Im Mai 1965 besuchten Königin Elizabeth II. und ihr Mann Hamburg. Bei der royalen Regatta wurde die Queen überraschend nervös.

Eigentlich ist Hamburg eine stolze und selbstbewusste Hansestadt, die wegen des Hafens, der Handelsverbindungen und der Kaufmannstradition sehr viel auf sich hält. Gäste werden freundlich, höflich und herzlich begrüßt, aber die Stadt flippt nicht aus. Es sei denn, Majestäten und Hoheiten kommen an die Elbe. Dann kennen die Menschen in Hamburg kein Halten mehr beim Winken, Jubeln, Fähnchenschwenken und Namenskandieren.

Der 28. Mai 1965 war so ein Tag: Königin Elizabeth II. und ihr Mann Prinz Philip besuchten für zwölf Stunden die Hansestadt und verwandelten sie in ein Epizentrum der royalen Begeisterung. „Es war wie im Märchen – nur alles war viel schöner, denn alles war Wirklichkeit“, schrieb das Hamburger Abendblatt über diesen Tag.

Hamburg 1965: Queen Elizabeth mit britischen Polizisten überrascht

Der Jubel war echt und herzlich in Deutschlands „englischster Stadt“, als die Monarchin und der Herzog von Edinburgh um 9.59 Uhr am Dammtor-Bahnhof mit dem Zug aus Berlin ankamen. Blau war die Farbe des Himmels und der Kleidung der Gäste: Elizabeth II. trug zum blauen Mantel einen roten Hut, Philip die Uniform eines Admirals.

Die Stadt befand sich im Ausnahme­zustand, rund 750.000 Menschen waren unterwegs, feierten die Queen als „ihre“ Königin und riefen immer wieder ihren Namen. Die Kinder hatten schulfrei. 6000 Sicherheitskräfte waren im Einsatz, das medizinische Personal hatte Dutzende Menschen zu verarzten, die in Ohnmacht gefallen waren. Und das Abendblatt hatte zehn Bobbys aus London eingeladen, damit Elizabeth II. auch heimische Polizisten in Hamburg zu sehen bekam.

Königin Elizabeth II. in Hamburg – Unterschrift sorgt für Aufsehen

Als Elizabeth II. sich ins Goldene Buch der Stadt eintrug, entdeckte sie die Unterschrift ihres Urgroßvaters König Edward VII., der 61 Jahre vorher die Stadt besuchte. Er schickte damals einen kostbaren vergoldeten Pokal ins Rathaus als Gegengabe für zwei Hamburger Weinkannen. Die Queen verehrte den Gastgeber signierte Fotos sowie eine silberne Schreibtischgarnitur.

Im Rathaus trug sich die Queen In das Goldene Buch der Stadt    Hamburg ein. Rechts Ilse Engelhard, ­Ehefrau des Zweiten ­Bürgermeisters Edgar Engelhard.
Im Rathaus trug sich die Queen In das Goldene Buch der Stadt Hamburg ein. Rechts Ilse Engelhard, ­Ehefrau des Zweiten ­Bürgermeisters Edgar Engelhard. © ullstein bild | Conti-Press

Sie selbst durfte einen Doppel-Portugaleser mit nach Haus nehmen. Diese Goldmünze bekam zur Hälfte das britische Königswappen, zur anderen Hälfte das Hamburger Stadtwappen eingeprägt. So war es auch Brauch, als die England-Fahrer im Mittelalter ihre Waren ähnlich kennzeichneten. Und auch Philip ging nicht leer aus. Er bekam ein Faksimile von Dantes „Göttlichen Komödie“.

Alster-Regatta mit Königin Elizabeth II. – dann wurd’s brenzlig

Die Königin besuchte den Hafen, die Carl-Cohn-Schule in Alsterdorf und die Großmarkt-Hallen. Der ausgefallenste Termin aber fand auf der Alster statt. Dort wurde eine Regatta um den von Elizabeth II. gestifteten „Queen’s Cup“ veranstaltet. Als die zum Staatsschiff avancierte „Seebeck“ die Lombardsbrücke passierte und das Regattafeld mit voll aufgepusteten Spinnakern entgegenkam, wurde die Königin an Bord des Alsterdampfers unruhig, sprang auf und rief etwas, was auf Deutsch so ähnlich klang wie: „Da geht doch etwas schief.“

Tatsächlich war der Alsterschiffkapitän vor lauter Begeisterung über das prächtige Bild direkt in den Regattakurs des späteren Siegers Uli Libor geraten. Dank der Aufmerksamkeit der erfahrenen königlichen Seglerin ging noch alles klar. Libor genoss dann die Ehre, den Pokal im neuen Gästehaus des Senats am Feenteich persönlich von der Monarchin entgegennehmen zu dürfen.

