Hamburg. Die 17 Jahre alte Hamburgerin ist am Freitag an vorderster Front. Wie die 17-jährige Schülerin den Aufzug durch die Stadt erlebt.

Annika Rittmann weiß durchaus, Prioritäten zu setzen. Seit März ist die 17 Jahre alte Hamburgerin bei „Fridays for Future“ (FFF) aktiv. Und für diesen Freitag ist der große Klimastreik in Hamburg angesagt. Der FFF-Pressesprecherin liegen etwa ein Dutzend Interview-Anfragen vor. Ein enorm wichtiger Tag also für die junge Frau. Aber ihr klimapolitisches Engagement muss am Freitagmorgen noch ein wenig warten. „Ich musste erst noch eine Geografie-Arbeit schreiben“, sagt Annika Rittmann nach der Klausur, schließlich besucht sie die 12. Klasse des Gymnasiums Blankenese und macht im Frühjahr Abitur. „Erst kam die Bahn heute morgen nicht, dann kam sie doch, und so bin ich doch noch pünktlich zur Schule gekommen“, sagt die Schülerin.

Kurz nach halb elf ist sie dann da, wo sie an diesem Freitag ganz dringend gebraucht wird – auf der Willy-Brandt-Straße in der Hamburger Innenstadt, wo die Bühne für die Kundgebung und Konzerte bereits aufgebaut ist, sich der Rest aber erst langsam zurechtruckelt. Die Ordner müssen eingeteilt werden und erhalten genaue Einweisungen, wie sie den Demonstrationszug in geordnete Bahnen lenken sollen; in einem weißen Zelt schneiden zwei Helferinnen Fladenbrot auf und packen es auf das Büfett, auf dem es Schüsseln mit Nudelsalat gibt, belegte Brote und mehrere Sorten Muffins – alles vegan.

Annika Rittmanns Telefon steht nicht still

Dixiklos stehen bereit für die zahlreichen Helfer, in einem weiteren Zelt liegen Dutzende Rucksäcke von Ordnern, die ihre Sachen hier deponiert haben. Annika Rittmanns Telefon steht nicht still. Ständig will jemand etwas von ihr wissen. Und wenn sie gerade mal nicht telefoniert oder ihre Mails checkt, gibt sie ein Pressestatement nach dem anderen. Kamerascheu scheint sie nicht zu kennen. „Ich erhoffe mir vom heutigen Klimastreik, dass wir gemeinsam laut sind, damit der Bundesrat seine Entscheidung heute genau überlegt“, beschreibt sie ihre Erwartung an die Hamburger Klimademo, für die 30.000 Teilnehmer angemeldet wurden.

Großer Klimastreik in Hamburg:

Großer Klimastreik in Hamburg

Klimastreik-Teilnehmer auf der Willy-Brandt-Straße.
Klimastreik-Teilnehmer auf der Willy-Brandt-Straße. © Axel Heimken/dpa
Die Lokalmatadore brachten die Demo zum Tanzen: Die Hamburger Band Deichkind hatte bei ihrem Auftritt ein Heimspiel.
Die Lokalmatadore brachten die Demo zum Tanzen: Die Hamburger Band Deichkind hatte bei ihrem Auftritt ein Heimspiel. © Marcelo Hernandez
Um 15.38 Uhr betritt Deichkind die Bühne.
Um 15.38 Uhr betritt Deichkind die Bühne. © Hannes Harms
Die Band Deichkind während ihres Auftritts.
Die Band Deichkind während ihres Auftritts. © Marcelo Hernandez
"Rettet den Planeten bevor unser Bier warm wird": Junge Demonstranten beim Klimastreik. © Axel Heimken/dpa
Jung und Alt bei der Demo.
Jung und Alt bei der Demo. © Marcelo Hernandez
Ein bunter Demonstratrionszug zog durch die Innenstadt.
Ein bunter Demonstratrionszug zog durch die Innenstadt. © Marcelo Hernandez
Der Demonstrationszug an der Binnenalster.
Der Demonstrationszug an der Binnenalster. © Marcelo Hernandez
Klimastreik in Hamburg – bei viel Sonnenschein.
Klimastreik in Hamburg – bei viel Sonnenschein. © Axel Heimken/dpa
Éin Demonstrant im Bärenkostüm.
Éin Demonstrant im Bärenkostüm. © Marcelo Hernandez
Bei dem Klimastreik in Hamburg demonstrierten Tausende gegen das Klimapaket der Bundesregierung.
Bei dem Klimastreik in Hamburg demonstrierten Tausende gegen das Klimapaket der Bundesregierung. © dpa
Ein Vertreter von Robin Wood in luftiger Höhe.
Ein Vertreter von Robin Wood in luftiger Höhe. © Hannes Harms
Ein ganz besonderer Weihnachtswunsch.
Ein ganz besonderer Weihnachtswunsch. © Marcelo Hernandez
Der Demonstrationszug vor dem Hamburger Hauptbahnhof.
Der Demonstrationszug vor dem Hamburger Hauptbahnhof. © Marcelo Hernandez
Um 14.30 Uhr hat die Abschlusskundgebung des Klimastreiks begonnen – viele Teilnehmer freuen sich auf den Auftritt von Deichkind.
Um 14.30 Uhr hat die Abschlusskundgebung des Klimastreiks begonnen – viele Teilnehmer freuen sich auf den Auftritt von Deichkind.
Mehr als 30.000 Demonstranten gingen am Freitag für besseren Klimaschutz in Hamburg auf die Straße.
Mehr als 30.000 Demonstranten gingen am Freitag für besseren Klimaschutz in Hamburg auf die Straße. © Daniel Reinhardt/dpa
Auch das Thalia-Theater beteigte sich an dem Protest.
Auch das Thalia-Theater beteigte sich an dem Protest. © Marcelo Hernandez
Weiter hinten im Demozug tönt
Weiter hinten im Demozug tönt "Wind of Change" aus den Boxen – Schüler singen und pfeifen mit. © Christoph Heinemann
Klimastreik in Hamburg: Die vorderen Demonstranten haben das Ziel fast erreicht.
Klimastreik in Hamburg: Die vorderen Demonstranten haben das Ziel fast erreicht. © Elisabeth Jessen
Klimastreik in Hamburg: Viele Demo-Teilnehmer in der ersten Reihe sind sehr jung.
Klimastreik in Hamburg: Viele Demo-Teilnehmer in der ersten Reihe sind sehr jung. © Elisabeth Jessen
Viele der Demonstranten wettern gegen den Black Friday.
Viele der Demonstranten wettern gegen den Black Friday. © Christoph Heinemann
Klimastreik in Hamburg: Der Demonstrationszug setzte sich gegen 12.30 Uhr in Bewegung.
Klimastreik in Hamburg: Der Demonstrationszug setzte sich gegen 12.30 Uhr in Bewegung. © Christoph Heinemann
Am Mittag zählte die Polizei bereits 30.000 Klimastreik-Teilnehmer.
Am Mittag zählte die Polizei bereits 30.000 Klimastreik-Teilnehmer. © Elisabeth Jessen
Klimastreik in Hamburg: Greenpeace trommelt.
Klimastreik in Hamburg: Greenpeace trommelt. © Elisbeth Jessen
Die Klimastreik-Demonstranten ziehen friedlich durch die Innenstadt.
Die Klimastreik-Demonstranten ziehen friedlich durch die Innenstadt. © Christoph Heinemann
Studenten kamen mit kreativen Plakaten zum Klimastreik in Hamburg.
Studenten kamen mit kreativen Plakaten zum Klimastreik in Hamburg. © Christoph Heinemann
Klimastreik in Hamburg – immer mehr Teilnehmer kommen in die City.
Klimastreik in Hamburg – immer mehr Teilnehmer kommen in die City. © Christoph Heinemann
Friedliche Demonstranten
Friedliche Demonstranten © Jörg Riefenstahl
Der Demonstrationszug zog zunächst Richtung Hamburger Hauptbahnhof.
Der Demonstrationszug zog zunächst Richtung Hamburger Hauptbahnhof. © Christoph Heinemann
Auch in Pinneberg wird für besseren Klimaschutz demonstriert – in etwas kleinerem Rahmen.
