HAmburg. Der Journalist spricht über den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, Führungskräfte und den Kampf um die Kinder seiner Lebensgefährtin.

Er hat der ARD viel zu verdanken (und umgekehrt) – und deshalb macht er sich Gedanken über ihre Zukunft. In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ ist heute der mehrfach ausgezeichnete Journalist Gerhard Delling zu Gast. Ein Gespräch über 40 Jahre beim Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, ein Umweltmagazin und die „Tagesthemen“, mangelnden Mut bei Führungskräften – und über den Kampf um die Kinder seiner Lebensgefährtin Christina Block.

Das sagt Gerhard Delling über ...

… seine (journalistischen) Interessen jenseits des Sports:

„Ich war 40 Jahre lang bei der ARD und habe immer auch versucht, neue Konzepte zu entwickeln, weitere Inhalte zu erschließen oder verschiedene Formate zu bedienen. Es gibt viele Interessengebiete, die mich auch neben dem Sport beschäftigen, ich wollte zum Beispiel ein Umweltmagazin machen. Aber dann heißt es, wir machen mal zwei Pilotfolgen und dann sehen wir weiter. Das wollte ich natürlich nicht, weil ich aus Erfahrung weiß, dass so ein Format Monate braucht, bis es etabliert ist. Nur wenn man das aus Überzeugung wirklich will und nach bestem Wissen und Gewissen handwerklich gut macht, weil es wichtig ist und Lösungen aufzeigen kann, hat so etwas langfristig eine Chance.“

… die „Tagesthemen“, die er mal eine Woche lang moderiert hat:

„Ich hätte Lust gehabt, das in Abständen länger zu machen, und es war auch so abgesprochen. Es war geplant, dass ich die Urlaubsvertretung für die Stammmoderatoren mache. Gescheitert ist es am Ende daran, dass ich immer erst wenige Tage vorher Bescheid bekam, dann aber natürlich schon diverse andere Verpflichtungen eingegangen war. Ich habe dann jahrelang den ARD-Wochenspiegel mitgestaltet und moderiert.“

… seinen Abschied von der ARD vor knapp vier Jahren:

„Ich hatte den Eindruck, dass ich für einige Verantwortliche im Sender quasi zum Inventar gehörte, das immer da ist und auch sein Geld verdienen darf. Aber ich wollte weiterentwickeln, Nachwuchs ausbilden, verändern und journalistisch arbeiten. Dabei hatte ich ab einem bestimmten Punkt nicht mehr das Gefühl, dass man bei der ARD froh darüber war. Und dann habe ich für mich entschieden, meinen eigenen Weg zu gehen und etwas Neues anzufangen.“

… Experten bei großen Fußballspielen:

„Ich wundere mich, dass man bei Fußball-Länderspielen bis heute ausschließlich auf das Konzept Moderator und Experte setzt. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, wieder zurück zu den Anfängen zu gehen, übrigens auch aus Kostengründen. Wir haben das früher ohne Experten gemacht, weil wir als Journalisten natürlich den Anspruch hatten, selbst Experten zu sein, was denn auch sonst? Ich könnte mir auch vorstellen, dass da einfach zwei gut ausgebildete Journalisten stehen.“

… Günther Netzer, mit dem er sich immer gesiezt hat:

„Würden Sie den duzen wollen?“

… die Rede von WDR-Intendant Tom Buhrow, in der dieser an der Zukunft des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks gezweifelt hat:

„Mich hat die Rede von Tom Buhrow sehr betroffen gemacht, aber an ihr sieht man, wo das Problem liegt: Selbst an oberster Stelle ist erkannt worden, dass sich etwas ändern muss, aber keiner tut etwas. Dabei gibt es so viele Ansatzpunkte, die man aber nur identifizieren kann, wenn man selbst operativ aktiv war. Außerdem brauchen wir zum Beispiel sicher keine 70 Radio- und diverse TV-Sender. Das System kann sich aus sich heraus erneuern, aber das hängt eben mit der Kraft, dem Wissen und dem Durchsetzungsvermögen der Führungskräfte zusammen.

