzeit katastrophale Nachrichten. Wann wird‘s besser?

Thomas Krebs: Wir erleben eine historische Krise. Die Nachfrage ist hoch und wächst weiter, aber das Angebot steigt kaum noch. Die Zinsen müssen wieder sinken – ich fürchte aber, wir sehen erst 2025 oder 2026 das Licht am Ende des Tunnels. Wirklich überraschend kam diese Krise nicht, höchstens ihr Ausmaß. Wir haben als Saga erwartet, dass diese Immobilienblase platzt, und uns darauf vorbereitet. Denn wir wussten, dann kommt unsere Stunde, weil wir widerstandsfähig und wirtschaftlich gesund sind.

Inzwischen wanken auch große Namen wie Signa von René Benko. Fürchten Sie einen Dominoeffekt?

Das kann gefährlich werden, weil es Wechselwirkungen geben kann. So war es in der amerikanischen Immobilienkrise, so ist es jetzt in China. Aber die europäischen Banken sind relativ krisensicher aufgestellt. Deshalb glaube ich nicht an ein Überschwappen. Trotzdem werden wir Insolvenzen sehen, gerade bei denjenigen, die sehr stark gehebelt und über günstige Zinsen spekuliert haben. Diese Firmen werden Finanzierungsprobleme bekommen. Schwierig wird es auch für börsennotierte Unternehmen – sie bilanzieren marktorientiert und müssen ihr Portfolio teilweise massiv abwerten und bekommen Probleme in der Refinanzierung.

Immobilien: Zahlreiche Angebote – Saga will jetzt auf Einkaufstour in Hamburg gehen

Was heißt das für die Saga?

Für uns liegt darin eine Chance – wir werden gerade überflutet mit Immobilienangeboten aller Art. Interessant sind für uns vor allem Grundstücke und Projektentwicklungen, die unter den derzeitigen Bedingungen auf Eis liegen. Momentan stehen alle bei den Investitionen in den Neubau und in die Bestandsmodernisierung auf der Bremse, auch kommunale Unternehmen und Genossenschaften. Wir aber können nun auf Einkaufstour gehen, um die Neubauleistung bei 1000 Wohnungen zu halten und wieder in Richtung 2000 zu entwickeln.

Das ist in Hamburg ein Tropfen auf dem heißen Stein. Das Ziel von 10.000 Wohnungen wird der Senat reißen. Wo landen wir in diesem Jahr?

Das ist schwer zu sagen. Im Moment sagen die Prognosen ungefähr eine Halbierung voraus. Wir müssen möglichst schnell Perspektiven schaffen, insbesondere auch den bezahlbaren Wohnungsbau wieder möglichst schnell hochfahren. Die Stadt hat mit ihrer vorbildlichen Förderpolitik alles getan, was sie tun konnte. Man kann heute gefördert und auf eigenen Grundstücken rentabel bauen.

Baukosten sind binnen acht Jahren um mehr als 60 Prozent gestiegen

„Rentabel“ klingt ambitioniert angesichts von Baukosten von mehr als 4000 Euro pro Quadratmeter.

Das stimmt. 2016 lagen wir bei Kosten von rund 2700 Euro, heute sind wir bei der Saga bei ungefähr 4400 Euro pro Quadratmeter angekommen. Uns hilft der Systemwohnungsbau – wir haben 2000 Wohnungen nach diesem Systembaukasten errichtet, 500 sind in der Umsetzung, 3000 sind in der Planung. Die Kostenersparnisse liegen bei rund 15 Prozent. Auch über Nachverdichtung auf eigenen Grundstücken lassen sich die Kosten senken.

Stichwort Grundstücke: Sie haben Interesse am Holsten-Areal bekundet und wollen gemeinsam mit Quantum bieten. Wie ist der Stand?