Uwe Seeler kam zum Dinner mit der Queen

Gegen Mittag war im Großen Festsaal die Tafel für mehr als 250 Gäste gedeckt, unter ihnen auch Fußballer Uwe Seeler. Ein Jahr später bekam er von der Queen nach dem umstrittenen Wembley-Tor nur die Medaille für den zweiten Platz bei der Weltmeisterschaft überreicht.

Man servierte Grapefruit mit Steinbuttsalat, getrüffelte Perlhuhnbrust mit Beilagen, Vierländer Erdbeeren mit Sahne. Und zum ersten Mal war der Senat über den Schatten der Tradition gesprungen. Zum Empfang der Königin stieg der Erste Bürgermeister Paul Nevermann die Rathaustreppe hinab. Eigentlich werden Gäste immer oben am Ende der Treppe auf dem „Spiegel“ begrüßt. Dieses „Entgegenkommen“ gelte der Dame, nicht dem Staatsgast, wurde vorsichtig formuliert.

Kompliment für Hamburg – Königin Elizabeth II. war begeistert

Beeindruckt vom Empfang in der Hansestadt machte Elizabeth II. Hamburg ein Kompliment fürs Geschichtsbuch: „Unter unseren glücklichsten Erinnerungen an Deutschland, die wir mit nach Hause nehmen, wird die Freundschaft sein, die unserem Land und uns selbst von dieser großen Hafenstadt Hamburg erwiesen wurde. Ich danke Ihnen allen.“

Am Abend gaben Elizabeth und Philip noch ein offizielles Essen an Bord der königlichen Yacht „Britannia“. Anschließend legte das Schiff an der Überseebrücke ab, die Royals traten die Heimreise an. Zuvor hatte es Meinungsverschiedenheiten mit dem Bundesverteidigungsministerium gegeben. Die Hardthöhe in Bonn erwartete laut Protokoll Militärkapelle und Begleitung der Yacht durch die deutsche Marine. Die Hanseaten allerdings betrachteten die „Britannia“ als „Musikdampfer“.

Bürgermeister Nevermann begleitete die Yacht bis zur Landesgrenze nach Wedel, dann übernahm die Marine auf der Elbe gen Westen. Als die Königin mit weißer Nerzstola und funkelndem Diadem neben Prinz Philip an der Reling stand und Tausende am Elbufer und an Bord von Hadag-Fähren winkten, grüßte das Paar zurück. Eine aus Polizei und Militär gemischte Kapelle spielte nach den Nationalhymnen das Lied „Muß i denn, muß i denn zum Städtele hinaus“. Anderntags schwärmte die „Times“: „Einen unvergesslichen Abschied bereitete die Bevölkerung Hamburgs der Königin zum Abschluss ihres Besuchs, den man bereits den Staats­besuch des Jahrhunderts nennt.“

Schallplatte für Prinz Philip: Hamburg-Besuch hinterließ Eindruck

Einige Tage später bat Philips Privat­sekretär das Rathaus, man möge doch die Noten dieses „German song“ nach London schicken. Der Prinz bekam eine Schallplatte mit dem 1827 erstmals publizierten schwäbischen Volkslied. Vielleicht kannte der Herzog von Edinburgh auch schon die Version von Elvis Presley. Der US-Star hatte das Lied unter dem Titel „Wooden Heart“ (Herz aus Holz) halb auf Deutsch und halb auf Englisch 1960 im Film „Café Europa“ gesungen.

Queen ­Elizabeth II. und Prinz ­Philip, auf dem Weg zur „Britannia“, mit der siezurück nach Groß­britannien fuhren.
Queen ­Elizabeth II. und Prinz ­Philip, auf dem Weg zur „Britannia“, mit der siezurück nach Groß­britannien fuhren. © picture alliance/AP Images | Uncredited

Ein eher privates Ereignis geriet durch den Besuch zur hamburgischen Staats­affäre: Grete Nevermann, Ehefrau des damaligen Ersten Bürgermeisters Paul Nevermann, hatte ihre Teilnahme am Staatsbesuch kurzfristig „aus persönlichen Gründen“ abgesagt. Das Ehepaar lebte getrennt – er hatte eine neue Partnerin, und sie wollte nicht aus protokollarischen Gründen die Frau an seiner Seite geben. Ilse Engelhard, die Frau des Zweiten Bürgermeisters Edgar Engelhard, sprang als „First Lady“ ein. Paul Nevermann trat ein paar Tage später zurück. Seine Begründung: „Entschlüsse in meinem privaten Lebensbereich haben mich mit meinem Amt in Konflikt gebracht.“ Und sein Herz war eben nicht aus Holz.

