Hamburg. Der Trend zu Tiny Houses hält an. Eine Expertin für Wohnpsychologie verrät, worauf man beim Kauf achten sollte.

Es gibt Dinge, von denen man kaum zu träumen wagt. Erst recht nicht bei den aktuellen Wohnpreisen in Hamburg und Umgebung. Von einem Loft mit Panoramafenster, Duschbad, Küche und Wohnbereich zum Beispiel. Spricht man allerdings mit Stefan Jenner, scheint dieser Traum gar nicht so weit weg – auch ohne großen Geldbeutel.

„Also, wir versuchen wirklich noch, es bezahlbar zu machen“, sagt der 51-jährige Unternehmer und rückt sich dabei seine Brille auf der Nase zurecht. Mit circa 65.000 Euro müsse man zwar rechnen, aber dann sei auch wirklich alles dabei. Sogar die Luft-Wärmepumpe gebe es inklusive.

Und mit „alles“ meint Jenner ganze acht Meter Länge, zweieinhalb Meter Breite und vier Meter Höhe auf Rädern. „Wir produzieren unsere Tiny Houses in der Türkei und bringen sie dann nach Deutschland. So bleiben unsere Preise zumindest noch ein bisschen tiny“, sagt Jenner, der sich vor knapp drei Jahren mit einem Tiny House Vertrieb selbstständig gemacht hat.

Tiny House: Darauf sollte man beim Kauf achten

Bald aber, so der gebürtige Niedersachse, wolle Jenner seine Tiny Houses statt in der Türkei in Alfeld in Niedersachsen fertigstellen. Dort, wo er auf einer Kiesfläche mit Blick ins satte Grün bereits jene fünf Modelle ausstellt, die der Unternehmer im Angebot hat. „Splittlevel“ zum Beispiel oder „Office“.

Am besten verkaufe sich momentan aber „Relax“ – mit zweifach verglastem Panoramafenster, spitz zulaufendem Dach und Wänden aus Glasfaserplatten. Wer sich nicht sicher sei, ob ein Tiny House das Richtige für ihn ist, kann auch bis zu einer Woche in Jenners Häuschen Probe wohnen. Alles kein Problem. Doch was bewegt die Menschen dazu, für 65.000 Euro in 20 Quadratmeter zu wohnen und was sollte man vor einem Kauf beachten?

Das Tiny-House-Modell
Das Tiny-House-Modell "Relax" von Tiny Home. © Stefan Jenner | Stefan Jenner

„Ganz klar das Bedürfnis nach Freiheit“, sagt Katharina Kreier, studierte Innenarchitektin und Expertin für Wohnpsychologie. Auch sie hat sich vor knapp drei Jahren selbstständig gemacht mit einem Fokus auf Tiny Houses. „Zum Glück“, sagt die 39-Jährige, die gerade selbst ein ganzes Jahr lang in einem ausgebauten Lkw gewohnt hat. Kreier habe näher am Menschen dran sein wollen, ja tiefer gehen wollen bei ihrer Planung.

„Das Zuhause vom Menschen aus denken und nicht andersherum“, das sei ihr Anspruch. Viele Architekten designten Häuser oftmals nach ästhetischen Aspekten und, um sich selbst zu verwirklichen, und nicht danach, ob sich die Bewohner darin wohlfühlen, findet Kreier. „Dabei sei das doch das Entscheidende.“

Grundbedürfnisse müssen beim Tiny House erfüllt sein

Denn gerade, weil es sich um einen kleinen begrenzten Raum handle, „ist es umso wichtiger, dass bestimmte Grundbedürfnisse ans Wohnen befriedigt werden“. Dazu gehört etwa das Licht, die Belüftungsmöglichkeiten, der Standort sowie die Raumaufteilung. Für extrovertierte Menschen sei etwa ein möglichst offenes oder puristisch gehaltenes Tiny House mit großen Fenstern oftmals passender als eines, das mit weichen Stoffen und Raumtrennern ausgestattet ist.

„Es müssen nicht immer Gardinen am Fenster hängen. Extrovertierte Menschen fühlen sich nicht unbedingt unwohl, wenn man gut hereingucken kann.“ Wichtig sei aber, ganz gleich bei welchem Charakter, dass eine gewisse Zonierung innerhalb des Raumes eingehalten werde. Dass es also klare Abgrenzungen zwischen Wohn-, Schlaf- und Essbereich gibt.