So stellen sich die Planer das Holsten-Quartier vor – aber bislang hat der Eigner Adler noch kein Fundament gegossen.
So stellen sich die Planer das Holsten-Quartier vor – aber bislang hat der Eigner Adler noch kein Fundament gegossen. © André Poitiers Architekt Stadtplaner RIBA | André Poitiers Architekt Stadtplaner RIBA

Wir warten, dass Adler das Areal an den Markt bringt. Noch kennen wir das Verfahren nicht. Das Problem könnte sein, dass das Gelände zu überhöhten Werten bei Adler in den Büchern steht. Da sind gegebenenfalls mit Blick auf die Marktlage Abschreibungen nötig – das ist für Adler sicherlich eine Herausforderung. Wir jedenfalls werden bieten. Mein Wunsch an die Stadt wäre, beim Holsten-Areal wie auch im Paloma-Viertel noc hmal die städtebaulichen Verträge mit Blick auf die aktuellen Marktbedingungen zu überprüfen.

Saga Hamburg: Chef zweifelt an den städtebaulichen Verträgen

Sie meinen, die Verträge, die einen Dachgarten hier, ein Basketballfeld da vorsehen oder öffentliche E-Ladestationen und Dachbegrünung vorschreiben …

Damals sind viele Wünsche geäußert worden, die in Ordnung waren. Aber jetzt stecken wir in einer historischen Krise. Da müssen wir die Rahmenbedingungen für bezahlbaren Wohnungsbau anpassen. Nicht alles scheint mir heute mehr umsetzbar.

Wie ist der Stand im Paloma-Viertel auf St. Pauli?

Wir stehen für den geförderten Wohnungsbau bereit und haben ein Angebot gemacht. Aber am Ende muss es wirtschaftlich sein, sonst können auch wir das nicht machen.

Wohnungsbau: Saga sieht sich viel besser aufgestellt als andere kommunale Unternehmen

Die Saga wirkt in Hamburg wie ein Ausputzer: Überall da, wo es gefährlich wird, müssen Sie reingrätschen.

Ich würde das positiv sehen. Wir haben uns in den letzten 20 Jahren in unserem Geschäftsmodell so aufgestellt, dass wir auch in Krisenzeiten handlungsfähig sind und liefern können.

Warum können Sie Gas geben, wenn alle auf der Bremse stehen?

Wir haben nicht nur einen sozialen Auftrag als Quartiersentwickler, sondern verfügen zugleich über ein unternehmerisches Geschäftsmodell und können die erforderlichen hohen Investitionen in Neubau, Klimaschutz und Instandhaltung aus eigener Kraft sicher refinanzieren. Ein früherer Vorstandskollege hat das mal zugespitzt „Aldi-Wohnen“ genannt – wir vermieten Gebäude und Wohnungen mittlerer Art und Güte zu sehr sozialverträglichen Mieten – aktuell liegen wir im Durchschnitt rund 30 Prozent unter dem Mittelwert des Mietenspiegels. Dieses Modell trägt jetzt Früchte. Wir sind produktiv, haben exzellente betriebswirtschaftliche Kennzahlen und liegen im Branchenvergleich stets in der Spitzengruppe. Wir können auch in der Krise investieren. Viele andere kommunale Unternehmen etwa in Mainz, Hannover oder Berlin haben, wie man hört, Probleme.

„Die Wohnraumversorgung in den Metropolen wird zur neuen sozialen Frage“

Warum ist das so?

Das ist ganz einfach. Da wurden unrentabel Wohnungen gekauft, oder es wurde unrentabel investiert, und am Ende müssen die öffentlichen Haushalte mit Subventionen einspringen. Das hat der Hamburger Senat anders gemacht.

