Hamburg. Jedes fünfte Angebot fällt in diese Preisklasse. Wie sich die Forderungen der Verkäufer sogar noch drücken lassen.
Es ist noch keine zwei Jahre her, da war es kein Problem in den Immobilienportalen Reihenhäuser zu finden, die eine Million Euro und mehr kosten sollten. 1,10 Millionen für ein Stadthaus in Rissen oder 1,15 Millionen Euro für ein Reihenhaus in Lokstedt – alles Bestandsobjekte, keine Neubauten.
Der Höhepunkt des Immobilienbooms hatte auch den Immobilientyp erreicht, der eigentlich als spießig gilt und nicht viel Individualität in der Gestaltung zulässt, weil die Anpassung an die kleinen Grundstücke immer schwieriger wird.
Haus kaufen: Immobilienmarkt hat sich deutlich verändert
Inzwischen ist viel passiert am Immobilienmarkt. Der jahrelange Preisanstieg ist gestoppt. Viele Kaufinteressenten haben sich wegen der gestiegenen Zinsen zurückgezogen. Aber viele Immobilienbesitzer wollen ihre Objekte jetzt noch möglichst zu Höchstpreisen verkaufen. Der Markt ist aus dem Gleichgewicht.
„Aktuell finden Käufer und Verkäufer jedoch noch nicht immer zusammen, die Verkäufer halten häufig noch an den hohen Preisen fest, zu denen die Käufer noch nicht immer kaufen wollen oder können“, sagt Haspa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg. Das mache sich weiterhin im Neugeschäft für private Baufinanzierungen bemerkbar. Schließlich werden immer neue Auflagen der Regierung oder der Bundesländer bekannt, wie die Häuser künftig beheizt oder das Dach begrünt werden muss.
Vor allem in einer Region Hamburgs gibt es Schnäppchenhäuser
Für Hamburg sind die Reihenhäuser als Millionenobjekte aus dem Immobilienportal ImmoScout24 verschwunden. Stattdessen gibt es viele Häuser – vom Reihenhaus bis zum frei stehenden Objekt – wieder für bis zu einer Kaufpreisforderung von 500.000 Euro. Anders als noch vor zwei Jahren sind diese Preise nicht mehr in Stein gemeißelt. So gibt es inzwischen rund 200 Angebote bis zur Preisgrenze von 500.000 Euro, das ist immerhin jede fünfte Offerte. Viele der Häuser liegen südlich der Elbe. Erweitert man den Suchradius um 20 Kilometer um Hamburg, steigt das Angebot auf fast 500 Häuser.
Anders als vor zwei Jahren sind das nicht nur renovierungsbedürftige Objekte. In die Doppelhaushälfte mit fünf Zimmern auf 155 Quadratmetern für knapp 500.000 Euro in Heimfeld kann eine Familie gleich einziehen. Fast alles wurde im vergangenen Jahr saniert: Heizung, Elektrik, Bäder und neue Fenster. Auch in das Einfamilienhaus in Jenfeld für knapp 500.000 Euro mit moderner Küche und Bad kann man zunächst einziehen. Vier Zimmer auf 120 Quadratmeter Wohnfläche sollen knapp 500.000 Euro kosten.
Schnäppchenhäuser in Hamburg. Wie man noch mehr sparen kann
Nach den Prognosen des Hamburger Maklers Grossmann & Berger wird sich der Durchschnittspreis pro Quadratmeter in diesem Jahr bei Häusern aus dem Bestand bei 4800 Euro einpendeln und im Umland von Hamburg bei 3400 Euro je Quadratmeter. Bei Sanierungsbedarf kann man 1000 Euro weniger kalkulieren. „Seit dem Frühjahr 2022 ist das Angebot deutlich größer geworden. Das bleibt auch in diesem Jahr so“, sagt Andreas Gnielka, Geschäftsführer von Grossmann & Berger.
Es geht allerdings auch noch günstiger als 500.000 Euro. Ein 135 Quadratmeter großes Einfamilienhaus in Neuenfelde soll 400.000 Euro kosten. Da liegt der Quadratmeterpreis schon unter 3000 Euro. Häuser in dieser Preiskategorie tragen meist den Zusatz renovierungsbedürftig - oder die Fotos von dem Objekt vermitteln zumindest diesen Eindruck.
Ein günstiger Preis kann auch an der Erbpacht liegen. Etwa ein Einfamilienhaus in Langenhorn für knapp 300.000 Euro, das aber auch modernisiert werden muss. Ein Erbbaurecht kann den Anschaffungspreis der Immobilie um 20 bis 40 Prozent senken. Allerdings sind dann die laufenden Kosten höher.
Haus kaufen: Hamburg will den Erbbauzins senken
Ein Bauherr pachtet für einen Zeitraum von meist mehreren Jahrzehnten ein Grundstück, um darauf sein Haus zu bauen. Dafür zahlt er dem Eigentümer – dem Erbbaurechtgeber – eine Pachtgebühr, den sogenannten Erbbauzins. Die Höhe des Zinses ist nicht gesetzlich geregelt und frei verhandelbar. In Hamburg beträgt der Erbbauzins noch 1,5 Prozent des Bodenwertes für städtische Grundstücke. Bei einem Grundstückspreis von 700 Euro je Quadratmeter in Hamburg und einer Grundstücksgröße von 500 Quadratmetern ergibt sich eine monatliche Rate von knapp 440 Euro.
Hamburg plant aber, den Erbbauzins auf seinen Grundstücken auf 1,3 Prozent zu senken. Die Höhe des Zinses kann während der Laufzeit angepasst werden. Verbraucherschützer raten, Immobilien mit Erbbaurecht nur zu erwerben, wenn die Erbpacht noch mindestens 50 bis 60 Jahre läuft.