Auch in Pinneberg wird für besseren Klimaschutz demonstriert – in etwas kleinerem Rahmen. © Nico Binde
Erste Reden auf der Bühne, bevor der Demozug los zog. Links auf der Bühne: Gebärdendolmetscherin Susanne Held.
Erste Reden auf der Bühne, bevor der Demozug los zog. Links auf der Bühne: Gebärdendolmetscherin Susanne Held. © Elisabeth Jessen
Klimastreik in Hamburg mit tanzenden Demonstranten.
Klimastreik in Hamburg mit tanzenden Demonstranten. © Christoph Heinemann
Klimastreik in Hamburg: Rosalie, das Schwein, und Holger, der Hase.
Klimastreik in Hamburg: Rosalie, das Schwein, und Holger, der Hase. © Christoph Heinemann
Klimastreik in Hamburg: Alle Protestideen sind auf der Straße.
Klimastreik in Hamburg: Alle Protestideen sind auf der Straße. © Matthias Iken
Courtier auf der Bühne: Er rappte für das Klima.
Courtier auf der Bühne: Er rappte für das Klima. © Elisabeth Jessen
Auch ältere Semester sind beim Klimastreik in Hamburg vertreten.
Auch ältere Semester sind beim Klimastreik in Hamburg vertreten. © Christoph Heinemann
Um kurz nach 12 Uhr nahmen bereits rund 10.000 Menschen am Klimastreik teil.
Um kurz nach 12 Uhr nahmen bereits rund 10.000 Menschen am Klimastreik teil. © Christoph Heinemann
Heinke Eulenschmidt (r.):
Heinke Eulenschmidt (r.): "Ich bin ganz erstaunt, dachte es wird viel viel voller". Susanna Müller sagt: "Das kommt noch". © Christoph Heinemann
Die elfjährige Luna Maya Berndt (l.) und Tala Makeda Frank, auch elf Jahre, sind aus Norderstedt mit Talas Papa gekommen, um am Klimastreik in Hamburg teilzunehmen. „Lieber heute frieren als wenn man in 100 Jahren jeden Tag 50 Grad hat“, sagt Luna.
Die elfjährige Luna Maya Berndt (l.) und Tala Makeda Frank, auch elf Jahre, sind aus Norderstedt mit Talas Papa gekommen, um am Klimastreik in Hamburg teilzunehmen. „Lieber heute frieren als wenn man in 100 Jahren jeden Tag 50 Grad hat“, sagt Luna. © Elisabeth Jessen
Gegen 11.30 Uhr waren bereits die ersten 1000 Demonstranten vor Ort – und startklar für den Klimastreik.
Gegen 11.30 Uhr waren bereits die ersten 1000 Demonstranten vor Ort – und startklar für den Klimastreik. © Elisabeth Jessen
Klimastreik in Hamburg – bei viel Sonnenschein.
Klimastreik in Hamburg – bei viel Sonnenschein. © Elisabeth Jessen
Teilnehmerin des Klimastreiks in Hamburg.
Teilnehmerin des Klimastreiks in Hamburg. © Elisabeth Jessen
In Hamburg wollen am Freitag Zehntausende für besseren Klimaschutz auf die Straße gehen.
In Hamburg wollen am Freitag Zehntausende für besseren Klimaschutz auf die Straße gehen. © Elisabeth Jessen
Annika Rittmann von Fridays for Future, die die Proteste mitorganisiert, ist mit Emily Karius, die sie unterstützt, gegen 10.45 Uhr eingetroffen.
Annika Rittmann von Fridays for Future, die die Proteste mitorganisiert, ist mit Emily Karius, die sie unterstützt, gegen 10.45 Uhr eingetroffen. © Elisabeth Jessen
Klimastreik in Hamburg: Auch Greenpeace ist vor Ort.
Klimastreik in Hamburg: Auch Greenpeace ist vor Ort.
Auf der Bühne wird am Nachmittag die Hamburger Band Deichkind spielen.
Auf der Bühne wird am Nachmittag die Hamburger Band Deichkind spielen. © Elisabeth Jessen
Klimastreik in Hamburg: 18 Sanitäter sind vor Ort, um im Laufe des Tages falls nötig zu helfen.
Klimastreik in Hamburg: 18 Sanitäter sind vor Ort, um im Laufe des Tages falls nötig zu helfen. © Elisabeth Jessen
10.35 Uhr: Die Vorbereitungen für den Klimastreik in Hamburg laufen auf Hochtouren.
10.35 Uhr: Die Vorbereitungen für den Klimastreik in Hamburg laufen auf Hochtouren. © Elisabeth Jessen
Gegen 10.30 Uhr wurden die Ordner, die beim Klimastreik in Hamburg eingesetzt werden, per Megafon eingewiesen.
Gegen 10.30 Uhr wurden die Ordner, die beim Klimastreik in Hamburg eingesetzt werden, per Megafon eingewiesen.
Das Catering – unter anderem für Künstler wie Deichkind, die am Nachmittag auftreten werden.
Das Catering – unter anderem für Künstler wie Deichkind, die am Nachmittag auftreten werden.
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In der Schule wüssten zwar einige von ihrem Engagement, aber nicht alle, sagt die 17-Jährige, die in Osdorf lebt. Dass sie an diesem Vormittag Schule schwänzt, dürfte aber nicht vielen entgehen, ist sie doch tagsüber auf diversen Kanälen zu sehen – es scheint Annika Rittmann nicht groß zu kümmern. Zudem wurde sie von einem Fernsehteam begleitet, das sie von der Schule abholte.