Aber auch in Hamburg nimmt der politische Druck zu …

Wir haben bundesweit eine Drucksituation, die aus der Krise resultiert. Die Herausforderungen sind gewaltig. Die Wohnraumversorgung in den Metropolen wird zur neuen sozialen Frage. Hinzu kommen enorme Anforderungen im Klimaschutz. Das alles erfordert Milliardeninvestitionen in einer Zeit, in der auch die öffentlichen Haushalte unter Druck geraten. Dieser Druck wird dann mancherorts weitergegeben. Aber nicht in Hamburg. Denn die Saga liefert, wir sind eines der wenigen Unternehmen bundesweit, die im Moment antizyklisch im großen Stil investieren können.

Immobilien Hamburg: 30.000 Bestandswohnungen müssen energetisch saniert werden

Das Thema Abriss wird inzwischen immer kritischer diskutiert. Wird die Saga noch abreißen?

Wir diskutieren das Thema schon lange, weil wir an rund 30.000 Bestandswohnungen energetisch ranmüssen: Den großen Teil wird man modernisieren. Aber es gibt Bauten aus den 50er- oder 60er-Jahren, die man kaum sinnvoll sanieren kann. Die muss man ersetzen, auch um zeitgemäßes und insbesondere seniorengerechtes Wohnungen anbieten zu können. Das ist auch eine Frage der nachhaltigen Entwicklung unserer Quartiere. Natürlich müssen wir dabei die sogenannte „graue Energie“ angemessen berücksichtigen.

Sie sprechen von der neuen sozialen Frage. Welche anderen Möglichkeiten bieten sich, die Krise zu entschärfen?

Wir müssen versuchen, den vorhandenen Wohnraum besser zu mobilisieren, etwa durch Wohnungstausch. Schon heute resultieren etwa zehn Prozent unserer Fluktuation aus unserem Wohnungstauschprogramm. Das soll mehr werden. Die zweite Quelle ist das Thema WG-Wohnen – wie können wir in Zukunft größere Wohnungen sinnvoll teilen? Das ist für Studenten, Auszubildende, junge Berufsanfänger und vielleicht auch für Seniorinnen und Senioren hochinteressant. Die Stadt könnte mit Förderprogrammen und einer Vermittlungsagentur helfen, auch private Vermieter von solchen Modellen zu überzeugen. Mich persönlich treibt noch eine dritte Idee um.

Wohnen Hamburg: In den Szenevierteln hält Krebs Fehlbelegungsabgabe für nötig

Die da wäre?

Der Drittelmix ist ein Erfolgsmodell und eines der Verdienste des Bündnisses für das Wohnen in Hamburg: So können wir heute auch in hochattraktiven Lagen geförderte Wohnungen bauen. Dabei gibt es aber ein Problem: Wir prüfen nur einmal bei der Vermietung Gehalt und Belegung – und wissen nach fünf oder zehn Jahren nicht mehr, wer da wohnt. In dieser Zeit ist vielleicht aus dem Student ein Arzt geworden oder von der fünfköpfigen Familie nur ein Mieter übrig geblieben. Deswegen könnte man über eine neue Fehlbelegungsabgabe für Szenequartiere nachdenken: Alle fünf Jahre könnte eine verbindliche Selbstauskunft über die Förderung vorgesehen werden. Wer die Kriterien nicht mehr erfüllt oder sich weigert, die Informationen zu liefern, wird schrittweise an die Marktmiete herangeführt. So ließe sich ein Anreiz schaffen, dass solche Wohnungen wieder den eigentlichen Zielgruppen offenstehen.

Die Fehlbelegungsabgabe ging früher nach hinten los – sie hat die Entstehung sozialer Brennpunkte noch befördert.

Damals haben wir das falsch gemacht, weil sie die großen Wohnsiedlungen fernab der City betraf und Ankermieter, die mitunter Nachbarschaften stabilisiert haben, zum Wegzug motiviert worden sind. In Szenequartieren sehe ich diese Gefahr nicht – denken wir nur an den Suttnerpark, den Stadtpark oder den Baakenhafen. Da könnte diese Fehlbelegungsabgabe helfen.

