Kreis Pinneberg. Kampfabstimmung über Vollzeitstelle des Interessenvertreters für 50.000 Behinderte im Kreis endet mit Ablehnung. Aber: Warum?

Die seit Anfang des Jahres unbesetzte Stelle des oder der Behindertenbeauftragten des Kreises Pinneberg soll ehrenamtlich bleiben. Der Antrag von SPD und Grünen, diese Aufgabe künftig mit einer hauptamtlichen Vollzeitstelle zu besetzen und zu finanzieren, scheiterte denkbar knapp mit nur einer Stimme Mehrheit der Fraktionen von CDU, FDP und AfD gegen Rot-Rot-Grün, die dies befürworteten.

Fast 50.000 Menschen im Kreis Pinneberg gelten als behindert

Dabei hatte Axel Vogt, der vor acht Jahren erstmals zum ehrenamtlichen Behindertenbeauftragten des Kreises Pinneberg berufen wurde, genau dies zum Abschied dem Kreistag ins Stammbuch geschrieben. Um die Interessen der 46.500 Menschen mit Behinderungen und die 24.236 Schwerstbehinderten im Kreis Pinneberg aufrichtig zu vertreten, müsse diese Aufgabe künftig unbedingt hauptamtlich besetzt werden, riet Vogt.

„Als Ehrenamtler ist das einfach nicht mehr zu schaffen“, sagte Vogt in der Gesamtbilanz seines Wirkens dem Hamburger Abendblatt, der aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig zum Jahresende zurückgetreten war. Trotz einiger Erfolge bleibe noch sehr viel zu tun für seine Nachfolger, sagte Vogt.

SPD: Abends erreicht ein Ehrenamtler nicht die zuständigen Dienststellen

Diese Empfehlung griffen SPD und Grüne nun mit ihrem Antrag auf. Vogt habe „große Fußstapfen hinterlassen“, die kein Nachfolger mit diesem Arbeitseinsatz nach Feierabend oder am Wochenende leisten könnte, sagte SPD-Fraktionschef Hans-Peter Stahl. „Es ist eine Querschnittsaufgabe, die alle möglichen Lebensbereiche umfasst“, was die Verhältnisse und das Angebot von Arbeitsplätzen, Wohnungen oder die Teilhabe von Menschen mit Handicaps anginge. „Das überfordert jeden Ehrenamtlichen“, befand Stahl.

Allein schon die Tatsache, dass viele Ansprechpartner in den Behörden oder Dienststellen für den Beauftragten am Abend oder am Wochenende gar nicht mehr zu erreichen seien, mache es erforderlich, den Behindertenbeauftragten in Vollzeit tagsüber arbeiten zu lassen.

Große Probleme bei der Teilhabe, Wohnungs- und Arbeitssuche

Dabei gebe es aus Sicht der Behinderten noch zahlreiche Probleme zu lösen, argumentierte Stahl weiter. So fehle in ganz Schleswig-Holstein ein Medizinisches Versorgungszentrum für erwachsene Behinderte. Der Übergang von Schule ins Berufsleben müsse den Behinderten dringend erleichtert werden.

Und auch in der schulischen Betreuung laufe es längst noch nicht reibungslos, da zahlreiche Eltern ihre behinderten Kinder aus der Regelschule abmeldeten, weil sie sie in den Förderschulen für besser aufgehoben hielten. Dabei habe sich Deutschland der UN-Resolution verpflichtet, die eine angemessene schulische Betreuung der Kinder mit Handicaps zusammen mit nichtbehinderten Kindern vorschreibe, betonte Stahl.

Warum die CDU gegen eine Vollzeitstelle ist

Susanne von Soden-Stahl (Grüne) argumentierte, dass eine Vollzeitstelle schneller besetzt sein würde als es bei einer ehrenamtlichen der Fall sei. „Berufstätigkeit und Ehrenamt passen hier nicht zusammen.“ Dem widersprach CDU-Fraktionschefin Heike Beukelmann: „Wir können ehrenamtlich arbeitenden Menschen doch nicht die Kompetenz absprechen.“

Diese würden für ihre Aufgabe oft „brennen und mit Begeisterung“ dabei sein, ergänzte FDP-Abgeordneter Jan-Ralph Bokisch. Und CDU-Abgeordnete Sonja Wehner ist im Gegensatz zu von Soden-Stahl der Ansicht, dass ein neuer Behindertenbeauftragter viel schneller zu finden sei, wenn die Stelle ehrenamtlich bliebe.

Behindertenbeauftragter: Kreis schreibt Stelle als Ehrenamt aus

Doch die Ausschreibung nun so zu beauftragen, hat der Kreistag versäumt. So hatte die Kreispolitik im Februar die Neuausschreibung des oder der Behindertenbeauftragten vorerst gestoppt, weil erst die Frage von Haupt- oder Ehrenamt entschieden werden müsse, teilt die Kreisverwaltung dazu mit. „Es muss erst die Organisation dieser Stelle geklärt sein, bevor sie neu ausgeschrieben werden kann.“

Das hat dann einen Tag später dann der zuständige Fachausschuss nachgeholt. Dieser beauftragte die Verwaltung jetzt, die Stelle als Ehrenamt auszuschreiben. Das würde jetzt auch schnellstmöglich geschehen, heißt es aus der Kreisverwaltung. Ob es nach der Kommunalwahl einen erneuten Anlauf geben wird, die Stelle hauptamtlich zu besetzen, wird sich zeigen.