Hamburg. Die Gewerkschaft EVG hat am Freitag den Bahnverkehr lahmgelegt. Am Flughafen ist der Betrieb nach dem Streik wieder regulär angelaufen.
Der Tag, der vielen Hamburgern viele Nerven kosten sollte, begann am Freitag früh – und laut. Gegen 6.15 Uhr sah man am sonst so quirligen Bahnhof Altona nicht viel, hörte dafür umso mehr. Auf den Anzeigetafeln wurden nur ausgefallene Züge angezeigt. Dafür zog ein erster Streikposten der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) laut trillernd mit seiner Pfeife durch den verwaisten Bahnhof. Das Ganze in einem Wort: Streik.
Die EVG hatte ihre Mitglieder zu einem Warnstreik zwischen 3 und 11 Uhr aufgerufen. Nach Angaben der Deutschen Bahn stand der Regional- und Fernverkehr nahezu still. Doch damit nicht genug: Wegen eines Warnstreiks des Sicherheitspersonals am Hamburger Flughafen sagten die Airlines alle 156 für Freitag geplanten Abflüge sowie 47 Ankünfte ab. Mehr Streik an einem Tag geht nicht.
Streik: Zwischen 3 und 11 Uhr fuhren keine Bahnen
Immerhin: Die Hamburger S-Bahn fuhr nach Angaben eines Bahnsprechers ab 7 Uhr auf fast allen Strecken im 20-Minuten-Takt. Auf den S-Bahn-Gleisen der Stadt herrschte allerdings am frühen Morgen gähnende Leere – im wahrsten Sinne des Wortes. Ganz im Gegenteil zu den U-Bahn-Gleisen, wo glücklicherweise nicht gestreikt wurde.
So war es auch nicht weiter verwunderlich, dass der News-Dienst des Hamburger Verkehrsverbunds am Freitagmorgen ein hohes Fahrgastaufkommen und überfüllte Busse meldete. Aber Kummer waren die Hamburger an diesem Freitag ja gewohnt.
Verständnis für die Streikenden in Grenzen
Auch die drei älteren Herren aus Würzburg, die an diesem Morgen am Hauptbahnhof gestrandet waren. Sie wollten eigentlich nach Würzburg und hatten sich nun zusammen einen Kleinbus gemietet, um einigermaßen rechtzeitig an ihrem Ziel anzukommen, sagte einer der wenig amüsierten Senioren. Den Streik fanden sie unverhältnismäßig. Sie könnten zwar verstehen, dass die Arbeitnehmer mehr Geld benötigten, aber dies sei ja auch bei anderen Berufsgruppen der Fall.
Zum Beispiel beim Sicherheitspersonal am Flughafen, das an diesem Freitag auch die Arbeit niederlegte. „Bei den Betroffenen, die sich bei uns melden, erleben wir viel Enttäuschung, Verärgerung, teilweise auch regelrechte Verzweiflung“, sagte Airport-Sprecherin Janet Niemeyer. „Die Streiks fallen in eine Zeit, in der der Flughafen Hamburg die Folgen der drei Corona-Jahre weiterhin spürt.“
Flughafen kämpfte sich gerade erst wieder aus der Verlustzone
Nach der Corona-Krise kämpft sich der Hamburger Flughafen gerade aus der Verlustzone. Rund 186 Millionen Euro Minus fuhr der Airport in den drei Pandemie-Jahren ein, davon 27 Millionen im vergangenen Jahr.
Die Welle von Warnstreiks erschwere den Weg zur angepeilten schwarzen Null. „Mit jedem Streiktag entfernen wir uns weiter davon“, sagte Sprecherin Niemeyer am Freitag. Jeder Tag der Arbeitsniederlegungen koste die Hamburg-Airport-Gruppe etwas mehr als eine halbe Million Euro.
Airport machte 2022 216,7 Millionen Euro Umsatz
In den vergangenen gut zwei Monaten sei es am Helmut-Schmidt-Flughafen durch Warnstreiks der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di an fünf Tagen zu massiven Auswirkungen auf den Flugbetrieb gekommen. Der Erlösausfall summiere sich dadurch auf rund 2,5 bis drei Millionen Euro, so der Airport. Zur Einordnung: Im vergangenen Jahr erzielte der Airport 216,7 Millionen Euro Umsatz.