Gemessen an den Preisen der frei stehenden Häuser, sind die Kaufpreisforderungen für Reihenhäuser immer noch hoch. Das gilt vor allem mit Blick auf das Alter der Häuser, der Ausstattung und den Energieverbrauch. Viele Objekte kosten um die 450.000 Euro. „Ich erwarte mittelfristig, dass die Preise für Reihenhäuser in Hamburg wieder unter 300.000 Euro sinken“, sagt Nicole Reise, Geschäftsführende Gesellschafterin bei Frank Hoffmann Immobilien.
Sie nennt ein Beispiel: 419.000 Euro sollte das Reihenhaus in Hamburg kosten, für 349.000 Euro fand es schließlich einen Käufer. „Ich nehme nur noch Verkaufsaufträge an, wo die Vermarktungszeit bei sechs Monaten liegt“, sagt Reise. Genügend Zeit für Preisverhandlungen. Während des Immobilienbooms waren zwei Monate üblich.
Günstige Häuser haben oft großen Modernisierungbedarf
Nur wenige Reihenhäuser haben keinen großen Modernisierungsbedarf: Etwa ein 100 Quadratmeter großes Reihenhaus nahe der Außenmühle für 460.000 Euro. Vorteil: geringer Energieverbrauch mit Energieeffizienzklasse B. Ein Mittelreihenhaus in Lohbrügge mit rund 120 Quadratmeter Wohnfläche soll 480.000 Euro kosten, mit Baujahr 2006 ist es fast ein Neubau. Wie die Anzeige verrät, hat es bereits eine Preisanpassung bei diesem Objekt gegeben. Nach den Daten des Informationssystems QUIS musste im Dezember bei Häusern in Hamburg jede dritte Verkaufsanzeige im Preis angepasst werden. Angesichts der Entwicklung am Immobilienmarkt wahrscheinlich nach unten. „Im Sommer lag der Wert sogar bei 46 Prozent“, sagt Bettina Harms von QUIS.
Fast alle Immobilien unter 500.000 Euro haben ein Problem: den hohen Energieverbrauch. Denn fast alle der rund 200 Objekte in dieser Preisklasse haben eine schlechtere Energieeffizienzklasse als D. Fast jede dritte Immobilie aus dem Gesamtbestand in Hamburg liegt in den drei schlechtesten Klassen F, G und H. „Während der im Rahmen des Verkaufsprozesses geforderte Energieausweis in der Vergangenheit von geringem Interesse war, fordern Kaufinteressenten jetzt entsprechende Informationen direkt ein, wägen die damit verbundenen Investitionen ab und nutzen diese als Argumente für ihre Preisverhandlungen“, sagt Daniel Ritter, geschäftsführender Gesellschafter bei von Poll Immobilien.
Warum viele Verkäufer den Kaufpreis nach unten korrigieren müssen
Eine Umfrage unter den Maklern des Unternehmens ergab, dass fast jeder zweite Immobilienexperte eine gesunkene Nachfrage nach Immobilien mit Sanierungsbedarf um mehr als 30 Prozent eingesteht. Das hat nach der Umfrage unter 200 Immobilienexperten auch direkte Auswirkungen auf die Preise. 75 Prozent der Makler geben an, dass die Preise von sanierungsbedürftigen Immobilien um mindestens 20 Prozent gesunken sind. Das bietet Spielraum für Preisverhandlungen auch bei Immobilien, die jetzt nicht mehr als 500.000 Euro kosten.
Preisabschläge von den Angebotspreisen sind unerlässlich, denn in die meisten Häuser muss kräftig investiert werden. Mit 1000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche sollte mindestens kalkuliert werden. Dann schafft man den Energiestandard E 115, der etwa 15 Prozent mehr verbraucht als ein Neubau. Bei 120 Quadratmeter Wohnfläche sind das schon 120.000 Euro.
Das zeigt, dass viele Verkäufer werden ihre Preisvorstellungen noch nach unten korrigieren müssen. Denn die Banken sind immer weniger bereit, Sanierungskosten mit in die Finanzierung einzubeziehen. „Die Banken haben ihre Finanzierungsbedingungen verschärft und sind jetzt vorsichtiger, vor allem, wenn es um Immobilien mit schlechten Energieeffizienzwerten geht“, sagt Frank Lösche, Spezialist für Baufinanzierung beim Baugeldvermittler Dr. Klein in Hamburg.
Haus kaufen: Bei Besichtigung sollte Experte mit dabei sein
Bei der Besichtigung von Bestandsobjekten ist wichtig, einen Fachmann an der Seite zu haben. „Eine Immobilie sollte man systematisch vom Keller bis zum Dach besichtigen und möglichst seine Emotionen, dass die Immobilie sehr stark den eigenen Vorstellungen entspricht, beiseite lassen“, sagt Karl Heinz Schneider, Architekt und Sachverständiger für Hochbauplanung und Bauüberwachung vom Verband der Privaten Bauherren (VPB) in Hamburg. Denn in der Euphorie werden viele Mängel übersehen.
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Auch von bereits erfolgten Sanierungen dürfen sich potentielle Käufer nicht blenden lassen. „Denn es ist besonders schwer zu erkennen, ob bauliche Mängel nur mit einem neuen Anstrich, Fließen oder Bodenbelag übertüncht wurden“, sagt Schneider.
Mit den gesunkenen Preisen und mehr Verhandlungsspielraum ist zwar die Immobiliensuche etwas einfacher geworden. Eine große Herausforderung bleibt sie dennoch.