Wohnen Hamburg: Saga stellt zusätzlich Wohnungen für Geflüchtete zur Verfügung

Wir sehen gerade eine Abkehr vom Drittelmix – bei größeren Erschließungsflächen sollen 40 Prozent für sozialen oder geförderten Wohnungsbau vergeben werden, nur der Rest im Drittelmix. Damit steigt der sozial geförderte Anteil auf 60 Prozent, da sind viele private Investoren raus.

Das werden wir sehen. In Ausnahmesituationen muss die Stadt auch über angepasste Quoten nachdenken. Ich würde mir sehr wünschen, dass wir den erfolgreichen Drittel- und Investorenmix nach Möglichkeit auch in der Zukunft absichern. Wir werden mehr geförderten Wohnraum brauchen, aber wir sollten die Lehren aus der Vergangenheit nicht aus dem Blick verlieren.

Der Mangel an Wohnraum wird verschärft durch die Flüchtlingswellen. Können wir bei der massiven Zuwanderung baulich überhaupt Schritt halten?

Wir hatten 2015 ein sehr erfolgreiches Sonderbauprogramm. Damals hat sich die Saga innerhalb kürzester Zeit an der Realisierung von 1800 Wohnungen beteiligt. Aktuell stellen wir wo immer möglich Fördern und Wohnen zusätzliche Wohnungen für Geflüchtete zur Verfügung. Wir tun, was wir können, aber die Lage ist ernst.

Saga will lieber Solarparks bauen als auf jedes Dach Photovoltaik zu bringen

Im Abendblatt haben drei Senatoren erklärt, dass die Grenzen der Aufnahmefähigkeit erreicht sind. Gilt das auch für den Wohnungsbau?

Unsere Stadtgesellschaft steht vor einer gewaltigen Herausforderung. Die damit verbundenen übergeordneten Fragen sind aber nicht meine Baustelle – das ist Aufgabe der Politik.

Eine weitere Herausforderung sind die Klimaschutzziele.

Da haben wir bereits viel erreicht und werden jetzt weiter massiv in unsere Bestände investieren. Klar ist aber auch, dass wir hier vor gewaltigen Herausforderungen stehen. Von daher wünschen wir uns in der Wohnungswirtschaft innovative bilanzielle Lösungen, um schneller und kostengünstiger die Klimaschutzziele erreichen zu können. Ein Beispiel ist die Solarisierung: Wir könnten das Ziel doppelt so schnell für die Hälfte der Kosten erreichen, wenn wir beispielsweise auch Solarparks bauen und auf die Gebäudeflotte bilanzieren würden, statt nur unsere Dächer mit Solarpanels zu belegen.

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Wie lassen sich die Mieter mit ins Boot holen? Die Digitalisierung bietet Möglichkeiten etwa mittels einer App, die den Stromverbrauch in Echtzeit zeigen.

Man kann sehr viel bewegen durch Kommunikation, etwa durch Energieberatung: So haben unsere Mieter im vergangenen Jahr zwischen 15 und 20 Prozent eingespart. Hinzu kommt eine bessere Steuerung des Verbrauchs, dafür benötigen wir Transparenz, aber auch ein Anreizsystem. Wer weniger verbraucht, muss es im Portemonnaie deutlich spüren. Wir könnten uns in Zukunft Modelle vorstellen, bei denen sich das ändert: Wenn Wohnungsunternehmen auch Energieversorger würden, könnten wir auch verstärkt solche Anreizsysteme schaffen.

Will die Saga Energieversorger werden?

Wir machen uns darüber wie alle großen deutschen Wohnungsunternehmen Gedanken. Es ist immer extrem effizient, Strom vor Ort zu erzeugen und zu verbrauchen. Wir haben erste Gedankenspiele zu einer eigenen Energiegesellschaft und stehen dazu in enger Abstimmung mit der Stadt und wollen insbesondere mit unseren Schwesterunternehmen ausloten, wie gemeinsame Lösungen zum Nutzen aller Beteiligter in Zukunft aussehen könnten.