Hamburg. Mitten im norddeutschen Nirgendwo soll eine Gigafactory entstehen. Was das Unternehmen Northvolt plant und warum gerade hier.
Er ist der Mann, der für eines der spannendsten Projekte verantwortlich ist, die es derzeit in Deutschland gibt – und mit dem sich eine Region verändern könnte, die noch irgendwo im Nirgendwo zwischen Hamburg und Sylt liegt. Christofer Haux, Deutschland-Chef des schwedischen Konzerns Northvolt, will in Heide eine große Fabrik bauen, in der im Jahr eine Million Batterien für Elektrofahrzeuge hergestellt werden sollen. Noch fehlt dafür das Okay von der Europäischen Union, aber das scheint nur eine Frage der Zeit.
In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ verrät Haux, warum die Westküste nicht nur für sein Unternehmen so interessant ist, wieso der Norden vor einem Wirtschaftswunder stehen könnten – und woher die vielen Menschen dafür kommen sollen.
Das sagt Christofer Haux über …
… Northvolt in Heide: „Wir planen eine Fabrik, die, wenn sie komplett fertig ist, eine Million Batterien für Elektroautos pro Jahr bauen und die zwischen 2500 und 3500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben wird. Die Fabrik, wir nennen sie Gigafactory, soll in Heide auf einer Fläche von 110 Hektar entstehen.“
Gigafactory im Norden: 2026 sollen die ersten Batterien ausgeliefert werden
… den Zeitplan für die Gigafactory: „Wir sind jetzt in einer Phase, in der wir alle Vorbereitungen treffen, damit wir sofort loslegen könnten, wenn das Go aus Brüssel von der Europäischen Union kommt. Wir sind da sehr optimistisch. Es ist ein riesengroßes Projekt mit einem Investitionsvolumen von mehr als vier Milliarden Euro. Wir haben heute in Norddeutschland ein Team von ungefähr 40 Leuten, die an dem Projekt arbeiten. Das wird in den nächsten Wochen und Monaten sehr schnell wachsen. Wenn wir Anfang nächsten Jahres mit den Bauarbeiten beginnen würden, könnten wir 2026 die ersten Batterien ausliefern.“
… das Ziel, Batterien für Elektroautos mit so wenig CO2-Verbrauch zu bauen wie möglich: „Wir haben 100 Jahre lang Verbrennungsmotoren gehabt und vollziehen jetzt den Wechsel zur Elektromobilität. Bei diesem Wechsel müssen wir unbedingt darauf achten, wie wir ihn vollziehen. Die Herstellung von Batterien für Elektroautos ist sehr energieintensiv. Kurz gefasst kann man sagen: Die Produktion einer herkömmlichen Batterie verbraucht pro Kilowattstunde Leistung 100 bis 150 Kilogramm CO2. Das heißt, ein normales Mittelklasseauto hat schon knapp vier Tonnen CO2 verbraucht, wenn es verkauft wird. Das ist viel zu viel. Die Batterien, die wir in Heide herstellen wollen, sollen bei der Produktion um bis zu 90 Prozent weniger CO2 verbrauchen. Das ist unser Ziel, und das ist der Unterschied, den wir im Markt machen wollen. Wir wollen grüne Batterien bauen. Dazu gehört auch, dass wir alte Batterien recyclen. Unser Plan ist, dass wir in zehn Jahren neue Batterien zu 80 bis 90 Prozent aus alten Bestandteilen herstellen. Dann brauchen wir kaum neue Rohstoffe.“
Northvolt: 10.000 Bewerbungen für Megafabrik zwischen Hamburg und Sylt
… die Entscheidung für Heide: „Wir haben Heide bewusst als Standort ausgesucht, weil wir für die Produktion von Batterien sehr viel Energie brauchen und dabei auf erneuerbare Energien setzen wollen. Das ist an der Westküste mehr als gegeben. Wer abends einmal die Autobahn von Hamburg hochfährt, und die erleuchteten Windräder sieht, weiß, warum. Es kommt hinzu, dass das eine fantastische Ecke, eine wunderschöne Region ist, in der aus unserer Sicht sehr viel möglich sein wird. Unsere erste Gigafactory haben wir in Nordschweden gebaut, in einer Region, die sehr mit Heide vergleichbar ist. Dort gibt es einen Überschuss an Wasserkraft, in Heide einen an Windenergie. Beide galten in der Vergangenheit eher als strukturschwach. Wir haben in Schweden die Erfahrung gemacht, was alles möglich ist, wenn man in so eine Region mit einer großen Batteriefabrik geht, und wie alle davon profitieren können. Ich bin sehr sicher, dass das in Heide ebenfalls so sein wird; auch wenn der Bau einer so großen Fabrik natürlich immer eine optische Veränderung bedeutet. Da muss man nicht drum herum reden.“
… die Entdeckung der Westküste in Schleswig-Holstein durch Unternehmen: „Als wir gesagt haben, dass wir nach Heide gehen wollen, war bei vielen die Überraschung groß. Wir seien ziemlich mutig, hieß es. Das ändert sich gerade. Ich stelle fest, dass sich auf einmal viele Unternehmen für die Westküste interessieren. Das hat vor allem mit der idealen Energieversorgung dort zu tun, die in den nächsten Jahren eine entscheidende Rolle spielen und ein großer Vorteil für Schleswig-Holstein sein wird.“
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… die Flut von Bewerberinnen und Bewerbern: „Wir haben dieses Jahr bereits 10.000 Bewerbungen erhalten. Das Interesse ist riesengroß, und ich glaube, das ist erst der Anfang. Die offizielle Bekanntgabe des Projektes steht ja noch aus. Wir sehen, dass es viele Leute gibt, die vor Jahren aus Dithmarschen und der Region in den Süden gezogen sind, weil es dort die Arbeitsplätze gab. Jetzt haben diese Leute, oft sind es Ingenieure, die Chance, zurück in ihre Heimat zu kommen und dort einen attraktiven Job zu erhalten. Davon profitieren wir. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass der Norden, dass Schleswig-Holstein im industriellen Vergleich eine ganz andere Rolle wird spielen können als in der Vergangenheit.“
… die Bedeutung Hamburgs für die Pläne von Northvolt: „Hamburg spielt eine große Rolle für uns, weil es vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wichtig sein wird, eine Metropole in der Nähe zu haben. Gleichzeitig hat Hamburg für uns eine zentrale Bedeutung als Logistikzentrum. Und wir haben vor ein paar Wochen in Hamburg unsere erste Recycling-Anlage für Batterien eröffnet. Davon soll ein Netz in ganz Europa entstehen.“