Hamburg. Entscheider treffen Haider – heute mit Linda Zervakis und der Frage, ob der Besuch beim Metzger hilft, weniger Fleisch zu essen.
Stadt oder Land? Die Frage stellt sich im Norden, wo Hamburg und Schleswig-Holstein so eng aneinanderliegen wie Bayern und München, für viele Menschen.
TV-Moderatorin Linda Zervakis beantwortet sie auf ihre Weise: Sie pendelt zwischen der Stadt (Eimsbüttel) und dem Land (Ostholstein) und hat darüber jetzt ein Buch geschrieben, das eine Mischung aus Roman und Selbsterfahrungsbericht ist und in dem es im eindrucksvollsten Kapitel um das Schlachten eines Lamms geht.
In unserer Reihe Entscheider treffen Haider (zu hören unter www.abendblatt.de/entscheider) spricht sie über ihren „Landgang“, die Sehnsucht nach Griechenland und die Zeit nach der „Tagesschau“.
Das sagt Linda Zervakis über…
… die größte Veränderung in ihrem Leben, seit sie nicht mehr die „Tagesschau“ spricht:
„Die schönste Veränderung ist, dass ich nicht mehr im Schichtdienst arbeite. Ich führe ein normales Leben, ich stehe morgens auf und gehe abends ins Bett, und muss nicht mehr meinen Wecker auf 3.30 Uhr stellen, weil ich zum ,Morgenmagazin’ muss. Und ich habe die Wochenenden frei. Das hört sich banal an, aber wenn man wie ich 20 Jahre im Schichtdienst war, erst beim Radio und dann bei der ,Tagesschau’, ist das einfach schön.“
… die journalistischen Veränderungen durch den Wechsel zu ProSieben:
„Ich bin jetzt journalistisch aktiver, kann im Rahmen meiner neuen Sendung ,Zervakis & Opdenhövel live’ auch Politikerinnen und Politiker interviewen, etwas, was mir zu ,Tagesschau’-Zeiten nicht möglich war. Natürlich sehen mich jetzt deutlich weniger Menschen, die ,Tagesschau’ habe ich ja immer vor einem Millionenpublikum gesprochen, aber inhaltlich ist mein Job interessanter geworden, und das erfüllt mich. So etwas wie das Triell vor der Bundestagswahl 2021 hätte ich in der ARD wahrscheinlich nicht moderieren dürfen, weil das für ,Tagesschau’-Sprecherinnen nicht vorgesehen ist. Bei ProSieben ist das möglich, was mich sehr gefreut hätte.“
… die Frage, was sie getan hätte, wenn die ARD sie gefragt hätte, ob sie Nachfolgerin von Anne Will für die politische Talkshow am Sonntag werden will:
„Das ist wirklich ein Amt, das man sich sehr, sehr gut überlegen muss, und ich weiß nicht, ob mir das nicht eine Stufe zu hoch wäre. Was auch daran liegt, dass man ein Format wie ,Anne Will’ nicht grundsätzlich ändern kann, es muss schon so ähnlich bleiben, wie es war.“
… die Sehnsucht nach Griechenland:
„Ich habe mich in der jetzigen Phase meines Lebens für ein Stadt-Land-Modell entschieden. In der Woche lebe ich in Hamburg, mitten in der Stadt, am Wochenende geht es aufs Land. Da ich ja griechische Wurzeln in mir habe, könnte ich mir für später vorstellen, ein halbes Jahr in Griechenland zu leben und die andere Hälfte in Hamburg. Wobei ich bisher noch nie besonders lange in Griechenland war, das längste waren sechs Wochen am Stück in den Sommerferien. Aber die Sehnsucht ist da, ich muss regelmäßig nach Griechenland fahren, weil ich sonst unruhig werde. Wenn ich dort bin, bin ich viel gelassener als in Hamburg, es geht zwei Gänge zurück, das ist herrlich.“
… eine Karriere im griechischen Fernsehen:
„Dafür ist mein Griechisch zu schlecht und meine Nase zu groß.“
… ihr neues Buch „Landgang“:
„In dem Buch geht es darum, dass ich mit einer Freundin aufs Land ziehe, die darin ihre Erfüllung findet und ihren Joghurt selbst macht, während ich mir heimlich griechischen Joghurt im Supermarkt besorge und den genauso heimlich esse. Und ich esse gern Fleisch, habe vor allem eine Leidenschaft für Cabanossi-Würste. Das bekommt meine Freundin im Buch mit. Sie will mich dazu bringen, weniger Fleisch zu essen, und macht deshalb für mich einen Termin bei einem Metzger, bei dem ich bei einer Schlachtung dabei sein soll.