Die ARD-Intendanten müssen das in die Hand nehmen und nicht noch externe Kräfte bezahlen, um zu erfahren, wie es um die Stimmung im eigenen Laden bestellt ist. Es ist wichtig, vom Reden ins Handeln zu kommen, sonst übernimmt das irgendwann die Politik. Ich bin davon überzeugt, dass wir den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk heute noch mehr brauchen als vor zehn, 20 Jahren, weil es so viele Strömungen gibt, die der Demokratie gefährlich werden können – vorausgesetzt, er liefert verlässliches, hochwertiges Programm. Und das, ohne es sich teuer einzukaufen, denn Erhöhungen des Rundfunkbeitrages wird es sicher vorerst nicht geben.“

… fehlenden Mut bei ARD-Führungskräften:

„Wer die ARD erneuern will, braucht Überzeugung und Mut. Aber vor allem Know-how! Ich habe den Eindruck, dass die Top-Manager in der ARD vor allem darum kämpfen, dass es irgendwie weitergeht, was mich frustriert. Als journalistisches Haus darf man nicht damit zufrieden sein, gerade so existieren zu dürfen. Man muss in die Offensive, die Menschen durch Qualität für das Programm gewinnen – aber vor allem die eigenen Mitarbeiter mit Stolz, Identifikation und Bewusstsein ihre Arbeit machen lassen.“

… Gehälter und Bonuszahlungen:

„Ich habe nicht gedacht, dass es so viele Nebenabsprachen gibt, da noch ein Bonus, hier noch eine Sonderzahlung. Das hat mich überrascht. Was soll das? Als ich innerhalb der ARD nach Baden-Baden zum SWF wechselte, hat mir mein damaliger Chef Rudi Michel einfach gesagt: ‚Über Geld müssen wir nicht lange sprechen. Wer bei uns anfängt, bekommt 2900 Mark.’ Der fühlte sich verantwortlich für das Budget und die Hackordnung innerhalb seiner Redaktion.“

… der Kampf um die Kinder seiner Lebensgefährtin Christina Block, die seit 17 Monaten von der Mutter getrennt sind:

„Ich habe die Kinder während der Corona-Pandemie sehr aktiv kennengelernt, wir haben uns nahezu täglich gesehen. Es war eine wunderbare, liebevolle Atmosphäre. Was da jetzt passiert, kann ich nicht verstehen. Der Ex-Mann von Christina behauptet ja, sie hätte die Kinder geschlagen, und deshalb wollten sie nicht zu ihr zurück. Nehmen wir mal an, das würde stimmen: Dann müsste das erste, was man tut, doch sein, diesen Vorwurf zu klären, damit die Kinder unbelastet aufwachsen können. Schon deshalb hätte die Amtsrichterin längst einschreiten müssen.

Nehmen wir aber an, es stimmt nur annähernd, was das Oberlandesgericht (Bindungsintoleranz beim Vater), das Jugendamt (akute! Kindeswohlgefährdung beim Vater), der Verfahrensbevollmächtigte (der Vater solle sich in Behandlung begeben), die Schule, die Kinderärztin und viele andere sagen, und die Mutter, die Angst um das Leben ihrer Kinder hat, dann müssen sie doch sofort zurück! Es kann doch nicht gut für die Kinder sein, dass sie von jetzt auf gleich aus einer Familie und ihrem Zuhause gerissen werden. Sie haben keine Freunde mehr, keine Mutter, keine Großeltern, keine Onkel, Tanten etc. – und das seit 17 Monaten. Wenn man das sieht, muss man Angst haben um diese Kinder, und das ist etwas, was uns schlaflose Nächte bereitet.

