Hamburg. Die Entwicklung der Nebenkosten ist laut Vorstandssprecher Thomas Krebs „besorgniserregend“. Er gibt eine Prognose ab.

Sie ist die größte Vermieterin der Stadt – und mit 137.000 Wohnungen und 1400 Gewerbeobjekten hinter Vonovia inzwischen sogar zweitgrößte Eigentümerin des Landes: Hamburgs kommunale SAGA. Seit bald 24 Jahren ist Thomas Krebs in verschiedenen Führungspositionen im Unternehmen tätig, seit 2009 sitzt er im Vorstand, seit 2015 ist er Vorstandssprecher. Er hat Boomphasen und Schwächeperioden miterlebt – Zeiten, in denen viele verzweifelt eine Wohnung suchten, aber auch Jahre, in denen manche Deutschland für fertig gebaut hielten.

Vor Kurzem überraschte die Pro­gnose des Zentralen Immobilienausschusses, der den Metropolen ein Ende des Wachstums prophezeit hat und sogar eine Trendwende für möglich hält. Krebs ist da skeptisch: „Bevölkerungsprognosen sind nie ganz einfach.“ Er will die SAGA nicht auf eine länger anhaltende Schrumpfung einstellen. Zwar verliert Hamburg derzeit mehr Menschen ans Umland – durch Zuzüge aus dem Ausland aber wächst die Stadt noch. Die kippelige Weltlage erschwert die Prognosen zusätzlich, auch für Experten.

Immobilien Hamburg: „Wir müssen vorbereitet sein"

„Wir wissen nicht, wie es weitergeht“, sagt Krebs. „Es kann sein, dass Mitte der 20er-Jahre eine Entspannung eintritt, aber darauf würde ich nicht setzen.“ Der promovierte Politikwissenschaftler verweist darauf, dass Krisen wie jetzt in der Ukraine wieder Flüchtlingswellen wie 2015 auslösen könnten. „Da reden wir möglicherweise über Millionen von Flüchtlingen“, sagt der SAGA-Manager.

Seine Konsequenz: „Wir müssen vorbereitet sein. Das heißt für uns: bauen, bauen, bauen – dazu gibt es keine Alternative. Aber wir müssen so bauen, dass wir gut dastehen, wenn dann der Markt dreht.“ Damit meint er attraktive Wohnungen im niedrigen Preissegment und in gemischten innerstädtischen Quartieren.

Familien kehren Hamburg den Rücken

Diese Lehre hat die Branche verinnerlicht. Als Ende der 80er-Jahre und um die Jahrtausendwende weniger Menschen in die Metropolen zogen, verödeten die Großwohnsiedlungen und Quartiere in den Randlagen schnell. Skeptiker sehen bereits einen Exodus aus den Städten, der bislang kaum auffällt: Gerade Familien kehren Hamburg den Rücken – sei es aufgrund der weitersteigenden Immobilienpreise oder weil die Corona-Pandemie die Bedürfnisse verändert hat.

Der eigene Garten wird wichtiger, das großstädtische Angebot verliert an Reiz; die Nähe zum Arbeitsplatz oder Geschäften tritt in den Hintergrund, wenn Menschen im Homeoffice arbeiten und im Internet einkaufen. „Diesen Trend sehe ich durchaus“, sagt Krebs. „Die Digitalisierung verändert vieles. Das bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass wir nicht mehr bauen müssen, ganz im Gegenteil!“

„Ich würde schon von einer Immobilienblase sprechen“

Es werde Zeit brauchen, bis dieser Trend die Lage in den Metropolen entlaste und die Preise dämpfe. Denn Wohnungsmärkte reagieren träge auf Veränderungen. Nach der Wiedervereinigung hat die Branche noch in den Leerstand hineingebaut. „Unsere Bautätigkeit hat einen langen Vorlauf. Allein die SAGA hat in Hamburg 1500 Wohnungen in der Pipeline. Bis zur Umsetzung dauert es eine Weile.“ Der Wohnungsmarkt erinnert Krebs an einen Tanker. „Der kann nicht von jetzt auf gleich bremsen.“

Die Politik auf der Kommandobrücke macht zudem keine Anstalten zu bremsen: Im vergangenen Jahr erteilten die Behörden 10.207 Baugenehmigungen. „Um den Markt zu beruhigen, müssen wir bauen, vor allem bezahlbare Wohnungen.“ Der Manager beklagt eine Überhitzung der Wohnungsmärkte durch die EZB-Niedrigzinspolitik. „Ich würde schon von einer Immobilienblase sprechen.“ Krebs erwartet, dass dieser Blase bald die Luft entweichen könnte. „Früher oder später werden die Zinsen inflationsbedingt deutlich steigen. Und dann wird mancher Investor, der zu hoch gepokert hat, in Schieflage geraten.“ Darauf sei die SAGA vorbereitet: „Wenn der Markt dreht und Bestände zum angemessenen Preis zum Verkauf stehen, stehen wir bereit“, sagt der 57-Jährige.

