Hamburg. Der spektakuläre Neubau soll 2026/27 fertig sein. Jetzt gibt es Streit darüber, wohin die Schule während der Bauphase ausweichen soll.

Schulsenator Ties Rabe (SPD) ist kein Politiker der großen Emotionen, und Anglizismen meidet der Deutschlehrer zumeist. Als Rabe Anfang Februar den Siegerentwurf für die erste weiterführende Schule in der HafenCity vorstellte, war das einen Moment lang anders. Rabe sprach geradezu leidenschaftlich vom „spektakulärsten Schulbau Hamburgs ever“, in dem dereinst „pädagogisch tolle Sachen“ zu machen seien.

Und in der Tat: Am Rande des Lohseparks soll ein sechsgeschossiges Gebäude mit viel Glas, viel Licht und vielen Terrassen entstehen. Auf 19.000 Quadratmetern wird der Campus HafenCity 84 Klassen-, Fach- und Gruppenräume, drei Sporthallen – eine auf dem Dach –, viele Aufenthaltsräume, eine Mensa und eine große Aula erhalten. Die Schule soll sich dem Stadtteil und seinen Bewohnern öffnen und als Begegnungsort und für Veranstaltungen auch am Wochenende zum Teil zur Verfügung stehen.

Schule Hamburg: Stadtteilschule und Gymnasium erstmals unter einem Dach

Zudem wird in der HafenCity erstmals ein Schultyp Realität, der in Hamburg zum Vorbild werden könnte: Der Campus wird eine Stadtteilschule und ein Gymnasium unter einem Dach beherbergen. Geplant sind acht Parallelklassen der Stufen fünf bis 13 – je vier der Stadtteilschule und des Gymnasiums. Mit letztlich 1500 bis 1600 Schülerinnen und Schülern wird der Campus HafenCity einer der größten Schulstandorte Hamburgs werden. Der Bau wird nicht nur „eine besonders schöne Schule“ (Rabe), sondern auch vermutlich die teuerste, die in Hamburg je gebaut wurde. Rund 100 Millionen Euro sind derzeit kalkuliert.

Viel Raum und Zeit für pädagogische Fantasie also. Die Gegenwart sieht deutlich nüchterner aus. Seit August 2021 lernen auf dem freigeräumten künftigen Schulgelände bereits Kinder – in roten Schulcontainern. Das ist nichts Ungewöhnliches für eine Schulneugründung, die nicht ein schon bestehendes Gebäude nutzen kann. Derzeit werden in den vier fünften und sechsten Klassen 108 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Doch schon zum nächsten Schuljahr von August an kommen fünf weitere fünfte Klassen hinzu – die Schülerzahl wird sich mehr als verdoppeln.

Ausweichstandort während der Bauphase soll in der HafenCity liegen

Zu Beginn des Schuljahrs 2024/25 müssen die Schülerinnen und Schüler in ein Übergangsquartier umziehen, weil die ersten Arbeiten für den Schulneubau für Herbst 2024 vorgesehen sind. Die Fertigstellung ist für das Schuljahr 2026/27 geplant. Und hier beginnen die Probleme: Klar ist, dass ein Ausweichstandort in der HafenCity gesucht werden soll, aber geeignete Flächen sind rar.

Ende März präsentierte die städtische Entwicklungsgesellschaft HafenCity GmbH drei potenzielle Flächen: das Baufeld 119 unmittelbar an den Elbbrücken, das Baufeld 83a gegenüber dem Baakenpark, wo einmal der „Sportsdome“ geplant war, und schließlich das Baufeld 74–76 nördlich des Lohseparks und in der Nähe zum künftigen Schulstandort. Trotz intensiver Bemühungen ist es der Initiative Campus HafenCity, in der sich engagierte Schuleltern und Bewohner der HafenCity zusammengefunden haben, nicht gelungen, in die Entscheidungsfindung einbezogen zu werden.

Schulbehörde sagte Treffen mit der Elterninitiative kurzfristig ab

Vieles spricht dafür, dass sich die Schul- und die Stadtentwicklungsbehörde, Schulbau Hamburg sowie HafenCity GmbH schon länger streiten und sich bislang nicht auf einen Standort einigen konnten. Landesschulrat Thorsten Altenburg-Hack sagte ein für Anfang Februar geplantes Treffen mit der Initiative zur Schilderung des Sachstandes kurzfristig ab. Die Lage habe sich weiterentwickelt, so Altenburg-Hack in seinem Schreiben, „da aktuell weitere Klärungsbedarfe bestehen, die noch nicht zum Abschluss gebracht worden sind“. Indirekt verweist der Landesschulrat auf die Meinungsverschiedenheiten zwischen Behörden und Institutionen, weil er schreibt, dass sich nun sogar „der Hamburgische Senat mit der Fragestellung befasse, was verdeutlichen mag, welchen Stellenwert die Standortsuche in unserer Stadt hat“.

