Hamburgs Altbürgermeister Klaus von Dohnanyi im Gespräch. Heute über die Flüchtlingswelle.

Jede Woche stellt sich der frühere Bürgermeister Klaus von Dohnanyi den Fragen des Abendblatts.

Matthias Iken: Die Bilder von Lampedusa setzen die europäische Politik unter Druck. Droht eine neue Flüchtlingskrise?

Klaus von Dohnanyi: Da sind wir längst drin. Die meisten Flüchtlinge kommen aus dem afrikanischen Raum, verführt von gierigen Schleppern zur lebensgefährlichen Fahrt über das Meer; oft unbegleitete Jugendliche oder sogar Kinder. Sie kommen in der Hoffnung auf ein besseres Leben zu uns. Aber wir können diese Hoffnung nicht mehr unbegrenzt erfüllen. Es gibt Grenzen der Unterbringung und politische Grenzen der Aufnahmebereitschaft in der Gesellschaft. Wir müssen also mit den Küstenländern auf der anderen Seite des Mittelmeers Verträge schließen wie Angela Merkel einst mit der Türkei, um dann dort die Zulässigkeit der Asylanträge zu prüfen. Dafür müssten wir offenbar mehr Geld aufbringen als wir bisher bieten. Geld stattdessen in den Ukraine-Krieg zu stecken, ist nicht in unserem Sicherheitsinteresse. Die USA werden das für sich vermutlich ohnehin schneller so entscheiden als wir heute denken.

„Flüchtlingskrisen sind auch eine politische Sicherheitsfrage“

Iken: Welche Strategien könnten helfen, Menschen von der Flucht abzuhalten?

Dohnanyi: Afrika leidet unter anderem unter den Folgen des Klimawandels, den doch hauptsächlich der Westen verursachte! Ganze Völker wandern in andere Klimazonen. Wenn wir den Strom der Zuwanderung aus Afrika eindämmen wollen, müssen wir zuallererst vor Ort helfen, die Lebensbedingungen zu verbessern. Da sind wir wieder beim Geld: Wenn ich es richtig lese, sind wir gerade dabei, hier zu kürzen! Flüchtlingskrisen sind auch eine politische Sicherheitsfrage. Ich sehe nicht, dass wir mit zwei Prozent plus für die Nato innenpolitisch mehr Sicherheit gewinnen; den gefährlichen Aufstieg der AfD werden wir mit Panzern jedenfalls nicht aufhalten! Meine Bitte an Berlin: endlich wieder in den größeren Zusammenhängen politischer Sicherheit denken! Weg von den einseitig militärischen Sicherheitsschablonen. Das hatten wir doch schon einmal viel besser verstanden!


Iken: Hilft Deutschland genug?

Dohnanyi: Deutschland – anders als andere europäische Länder – tut viel. Natürlich ist das noch nicht ausreichend für die Flüchtlinge, und doch oft schon sehr viel für uns. Auch wenn der Grenzschutz auf dem Meer noch so gut wäre: Sind die Menschen erst einmal auf gefährlich überladenen Booten, müssen wir sie retten, aus Gründen der Humanität und nach dem Gesetz. Also gilt es zu verhindern, dass sie die Boote besteigen! Dafür brauchen wir aber eine enge Zusammenarbeit mit den afrikanischen Küstenländern. Das wird viel Geld kosten. Und schon wieder sind wir bei diesem unsinnigen Ukraine-Krieg, den wir auch aus humanitärem Interesse nicht länger finanzieren, sondern schleunigst beenden sollten!