Ich weiß aber nicht, um was für ein Tier es sich handelt, bis er mit einem jungen Lamm um die Ecke kommt. Dann geht es los mit dem Bolzenschussgerät und so. Mir ist wirklich schlecht geworden, und mir ist einmal mehr klar geworden, dass ich mir selbst etwas vormache, wenn ich mir im Supermarkt schön verpackte Würste kaufe, die aussehen, als ob dafür nie ein Tier hätte sterben müssen. Die Erfahrung beim Metzger hat dazu geführt, dass ich meinen Fleischverbrauch deutlich reduziert habe, ganz darauf zu verzichten gelingt mir aber nach wie vor nicht.“
… Tomaten aus dem eigenen Garten, die glücklich machen können:
„Ich bin kurz davor, mit meinen Tomaten zu sprechen, weil die so lecker sind. Das ist eine Sorte, die mich sehr an den Geschmack griechischer Tomaten im Garten meiner Tante erinnert. Darüber freut man sich einfach, gerade wenn man wie ich immer sehr unter dem eher wässrigen Geschmack deutscher Tomaten gelitten hat. Diese Freude, aber auch die Demut vor der Natur, in der Teile einer Ernte schnell zerstört sein können, will ich durch das Buch zum Ausdruck bringen.“
… Nachbarn, ohne die auf dem Land gar nichts geht:
„Auf dem Land ist es herrlich ehrlich, und ich fand es schön, dort in gewisser Weise wieder von vorn anzufangen. In der Stadt habe ich alles, was ich brauche, ein Netzwerk von Leuten, die mir helfen, und das reicht mir dann. Auf dem Land musste ich wieder lernen, auf Menschen zuzugehen, weil dort ohne die Hilfe von Nachbarn eigentlich nichts geht, gerade weil ich zwischen Stadt und Land permanent pendele. Das Schöne ist: Egal wo du auf dem Land bist, alle Menschen grüßen dich, sagen also Moin, und das zaubert dir ein Lächeln ins Gesicht. Das hast du in der Stadt nicht. Du siehst morgens beim Brötchenholen bestimmte Personen immer wieder, und trotzdem grüßt man sich nicht. Das würde auf dem Land niemals passieren.“
… halb Land, halb Stadt:
„Ich brauche das Leben auf dem Land, um runterzukommen, ich brauche dann aber auch wieder die Hektik der Stadt, in der ich in der Anonymität untertauchen kann. Hinzu kommt die Infrastruktur: Auf dem Land fährt der Bus zweimal am Tag, bei mir in Hamburg alle fünf bis zehn Minuten. Auf dem Land muss ich bis zum nächsten Supermarkt zehn Kilometer fahren und ärgere mich entsprechend jedes Mal, wenn ich bei einem Einkauf etwas vergessen habe. Deshalb ist das Pendel-Modell zwischen Stadt und Land für mich das optimale.“
… ihre Mutter Chrissie, die in jedem Buch von Linda Zervakis auftaucht, aber noch nie mit ihr im Fernsehen war:
„Das will sie nicht, weil sie dann zu aufgeregt wäre. Und wenn sie sehr aufgeregt ist, fängt sie auch in Deutschland an, Griechisch zu sprechen, merkt das aber gar nicht. Was wiederum im Fernsehen ganz lustig wäre …“
- Wincent Weiss- Warum die Tour ein finanzieller Reinfall war
- Gerhard Delling über die Zukunft der ARD- „Keiner tut was!“
- Unmilk-Gründerin- „Veganer wird man selten aus Überzeugung“
… ihren Sauberkeitsfimmel:
„Dank meiner Mutter habe ich schon immer einen Sauberkeitsfimmel gehabt. Als sie zum ersten Mal in unserem Haus auf dem Land war, hat sie gesagt: ,Das ist ein schönes Haus, aber da hast du ja viel sauber zu machen.’ Tatsächlich kann ich es nicht ertragen, wenn irgendwo ein Krümel herumliegt, und ich kann auch nur in gebügelter Bettwäsche schlafen.“