In einem Brief an Altenburg-Hack hat die Initiative Campus HafenCity ihrem Ärger nun Luft gemacht und das Verfahren als „unangemessen“ kritisiert. „Wir sind sehr enttäuscht über den mangelhaften und intransparenten Kommunikations- und Informationsprozess. Nur auf unseren Druck hin wurden wir überhaupt Ende März über die aktuell in engerer Auswahl stehenden Standorte informiert“, sagt Hans-Christian Kölln, Vorstand des Elternrats der Campusschule HafenCity, dem Abendblatt.

Ein Standort wird wegen des Lärms und des gefährlichen Schulwegs abgelehnt

Eltern und Anwohner lehnen das Baufeld 119 an den Elbbrücken in der Nähe der U- und S-Bahn-Station wegen der „Nichteinhaltung der Lärmschutzvorgaben“ (Hans-Christian Kölln) und des gefährlichen Schulwegs entlang der viel befahrenen Versmannstraße ab. Angeblich teilt der Schulsenator die Bedenken und ist ebenfalls gegen den Standort.

Aus Sicht der Initiative scheidet der Standort am Baakenhafen als Zwischenlösung ebenfalls aus. „Mit 3000 Quadratmetern ist die Fläche nur halb so groß wie von Ihrer Behörde gefordert. Damit ist sie viel zu klein für eine gute und wachsende Schule“, heißt es in dem Schreiben der Initiative an Altenburg-Hack. Um alle Container für die Schülerinnen und Schüler unterbringen zu können, müssten „sie auf drei Etagen neun Meter hochgestapelt werden“. Dazwischen blieben nur „schmale, verschattete Gänge“ und kein Platz für Erholung und Spiel. „Wir fragen uns, ob der Vorschlag ernst gemeint ist“, sagt Rebekka Hahn, ebenfalls im Vorstand des Elternrats der Schule.

Weiterführende Schule in der HafenCity wird schon seit 2015 geplant

Damit bliebe die Fläche nördlich des Lohseparks, die einmal für den inzwischen längst gekippten Gruner + Jahr-Neubau vorgesehen war. Das Pikante: Die HafenCity GmbH plant für diese Fläche ein Bürogebäude für die Hamburg Port Authority (HPA), die ihr Stammquartier in der Speicherstadt bis Ende 2026 verlassen muss. Allerdings hatte die „Zeit“ aufgedeckt, dass die HPA für den Neubau bislang nicht einmal eine vorgeschriebene Bedarfsanalyse vorgelegt hat. Für das Baufeld 74–76 als Ausweichquartier für die Schule spricht die kurze Entfernung zum jetzigen Standort und die geringe Verkehrsbelastung des Areals. „Für uns gibt es nur eine akzeptable Lösung, und zwar das Baufeld 74–76, also ohne einen Neubau, solange die temporäre Schule benötigt wird“, sagt Rebekka Hahn.

„Wir sind überzeugt, dass die Schulbehörde – genauso wie wir – die Interimslösung auf dem Baufeld 74–76 unterstützt. Wir finden es irritierend, dass städtische Tochterunternehmen aufgrund eigener Interessen die Kinder auf einen unzumutbaren Schulstandort abschieben wollen“, sagt Michael Stier, drittes Vorstandsmitglied des Elternrats des Campus HafenCity. „Nachdem die Schule so oft in die Warteschleife gehen musste, müssen jetzt andere mögliche Bauprojekte für dieses Grundstück warten können, bis das neue Schulgebäude fertiggestellt ist“, heißt es in dem Schreiben der Initiative an den Landesschulrat. Immerhin wird die weiterführende Schule in der HafenCity schon seit 2015 geplant.

Wohin die Schule ausweicht, soll „noch vor den Sommerferien“ entschieden werden

Die beteiligten Behörden und Institutionen hüllen sich in Schweigen. Eine Sprecherin der HafenCity GmbH verweist auf Anfrage des Abendblatts an die Schulbehörde. „Es gibt mehrere geeignete Ausweichgrundstücke, auf die die Schule für eine befristete Zeit ausweichen kann. Im Moment wird zusammen mit der Stadtentwicklungsbehörde und der HafenCity GmbH geprüft, welche Verwendung für diese Grundstücke in den nächsten Jahren geplant ist und umgesetzt werden kann“, sagt eine Sprecherin der Schulbehörde nur. Immerhin: „Noch vor den Sommerferien“ soll über die „Platzierung“ der Schule entschieden werden.