Hamburg. Hamburger Mutter klagt über Versorgungslücke, wenn behinderte Kinder 18 werden. Was die Politik zu den Vorwürfen sagt.
Welche neuen Probleme auftauchen, wenn behinderte Kinder erwachsen werden, das hat Annette Heilmann vor wenigen Tagen am Beispiel ihrer Tochter Margarita eindrucksvoll im Hamburger Abendblatt geschildert. Seit mehreren Jahren schon kämpft die Mutter darum, dass ihre derzeit 17-jährige Tochter nach der Schule weiter die Chance auf Teilhabe an der Gesellschaft bekommt. Konkret: dass sie einen Platz in einer Tagesförderstätte und einer geeigneten Wohngruppe in Hamburg bekommt. Bisher sind alle Bemühungen ins Leere gelaufen.
Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, hat der Verein „Leben mit Behinderung“ in der vergangenen Woche einen offenen Brief an die Sozialbehörde verschickt. Diese nimmt zwar konkret keine Stellung zu dem Schreiben, äußerte sich aber grundsätzlich zur Thematik: „Um eine gute Vernetzung zu gewährleisten und bestehende strukturelle Probleme möglichst frühzeitig erkennen und lösen zu können, findet eine regelmäßige Teilnahme an den NAHT-Treffen – Netzwerk Arbeit der Hamburger Tagesförderstätten – statt“, so eine Sprecherin. Hierüber sei ein guter Austausch mit den Leistungserbringern möglich.
Sozialbehörde: Nur begrenzte Angebote für mögliche Flächen
- Mutter von behinderter Tochter – „Wir stehen vor dem Nichts“
- Behindertenbeauftragter – Ein Job, der nur als Ehrenamt taugt
- In der Region einmalig – Ein Spielplatz für alle Kinder
„Aus diesen Netzwerktreffen, aber auch nach Austausch mit dem Fachamt für Eingliederungshilfe sind wir laufend sehr gut über die aktuelle Situation und die Bedarfslagen informiert. Zwar kann aus den dort gewonnenen Erkenntnissen hier insgesamt nicht von einem gravierenden Mangel an Plätzen gesprochen werden, jedoch sind die Platzkapazitäten im Hamburger Stadtgebiet mitunter sehr ungleich verteilt. Dies führt dazu, dass Menschen zum Teil mit längeren Anfahrtswegen – aber auch mit Wartezeiten für das ausgewählte Angebot – konfrontiert sind.“
Hierzu gebe es jedoch einen guten, kooperativen Austausch zwischen den Tagesförderstätten mit dem Ziel, Wartezeiten zu vermeiden. Dort, wo regional Angebote fehlen, sei die Sozialbehörde bestrebt, den Platzausbau weiter voranzutreiben. Dies gilt auch für den Ausbau von Angeboten der Leistungen der besonderen Wohnform, gerade für Menschen mit komplexen Behinderungen.
SPD-Fraktion: „Da ist ganz viel auf dem Weg“
Was den Ausbau angeht, gebe es jedoch Probleme. Konkret nennt die Börde, dass es nur begrenzt Angebote an Liegenschaften und Objekten gibt, die sich überhaupt für solche Angebote eignen. „Dies verhindert derzeit den angestrebten Ausbau. Diesbezüglich ist die Sozialbehörde bestrebt, bei der Erschließung von neuen Flächen und großen städtebaulichen Vorhaben die Belange und Bedarfe der Menschen von Behinderung gemeinsam mit den Leistungserbringern einzubringen.“
Auch Regina Jäck, Sprecherin für Menschen mit Behinderung der SPD-Fraktion Hamburg: „Das Problem der Unterbringung und Förderung junger Erwachsener mit schweren Behinderungen besteht tatsächlich in vielen Fällen. Aber wir sind da dran und haben das im Blick. Hamburg ist bemüht, den Bestand an geeigneten Flächen zu vergrößern und gegebenenfalls neue Flächen aufzukaufen und zu erschließen, die auch für die Betreuung und Förderung genutzt werden können.“
Leben mit behinderter Tochter: „Es braucht einen langen Atem“
Ein wichtiger Meilenstein sei die UN-Behindertenrechtskonvention, die Deutschland 2009 ratifiziert habe. Für die Umsetzung folgten Landesaktionspläne mit einer Vielzahl von Maßnahmen, die stetig mit einer groß angelegten Beteiligung der Menschen mit Behinderung und deren Interessensvertretungen weiterentwickelt werden würden. Die Ergebnisse der letzten Evaluierung 2023 sollen in diesem Jahr veröffentlicht werden. „Da ist ganz viel auf dem Weg“, so Jäck.
Der betroffenen Mutter, die ihr Schicksal im Abendblatt geschildert hat, sowie allen anderen betroffenen Familien sagt sie: „Mir liegt das wirklich am Herzen. Und klar ist, dass die Maßnahmen im Landesaktionsplan zügig umgesetzt werden müssen. Für die betroffenen Familien bringe das alles aber zum Teil nicht sofort eine Lösung, sondern eher perspektivisch. „Es braucht einen langen Atem. Dafür haben alle Familien meinen Respekt. Aber wir geben alles, um wie in den Jahren zuvor das Angebot auch für Menschen mit komplexen Behinderungen zu erweitern.“