Katharina Kreier, Expertin für Wohnpsychologie berät Menschen beim Einrichten und Planen ihrer Tiny Houses.
Katharina Kreier, Expertin für Wohnpsychologie berät Menschen beim Einrichten und Planen ihrer Tiny Houses. © Katharina Kreier

Außerdem, so die gelernte Raumausstatterin, sei wichtig, wie die Fenster angeordnet werden, und vor allem auch, in welcher Größe sie eingebaut würden, um eine passende Lichtachse zu schaffen. Fragen wie „Von wo kommt das Licht?“, „Sind Querlüftungen möglich?“ und „Kann man auch von oben Licht einfließen lassen?“ seien dabei unabdingbar. Um aber die sogenannten Individualbedürfnisse der Tiny-House-Käufer erfüllen zu können, müsse Kreier ihre Kunden erst einmal kennenlernen.

Doch das sei oftmals gar nicht so leicht: „Viele Menschen kommen zu mir und fragen mich: Was ist denn gerade modern? Das hätte ich dann gerne.“ Viele Kunden hätten gar keine Zeit, sich mit ihren Bedürfnissen im Vorhinein auseinanderzusetzen, weil sie so mit Arbeit und den täglichen Anforderungen ihres Alltags überladen seien.

Tiny House als Weg in die Freiheit

Das Tiny House erscheint vielen deshalb wie eine Art Ausstieg in die Freiheit. Und auch, wenn sich nicht die eine Zielgruppe ausmachen lasse, so hätten alle Tiny-House-Käufer doch etwas gemeinsam: „Sie wollen Ballast loswerden.“ In einer Welt, in der das Individuum immer mehr Anforderungen ausgesetzt ist, kein Wunder, findet Kreier.

Doch selbst bei 20 Quadratmetern könne man viel falsch machen. Die meisten, die zu ihr kommen, wollten etwas an ihrem Lebensstil ändern. Manche hätten sogar Burn-out, seien ausgebrannt. „Aussortieren und minimieren fällt den meisten dann aber erst einmal schwer.“ Wenn es sein müsse, so die Innenarchitektin, helfe sie deshalb sogar beim Ausmisten mit.

„Beim Tiny House ist das Besondere, dass sich der Lebensraum automatisch nach außen verlagert“, so Kreier. Ganz anders als bei großen Häusern und Villen, wo „Zuhause“ meist eher drinnen bedeute. Je kleiner das Haus, so die Expertin, „desto wichtiger ist die Frage, wo es steht“.

Deshalb sei zudem entscheidend, wie das Tiny House ausgerichtet ist, „denn die Natur ist sehr ausschlaggebend für unsere Entspannungsmöglichkeiten“. Gebe es keine Natur, solle man sich das Grün mit Pflanzen nach drinnen holen, rät Kreier. Entscheidend bei der Ausrichtung sei: Wo sind meine Sichtachsen und habe ich einen direkten Blick ins Grüne?

Tiny House: Alternative zum teuren Eigenheim

Doch sind Tiny-House-Käufer automatisch naturverbundener? „Nicht unbedingt“, sagt Jenner. „Zu mir kommen verschiedene Gruppen: Da sind die einen, die bewusster mit Ressourcen umgehen und näher an der Natur sein wollen.“ Ebenso seien es aber auch Ehepaare, deren erwachsene Kinder aus dem Haus ausgezogen sind und die nun zu viel ungenutzte Wohnfläche hätten.

Seit der Inflation und den gestiegenen Baukosten sei es aber zunehmend auch der monetäre Aspekt, der Menschen dazu bringe, sich ein Kleinsthaus zu kaufen. „Ein Tiny House bekommt man schon für 2000 bis 2500 Euro pro Quadratmeter. Das ist schon ein riesen Unterschied zu Quadratmeterpreisen von mindestens 4000 Euro bei feststehenden Häusern“, so Jenner.

Stefan Jenner in einem seiner Tiny Houses von Tiny Home. 
Stefan Jenner in einem seiner Tiny Houses von Tiny Home.  © Stefan Jenner

Das einzige Problem, das sich den meisten Interessenten in den Weg stelle, sei, das passende Baugrundstück zu finden, sagt Jenner. „Wir sind in Deutschland noch lange nicht so weit wie etwa die Skandinavier oder die Holländer.“ Meist reichten viel kleinere Baugrundstücke aus als die, die man derzeit habe, so der Unternehmer. Die Bundesregierung könnte das Baurecht ändern, appelliert Jenner. „Warum nicht ein 200 anstatt ein 500 oder 600 Quadratmeter großes Grundstück planen und ausschreiben? Oder warum nicht zwei Tiny Houses auf ein Grundstück stellen?“ Aktuell sei dies nicht erlaubt.

Doch auch wenn es bei einem Tiny-House-Kauf viel zu beachten gilt: „Es gibt nichts Schöneres, als so unabhängig und frei von Dingen zu sein“, sagt Katharina Kreier und blickt dabei aus dem Fenster auf einen Hof, wo ihr Lkw steht.