Und keiner tut etwas, obwohl das Oberlandesgericht anders entschieden hat. Wie kann es sein, dass es ein Urteil gibt, und keiner kümmert sich darum, dass es umgesetzt wird? Es ist doch unmöglich, dass eine Mutter, die das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht hat, ihre Kinder so lange nicht sieht. Uns geht es nur um das Wohl der Kinder, um nichts anderes, weil wir der festen Überzeugung sind, dass jedes Kind ein Anrecht darauf hat, seinen Vater und seine Mutter zu sehen.“

… den Reiz, beim HSV etwas zu machen:

„Das ist eine längere Geschichte. Es gab immer mal Kontakte, in letzter Zeit auch. Ich könnte mir auch durchaus vorstellen, etwas für den HSV zu tun, wenn alle in eine Richtung wollen. Im Augenblick sehe ich das beim HSV noch nicht.“

Der Fragebogen: Auf wen hören Sie, Gerhard Delling?

Was wollten Sie als Kind werden und warum?

Bundeskanzler – in der naiven Vorstellung, dass der alles machen kann, was gut für die Menschen ist.

Was war der beste Rat Ihrer Eltern?

Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, bewusst sein.

Wer war beziehungsweise ist Ihr Vorbild?

Vorbilder gibt es keine. Aber viele Menschen, von denen ich gelernt habe, wie etwas sein soll oder auch wie nicht ...

Was haben Ihre Lehrer/Professoren über Sie gesagt?

Die einen so, die anderen ... Professor Giersch (einer der Fünf Weisen damals) hat im Seminar einmal ausgerufen: „Sie sind doch Kommunist!“, weil ich seine Theorie immer wieder hinterfragt habe.

Wann und warum haben Sie sich für den Beruf entschieden, den Sie machen?

Ich habe eigentlich gar keinen „Beruf“. Mehr eine „Berufung“, und die heißt Kommunikation oder Interesse an Individuen, Austausch, Begegnungen, Neues erfahren und hinterfragen.

Wer waren Ihre wichtigsten Förderer?

Meine Eltern – und Rudi Michel und Armin Hauffe.

Auf wen hören Sie?

Auf den kleinen guten Geist im Ohr.

Wie wichtig war/ist Ihnen Geld?

So wichtig, dass ich immer genug davon haben wollte, um unabhängig zu sein. Darüber hinaus ist es ein nicht sehr bedeutendes Tauschmittel.

Duzen oder siezen Sie?

Ich sieze.

Was sind Ihre größten Stärken?

… dass ich mit mir kritisch sein kann.

Was sind Ihre größten Schwächen?

… dass ich mit mir manchmal zu kritisch bin.

Welche anderen Schriftsteller/Künstler/Wissenschaftler würden Sie gern näher kennenlernen oder hätten Sie gern kennengelernt?

W. Somerset Maugham und John Grisham, Steven Spielberg und Alfred Hitchcock, Don Henley und David Bowie, Milton Friedman und John Maynard Keynes.

Was würden Sie ihn/sie fragen?

Was sie antreibt/antrieb? Wie sie das gelernt haben? Was sie bewirken woll(t)en?

Wann haben Sie zuletzt einen Fehler gemacht?

Eigentlich täglich. Entscheidender ist, wann ich zuletzt einen Fehler korrigieren konnte.

Welche Entscheidung hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg geholfen?

Meinen geliebten Mikrokosmos hier im Norden auch mal verlassen zu haben.

Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?

Eigentlich nie.

Wie viele Stunden schlafen Sie (pro Nacht)?

Je nach Bedarf und Gelegenheit.

Wie gehen Sie mit Stress um? Adrenalin-Ausstoß und höchste Konzentration.

Wie kommunizieren Sie?

Mit allem, was geht – am liebsten direkt.

Wie viel Zeit verbringen Sie an ihrem Schreibtisch?

Sehr viel.

Wenn Sie anderen Menschen nur einen Rat für ihren beruflichen Werdegang geben dürften, welcher wäre das?

Wenn du etwas machen willst, dann tu’s, denn nur der Dumme hat Tabus (mit der Einschränkung, dass man anderen nicht schadet).

Und zum Schluss: Was wollten Sie immer schon mal sagen?

Wir müssen in Kommunikation sein bei all den (über)lebenswichtigen Themen unserer Zeit: offen, mit Wissen, respektvoll und entschlossen.