Es fehlt an Ressourcen und Fachkräften

Doch das ist Zukunftsmusik. In der Gegenwart kämpfen die Wohnungsbaugesellschaften mit mannigfaltigen Herausforderungen: „Die Rahmenbedingungen sind schwieriger geworden. Die niedrig hängenden Früchte im Neubau haben wir in den vergangenen zehn Jahren gepflückt.“ Damit ist es vorbei: „Jetzt kommen die komplizierten, die konfliktbeladenen, manchmal kontaminierten Flächen. Da haben alle in der Anfangsphase einen Bogen drum gemacht. Jetzt müssen wir an diese Grundstücke ran“, sagt Krebs. Das sei oft kompliziert. „Es braucht erhebliche Anstrengungen, um diese Grundstücke zu mobilisieren, und es dauert“. So müsste etwa bei Nachverdichtungen oft Überzeugungsarbeit geleistet werden, um Widerstände zu überwinden.

Doch es geht nicht um Flächen allein. Die Branche ächzt unter einem Mangel an Ressourcen, Fachkräfte fehlen, Baumaterialien werden immer teurer. „Der Markt ist extrem angespannt“, sagt der in Bonn aufgewachsene Hesse. „Das betrifft insbesondere auch Modernisierungen. Die Pandemie hat das Problem noch verschärft.“

Preisexplosion hat Auswirkungen auf Mieten

Krebs gibt Beispiele, wie stark die Baukosten gestiegen sind. 2015/2016, als die Politik preisgedämpftes Bauen einforderte, lagen die Quadratmeterkosten im Neubau bei 2500 Euro. Heute sind sie auf über 4000 Euro hinaufgeschnellt. Diese Preisexplosion schlägt auf die Mieten durch: „Ein guter Indikator ist die öffentlich geförderte Miete“, sagt Krebs. In Wahrheit liege diese Miete zwischen 12 und 13 Euro. „Da sieht man, was der Staat dazugeben muss, um eine Miete von 6,80 oder 6,90 Euro anzubieten und Wohnen bezahlbar zu halten.“

Das einst ausgegebene Ziel, für acht Euro pro Quadratmeter Wohnungen zu errichten, ist heute kaum erreichbar. „Wenn wir auf eigenen Grundstücken und effizienter bauen, ließe sich das unter zehn Euro machen.“ Das bedeutet aber zugleich Einschnitte beim Standard – etwa der Verzicht auf die Tiefgarage, aufs Gäste-WC, auf Aufzüge. In den vergangenen Jahren hat die SAGA elf Pilotprojekte im Bereich des Acht-Euro-Wohnens mit insgesamt 550 Wohnungen auf den Weg gebracht. „Daran arbeiten wir weiter.“

„Wir bauen nicht für zehn, sondern für 60 Jahre ...“

Einfach ist es nicht: „Das ist die Quadratur des Kreises“, sagt Krebs. „Wir bauen nicht für zehn Jahre, sondern für 60 Jahre und mehr. Es muss effizient sein, aber auch funktionieren, wenn ein Markt mal schwieriger wird.“ Da liege im Verzicht auf Aufzüge angesichts steigender Lebenserwartungen ein Zielkonflikt – für Senioren sind diese Wohnungen weniger geeignet.

Ein zusätzliches Problem sieht Krebs im strengen Klimaschutz. „Wir müssen mit den Bezirken und mit dem Senat über andere Effizienzstandards reden. Wenn man kostengünstig bauen will, müssen wir Kompromisse machen. Anders wird es nicht gehen.“ Angesichts der vielfältigen Anforderungen – die Politik wünscht sich jährlich 400.000 neue Wohnungen, günstig gebaut, energetisch gedämmt – fühlt sich Krebs manchmal wie ein Jongleur, der viele Bälle in der Luft halten muss. Die SAGA hat nicht nur eine soziale Verantwortung, sondern ist zugleich dem ökonomischen Erfolg verpflichtet. „Das zusammen zu bekommen, ist kompliziert genug. Nun kommt als dritte Dimension der Klimaschutz hinzu.“

5000 Wohnungen in Horner Geest als Musterprojekt

Krebs empfiehlt, sich von der Fixierung auf einzelne Gebäude zu lösen und stärker im Quartier zu denken. Es könne effizienter sein, ein ganzes Viertel mit CO2-freier Wärme und Solarstrom zu versorgen, als jedes Gebäude bis ins Detail aufwendig energetisch zu sanieren. In der Horner Geest will die SAGA bei 5000 Wohnungen zeigen, wie diese Strategie mit dem technokratischen Titel „Flottenverbrauchs- und Quartiersansatz“ funktionieren kann.