Mehr als 1100 Flüge seien in diesem Jahr wegen der Warnstreiks gestrichen worden. Und auch an diesem Donnerstag und Freitag erwartete der Airport ursprünglich rund 77.000 Passagiere. An den fünf Streiktagen – auch der Warnstreik im öffentlichen Dienst spielte dabei eine Rolle – seien insgesamt rund 150.000 Passagiere von den Arbeitskämpfen betroffen gewesen.
Fluggesellschaften brachten Passagiere mit Bussen zu anderen Airports
Um den Ärger der Fluggäste ein wenig aufzufangen, verlegten einzelne Airlines wie Condor, WizzAir und Freebird ihre Abflüge am Freitag nach Hannover, Bremen und Paderborn. Die Passagiere sollten mit Bussen dorthin gebracht werden – was aber oft genug auch misslang, da ja nicht nur in Hamburg gestreikt wurde.
Das Gute am Streik: Irgendwann ist er auch wieder zu Ende. Am Sonnabend ist der Betrieb am Flughafen wieder regulär angelaufen. Der Airport rechnet jedoch nach eigenen Angaben mit einem erhöhten Andrang von Passagieren. Wegen Umbuchungen, starker Auslastung der Flüge und Umplanungen der Fluggesellschaften seien für Sonnabend statt 118 Starts und 114 Landungen 127 Abflüge und 117 Ankünfte geplant. Das teilte eine Pressesprecherin des Flughafens am Sonnabendmorgen mit. Fluggäste sollten demnach einen größeren Zeitpuffer einplanen. Über Slot&Fly seien mittlerweile 15-Minuten-Slots für den Zugang zur Sicherheitskontrolle buchbar - ein neuer Service, der den Abreisetag besser planbar mache.
Nächste Woche wird wieder verhandelt
Am 27. und 28. April sollen die Verhandlungen mit dem Bundesverband der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) weitergehen, der auch in der nächsten Woche weitere Ausstände an deutschen Flughäfen erwartet – die Hansestadt wird aber wohl nicht erneut betroffen sein.
„Die Kollegen haben mit ihrer Beteiligung an dem Warnstreik deutlich gemacht, dass sie hinter den Forderungen stehen. Das ist ein deutliches Signal für die Unterstützung der Verhandlungen“, sagte der zufriedene Hamburger Ver.di-Gewerkschaftssekretär Lars Stubbe dem Abendblatt.
Gewerkschaften ziehen positives Fazit
Ein positives Fazit zog auch die EVG nach dem Ende des Streiks um 13 Uhr. „In allen 50 Unternehmen haben wir massive Auswirkungen gehabt“, sagte Tarifvorständin Cosima Ingenschay. „Auf der Schiene und auch bei den Busbetrieben ist quasi nichts mehr gefahren.“
Das hat auch Klaus Meyer aus Baden-Baden gemerkt. „Jedes Mal wenn ich in Hamburg bin wird gestreikt, ich habe mich langsam dran gewöhnt“, sagte der 60-Jährige, der beruflich in der Hansestadt war und hoffte, um 21 Uhr wieder in der Heimat zu sein. Ähnlich locker blieb Leoni. „Ich habe durch den Streik leider eine Vorlesung verpasst, aber das kann ich schon verkraften“, sagte die 23-jährige Studentin, die erst fünf Stunden später nach Göttingen konnte.
Beim ICE nach Köln gab es Tumulte
Nicht ganz so entspannt dürften die Fahrgäste den Streik empfunden haben, die direkt nach dem offiziellen Ende den ersten ICE Richtung Köln nehmen wollten. Der Zug war so voll, dass die Fahrgäste dicht gedrängt in den Gängen standen und der Zug über 20 Minuten hinweg nicht starten konnte. Per Lautsprecher forderte die Bahn einen Teil der Passagiere auf, den ICE wieder zu verlassen und drohte dabei sogar mit der Polizei. Am Ende erklärten sich genug Fahrgäste bereit, eine spätere Verbindung zu nehmen, sodass der Zug doch noch abfahren konnte.
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Ein Fahrgast aus Fulda, der mit seiner Familie am Vormittag nach einer Aida-Kreuzfahrt am Hauptbahnhof gestrandet war, hatte seine ganz eigene Meinung zum Streik: „Ich bin sowieso kein Freund von der Bahn“, sagte der empörte Mann, der einen kreativen Schuldigen für „die unmöglichen Forderungen der Gewerkschaften“ präsentierte: „Das ist alles die Schuld der Grünen!“