Ohnehin hat sie neben der Schule schon immer diverse Aktivitäten untergebracht. Beispielsweise sieben Stunden Fußball pro Woche: „Ich habe mir aber das Kreuzband gerissen und darf bis August nicht mehr Fußball spielen“, sagt sie, „deshalb habe ich jetzt für andere Dinge Zeit.“ Ihr Mathestudium als Junior-Studentin an der Uni Hamburg leide aber auch gerade etwas, sie schaffe es nicht in jede Vorlesung. Aber sie spielt dann ja auch noch Klarinette und gibt Nachhilfe.

Deichkind live in Hamburg:

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Mit dunklem Parka und Strickmütze ist sie recht warm angezogen, aber es ist wirklich sehr kalt. Zwischen zwei Presseanfragen schraubt die FFF-Sprecherin ihre Thermoskanne auf und trinkt ein wenig Tee, denn rund um die Bühne ist es extrem zugig und kalt. „Frauenglück“ steht auf dem Teebeutel, der noch aus der Kanne hängt. „Den Tee hat mir meine Mutter heute morgen gemacht“, sagt Annika Rittmann, denn sie selbst war ja etwas in Eile.

Die Menge stets im Blick

Wenig später steht sie auf der Bühne und liest den Politikern in der Bundesrepublik die Leviten: „Scheinbar wisst ihr nicht, was es bedeutet, vor einer unsicheren Zukunft zu stehen. Wenn wir jetzt nicht handeln, dann war’s das.“ Ihren blauen Rucksack hat sie währenddessen in eine Ecke gestellt. Angst, dass ihn jemand klauen könnte, hat sie offenbar nicht.

Als sich langsam der Demonstrationszug formiert, ist Annika Rittmann wieder an vorderster Front. Mit einem Megafon läuft sie rückwärts – die Menge stets im Blick – und skandiert: „Ich sage Kohle, Ihr sagt Stopp. Ich sage Kohle, Kohle, Kohle, Ihr sagt Stopp, Stopp, Stopp!“ Die Demonstranten, darunter viele junge Schüler, antworten entsprechend. Das Gleiche folgt mit dem Slogan „Ich sage Klima, Ihr sagt Schutz.“

Zwischendurch informiert sie die Teilnehmer der Demonstration darüber, dass der Bundesrat die Pläne aus dem Klimapaket der Koalition vorerst gestoppt hat. „Das liegt daran, dass wir jede Woche auf die Straße gehen“, sagt sie selbstbewusst und muss dann zwischendurch das Megafon jemand anderes in die Hand drücken, um ihre Stimme zu schonen. „Leider habe ich die Hustenbonbons vergessen“, sagt sie.

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Als sie hört, dass die Polizei die Zahl der Demonstranten nur auf 25.000 schätzt (später wird sie noch etwas nach oben korrigiert), ist sie sauer und sicher, dass es deutlich mehr sind.

Um 17 Uhr, als alle Demo-Teilnehmer längst wieder zu Hause sind oder beim Black-Friday-Shoppen in der City, sind Annika Rittmann und ihre Mitstreiter noch immer dabei, aufzuräumen. Mit dem Ergebnis des Klimastreiks und der Beteiligung ist sie zufrieden. Auch damit, dass das Klimapaket nachverhandelt wird. Dass die CO2-Steuer durchgekommen ist, hält sie dagegen für fatal.