„Wir haben begrenzte Ressourcen, wir haben begrenzte Mittel, vor allem dann, wenn wir auch sozial verantwortlich vermieten wollen. Und deswegen müssen wir nach der besten Lösung suchen.“ Krebs erwartet aber nicht, dass die Politik bei den energetischen Gebäudestandards die Anforderungen zurückschraubt.

SAGA will Klage den Verbänden überlassen

Gleichwohl übt er Kritik an der Entscheidung des Bundeswirtschaftsministers, die KfW-Förderungen für das „Effizienzhaus 55“ zu stoppen. Diese Gebäude, die nur 55 Prozent der Primärenergie vergleichbarer Gebäude benötigen, gelten inzwischen als nicht mehr förderwürdig. „Das trifft uns massiv und hat mich wirklich erschüttert. Wenn man den Staat nicht mehr vertrauen kann, wem dann?“, fragt Krebs. Der Förderstopp „Knall auf Fall“ werde nicht ohne Folgen bleiben.

„Das hat Bremsspuren in der Branche hinterlassen.“ Krebs rechnet vor: Allein bei der SAGA sind 1200 Neubauwohnungen betroffen. „Wir hoffen sehr, dass es Regelungen für solche Fälle geben wird.“ Eine Neuplanung hätte gravierende Folgen, etwa bei der Dämmung oder der Haustechnik: „Dann müssten wir die Verfahren stoppen und wegen der veränderten Standards neue Gebäude planen. Bei 1200 Wohnungen reden wir über Millionen Euro.“ Eine Klage aber wolle die SAGA den Verbänden überlassen.

Menschen werden ins Umland vertrieben

Während in Hamburg geförderter Wohnraum entsteht, steigen im frei finanzierten Markt die Kaufpreise immer schneller. Auch der Drittelmix treibt die Preise der Eigentumswohnungen, weil hier Angebot und Nachfrage besonders weit auseinanderklaffen: Die Mittelschicht hat auf diesem Markt ohne Millionenerbe kaum noch eine Chance. „Jemand, der für seine Familie ein Eigenheim sucht, wird im Moment oftmals nur außerhalb der Stadt fündig. Das ist keine gute Entwicklung“, sagt Krebs. „Die überhöhten Preise treiben die Menschen ins Umland.“ Kauf- und Mietpreise hätten sich entkoppelt. Zahlte man früher das 15- bis 20-fache der Jahresmiete als Kaufpreis, sei heute das 40-fache fällig.

Krebs wünscht sich mehr Mischung in den Quartieren, zu der auch Eigenheime gehören können. „Wenn wir große Bauprojekte auf der grünen Wiese entwickeln, brauchen wir unbedingt diesen Mix.“ Dabei sei die große Herausforderung, dass Eigentum bezahlbar bleibe. Großwohnsiedlungen, die Idee der 60er- und 70er-Jahre gegen Wohnungsnot, hält Krebs hingegen heute für aus der Zeit gefallen. „Man muss diese Siedlungen aus ihrer Geschichte heraus verstehen. Damals galten die modernen Wohnungen mit Fernwärme als großartige Errungenschaft. Heute würden wir so nicht mehr bauen.“

Nebenkosten steigen immer weiter

Als Vermieter von 137.000 Wohnungen will der Vorstandssprecher keine Prognose geben, wohin die Mieten steigen werden. „Wir liegen mit unseren Durchschnittsmieten immer mindestens 20 Prozent unter dem Mittelwert des Mietenspiegels. Wir sind die Mietpreisbremse.“

Aber im Moment sei die Entwicklung gefährlich – auch weil die sogenannte „zweite Miete“, die Nebenkosten inklusive Energie, immer weiter steigen. So kommen pro Quadratmeter inzwischen schnell drei Euro zur Kaltmiete obendrauf. „Bei der Fernwärme rechnen wir schon mit Steigerungen schätzungsweise zwischen 20 und 30 Prozent“, sagt Krebs. „Das ist besorgniserregend.“ Deshalb seien effizientere, sparsamere Gebäude auch im Sinne der Mieter.

Immobilien Hamburg: Entspannung nur durch Neubau

„Klimaschutz steht aber nicht über sozial verantwortlichen Mieten“, sagt Krebs und kritisiert damit Forderungen des Hamburger Klimarats, die Wohnungsbauziele von 10.000 auf 5000 zu halbieren. „Wir müssen einen klugen Kompromiss finden. Nur über massiven Neubau wird sich der Markt entspannen. Jede Vollbremsung wäre falsch.“

Erst Ende der 20er-Jahre, frühestens Mitte der 20er-Jahre, erwartet der Manager einen Nachfragerückgang. „Das hängt jetzt vom Neubau und dem Wanderungssaldo ab.“ Gerade Letzterer – das zeigt der Ukraine-Krieg – aber ist kaum vorhersehbar.