Hamburg. Architektur bestimmt unser Verhalten mehr, als wir denken – und sogar unsere Partnerschaft. Was eine Expertin rät.

Es gibt viele gute Gründe, sich zu trennen. Schwindende Gefühle zum Beispiel oder eine Affäre. Manchmal aber, so sagt es Christina Maaß-Gojny, gibt es einen Auslöser, von dem viele Paare gar nichts wüssten und der bislang auch kaum als Beziehungs-Killer identifiziert werde. Einer, der nicht intuitiv wahrnehmbar sei.

Als die studierte Expertin für angewandte Wohn- und Architekturpsychologie aber dann erklärt, um was es sich dabei handelt, fällt es einem fast wie Schuppen von den Augen. Für ein gut funktionierendes Zusammenleben, so sagt Maaß-Gojny, „braucht jeder Partner seinen ganz persönlichen Raum“.

So weit, so gut. Das klingt erst einmal wenig überraschend, doch die Expertin weiß, wovon sie redet. Erst vor wenigen Jahren ist die Bergedorferin selbst mit ihrer Familie in ein neues Haus gezogen. Und siehe da: alles viel harmonischer.

Architekturpsychologin: Darauf kommt es bei Bau und Hauskauf an

Doch der Reihe nach. „Wenn der eine ständig das Gefühl hat, nicht willkommen zu sein, und keinen Ort in den eigenen vier Wänden hat, wo er sich entspannt und runterkommt, kann das langfristige Folgen haben. Auch für die Beziehung zum Partner oder den eigenen Kindern“, so die Expertin für Architekturpsychologie. Mit „Raum“ meint Maaß-Gojny einen physisch abgegrenzten Bereich.

Aber nicht nur innerhalb der eigenen vier Wände gelte es, bestimmte Grundsätze zu beachten. Auch außerhalb, etwa bei der Größe des Vorgartens, der Höhe des Zauns zum Nachbarn oder der Ausrichtung der Terrasse, gibt es bestimmte Regeln, auf die man achten sollte, um Räume menschengerechter und lebenswerter zu gestalten. Darum geht es nämlich in der Raum- und Architekturpsychologie – dem Wechselspiel zwischen Räumen und Emotionen.

Christina Maaß-Gojny, hier im Körberhaus in Bergedorf, weiß: Jeder Partner braucht seinen ganz persönlichen Raum.
Christina Maaß-Gojny, hier im Körberhaus in Bergedorf, weiß: Jeder Partner braucht seinen ganz persönlichen Raum. © FUNKE FOTO SERVICES | Thorsten Ahlf

Die zentrale Regel für stressfreies Leben mit Kindern

Eine zentrale Regel, wenn nicht sogar „die“ zentrale Regel für eine stressfreie Beziehung zu den Kindern und, um Kleinkinder in ihrer Selbstständigkeit zu fördern, etwa sei eine offene Wohnküche und eine freie Sichtachse von der Haustür aus bis hinten durch auf die Terrasse oder in den Garten, sagt Maaß-Gojny. „Der Blick von vorne nach hinten durch gibt einem das Gefühl von Kontrolle, weil man genau sehen kann, was passiert.“ Kontrolle wiederum, so erklärt es die Expertin für Architekturpsychologie, gebe einem das Gefühl von Sicherheit.

„Wenn Kleinkinder beispielsweise gerade dabei sind zu lernen, wie man selbstständig isst, und die Mutter oder der Vater das Kind von der Küche aus im Blick haben, sind beide weniger gestresst.“ Befinde sich der Essbereich hingegen in einem anderen Raum, sei keine Kontrolle über die Situation möglich, was wiederum die Eltern stresst, so Maaß-Gojny. Ebenso sei es beim Spielen im Wohnzimmer und bei allen anderen Dingen, bei denen die Kinder noch nicht völlig selbstständig sind. Außerdem, so die Expertin, wolle das Kind auch seine Eltern sehen, um sich bestärkt und sicher in dem zu fühlen, was es gerade tut.