Deutschland und Königin Elizabeth II. – eine besondere Verbindung

Die Queen und Deutschland – dieses Verhältnis war vielschichtig. Wie ihr Mann Philip Mountbatten (der anglisierte Familienname Battenberg der britischen Familie seiner Mutter) hatte sie deutsche Vorfahren. Das Haus Hannover stellte englische Monarchen, Queen Victorias Ehemann Prinz Albert stammte aus dem Haus Sachsen-Coburg und Gotha. Wegen des innenpolitischen Drucks während des Ersten Weltkrieges aufgrund der deutschen Abstammung und der Verwandtschaft der königlichen Familie mit einem regierenden landesfürstlichen Haus des Deutschen Kaiserreichs änderte König Georg V. am 17. Juli 1917 den anglisierten deutschen Namen Saxe-Coburg and Gotha­, den die Familie seit 1840 trug, in den jetzigen Namen Windsor.

Als Kind erlebte Elizabeth die deutschen Bombenangriffe auf London und grüßte 1940 in ihrer ersten Rundfunk­ansprache ihre Altersgenossen, die aus den Städten ausquartiert worden waren. Und ihre große Liebe Philip war nicht unumstritten: Seine Schwestern waren mit deutschen Adligen verheiratet, die Verbindungen zu den Nationalsozialisten hatten. Sie wurden deshalb auch nicht zur Hochzeit im November 1947 eingeladen. Elizabeths Mutter soll sich anfänglich gegen die Vermählung ausgesprochen und Philip als „Hunnen“ bezeichnet haben (ein englisches Schimpfwort für Deutsche). In späteren Jahren nannte sie ihn jedoch einen „englischen Gentleman“.

Lange Jahre hat die Queen dem Deutschen Karl-Ludwig Rehse vertraut: Er schneiderte ihre Garderobe, schuf Abendkleider und Mantel-Kleid-Kombinationen in leuchtenden Farben, damit Elizabeth überall gut zu sehen war. Und wenn die Königin zu Hause auf einem ihrer Schlösser privat ein Glas Wein genoss, dann bevorzugte sie eine blumige Spätlese aus Hochheim am Main.

Staatsbesuch von 2015: Queen-Geschenk geht nach hinten los

Elizabeth und Philip kamen noch einige Male offiziell und privat nach Deutschland. Der letzte Staatsbesuch fand 2015 statt. Der damalige Bundespräsident Joachim Gauck schenkte der Königin Lübecker Marzipan und ein Gemälde der Künstlerin Nicole Leidenfrost, die damals in Wedel lebte und arbeitete. Das Bild „Pferd in Royalblau“ zeigt Elizabeth II. als vierjähriges Mädchen auf ihrem Shetlandpony Peggy, ihrem ersten Pferd, welches von ihrem Vater, dem späteren König George VI., geführt wird und in Blau dargestellt ist. Elizabeths Kleidung ist in Pink gehalten, ihr Vater trägt ein leuchtend gelbes Jackett. Als Vorlage hatte Leidenfrost eine Schwarz-Weiß-Fotografie aus dem Jahre 1930 gedient.

Die Königin betrachtete das Bild und wirkte etwas ratlos. Auf Philips Frage, ob sie ihren Vater auf dem Kunstwerk erkenne, sagte sie „No, not quite“ (Nein, nicht ganz). Das Blau für ein Pferd bezeichnete sie als „strange colour“ (eine sonderbare Farbe) und lächelte. Joachim Gauck empfahl der Queen, sich an das Marzipan zu halten, falls ihr das Gemälde nicht gefallen sollte.

Britische Medien kritisierten das Geschenk und fragten sich, warum nicht die renommierten Maler Georg Baselitz oder Anselm Kiefer vom Bundespräsidenten beauftragt worden seien. Heute hängt „Pferd in Royalblau“ im Buckingham Palace und ist Teil der königlichen Kunstsammlung „Royal Collection Trust“.

„Ich danke dem deutschen Volk aufrichtig für den überwältigenden Empfang. Diese Reise war mehr als ein rein persön­liches Erlebnis“, waren Elizabeths Abschiedsworte am Abend des 28. Mai 1965. Hamburg sah die Königin bis zu ihrem Tod vor einem Jahr am 8. September auf Schloss Balmoral nie wieder.