Keine hohen Hecken: Nachbarn als Schutz gegen Einbrecher

Auch sollte die Küche, so rät es die Hamburgerin, sich im vorderen Teil des Hauses befinden, mit Blick auf die Straße und den Vorgarten. So habe man einen besseren Überblick über die Eingangssituation, was ebenfalls plötzlichen Stress durch unerwartete Gäste reduzieren könne. Der Vorgarten sollte zudem nur „halb privat“ sein, sagt Maaß-Gojny. „Man sollte von der Straße aus in den Vorgarten gucken und ruhig auch die Haustür im Blick haben können.“ Der beste Schutz gegen Einbrecher sei eben nicht ein blickdichter hoher Zaun, sondern der aufmerksame Nachbar, der aber eben nur aufmerksam sein könne, wenn er auch etwas sehen und beobachten könne.

Als Maaß-Gojny kürzlich durch ein Neubaugebiet spazierte und dabei ein Haus sah, das rundherum von einem blickdichten, schwarzen Zaun umgeben war, sei die Hamburgerin leicht geschockt gewesen. „Da traut sich doch niemand von den Nachbarn, mal nach Eiern oder Zucker zu fragen, und zu Nachbarschaftsgrillfesten werden diese Nachbarn auch nicht eingeladen.“ Auf diese Weise isoliere man sich selbst und mache es erst gar nicht möglich, eine gute Beziehung aufzubauen. Auch das habe am Ende des Tages Auswirkungen darauf, wie wohl man sich zu Hause fühle. „Die Struktur macht die Nachbarschaft“, so die Bergedorferin.

Das Haus variabel planen – dann wächst es mit

Doch nicht nur auf dem eigenen Grundstück gebe es Kriterien, auf die man Maaß-Gojny zufolge vor dem Kauf oder der Miete eines Hauses achten sollte. Hat man Kinder, sei es wichtig, dass es sogenannte Streifräume wie etwa einen Spielplatz, einen sicheren Weg zur Schule oder einen Park gibt, in denen Kinder sich eigenständig und allein bewegen können. „Das ist enorm wichtig, um Mut zu entwickeln und selbstständig zu werden“, sagt Maaß-Gojny.

Innerhalb der eigenen vier Wände sei es darüber hinaus sinnvoll, dass jede und jeder einen eigenen Bereich hat. „Und sei es nur ein Sessel. Das gilt sowohl für Eltern als auch für Kinder.“ Werden die Kinder älter, sei es deshalb wichtig, dass jedes Kind auch ein eigenes Zimmer habe – sofern die Voraussetzungen dies zulassen, sagt Maaß-Gojny. Um das Haus den wechselnden Bedürfnissen seiner Bewohner über den Wandel der Zeit anzupassen, sei es darüber hinaus auch sinnvoll, bereits im Vorhinein variabel zu planen. Mit ausreichend Fenstern und der Möglichkeit, Wände gegebenenfalls einzureißen oder neu zu ziehen.

Immobilien Hamburg: Was die Expertin für Architekturpsychologie rät

Und auch für den Blick aus dem Fenster hat Maaß-Gojny einen Tipp: „Wenn irgendwie möglich, sollte man die Fenster mit Blick ins Grüne ausrichten. Das hat einen merklichen Effekt auf den Puls und das psychische Wohlbefinden, da Grün beruhigt.“ Außerdem verändere sich mit den Jahreszeiten der Ausblick und die Farbe der Blätter, was sich ebenfalls positiv stimulierend auf die Psyche auswirke. Ist der Blick ins Grüne nicht möglich, rät Maaß-Gojny, sich Pflanzen ins Haus zu holen.

Sei der Raum nämlich zu steril und biete zu wenig Stimulation, könne auch das Stress auslösen. „Man muss sich klarmachen, dass Räume eigentlich viel mehr bestimmen, wie wir uns verhalten und wie sie auf unseren Charakter einwirken, als wir denken“, sagt die Bergedorferin. Neben individuellen Bedürfnissen wie etwa der Vorliebe für bestimmte Farben oder einen gewissen Einrichtungsstil gebe es die von Maaß-Gojny angeführten Grundbedürfnisse, die jeder Mensch an seine Umwelt hat – wenn auch unbewusst.

Überlege man aber beispielsweise, sich neue Möbel anzuschaffen oder die Wand neu zu streichen, so solle man sich der Expertin zufolge ruhig trauen. „Es ist gut, wenn es innerhalb von Räumen Bewegung gibt.“ Zudem biete dies Möglichkeiten zur Aneignung, was wiederum das Gefühl von Kontrolle und somit Sicherheit entstehen lasse. „Am Ende gibt es nicht das perfekte Haus. Es kann immer nur situativ perfekt sein, denn Bedürfnisse ändern sich im Laufe des Lebens.“