Hamburg. Politiker kritisieren „Rücksichtslosigkeit“ der Letzten Generation. 23 Aktivisten wieder frei. Polizei reagiert auf Video.

Sie nannten es das „Grande Finale“: Klimaaktivisten der Letzen Generation haben am Donnerstag zusammen mit dem einsetzenden Reiseverkehr zu Ostern für Chaos und Mega-Staus im Großraum Hamburg gesorgt. Bis in den Nachmittag hinein waren der Elbtunnel Richtung Norden, die Elbbrücken und teilweise auch der Veddeler Damm blockiert. Auf der A1 und der A7 ging stundenlang fast nichts mehr. Die beiden Autobahnen sind die wichtigsten Nord-Süd-Verbindungen über die Elbe.

Nach den Worten eines Polizei-Sprechers wurden insgesamt 23 Aktivisten vorübergehend in Gewahrsam genommen. Alle kamen noch am Donnerstagabend wieder auf freien Fuß. Politiker kritisierten am Freitag die Blockaden heftig.

Erst „Klimakleber“, dann Osterreiseverkehr: lange Staus auf A1 und A7

Nach rund fünf Stunden gelang es der Polizei zwar, alle Blockaden an den neuralgischen Punkten zu beenden und die Aktivisten von der Straße zu holen, doch das Chaos rund um Hamburg ging wegen der zahllosen Urlauber, die an Nord- und Ostsee drängten, unvermindert weiter. So meldete die Verkehrsleitzentrale gegen 15.15 Uhr noch immer 15 Kilometer Stau auf der A7 ab Hamburg-Fleestedt Richtung Norden und auf der A1 sogar 20 Kilometer in nördlicher Richtung ab Seevetal-Hittfeld.

Die Aktivisten klebten sich mit ihren Händen auf dem Asphalt vor dem Elbtunnel fest und mussten von Polizeibeamten von der Autobahn geholt werden.
Die Aktivisten klebten sich mit ihren Händen auf dem Asphalt vor dem Elbtunnel fest und mussten von Polizeibeamten von der Autobahn geholt werden. © dpa | Daniel Bockwoldt

Am Nachmittag sorgte dann der Osterreiseverkehr weiter für lange Staus auf den Autobahnen: Auf der A1 Richtung Norden staute sich der Verkehr um 17 Uhr auf 13 Kilometern zwischen Maschen und dem Dreieck Südost. In der Gegenrichtung zog sich der Stau auf zehn Kilometern Länge zwischen den Anschlussstellen Billstedt und Harburg.

Auf der A7 staute sich der Verkehr in Richtung Norden auf zwölf Kilometern zwischen der Anschlussstelle Marmstorf und dem Elbtunnel, in Richtung Süden auf sieben Kilometern zwischen dem Dreieck Nordwest und dem Elbtunnel.

„Klimakleber“ blockieren Elbtunnel und Elbbrücken

Die Aktionen der Klimaaktivisten hatten gegen 8.30 Uhr begonnen. Am südlichen Portal des Elbtunnels fuhren sie mit zwei Transportern vor, sprangen in orangefarbenen Warnwesten aus den Fahrzeugen und blockierten die Fahrbahnen Richtung Norden. Die Protestler klebten sich nicht nur auf dem Asphalt fest, sondern verschütteten auch Pflanzenöl, das sie in mehreren Kanistern mitgebracht hatten.

Klimaaktivisten haben sich auf der Fahrbahn der Autobahn 7 festgeklebt und blockieren so die Zufahrt des Elbtunnels in Richtung Norden.
Klimaaktivisten haben sich auf der Fahrbahn der Autobahn 7 festgeklebt und blockieren so die Zufahrt des Elbtunnels in Richtung Norden. © dpa | Daniel Bockwoldt

Die Polizei rückte mit zahlreichen Beamten an, um die Fahrbahnen vom Öl zu reinigen und die Aktivisten vom Asphalt zu lösen. In Fahrtrichtung Norden war der Elbtunnel stundenlang komplett gesperrt. Erst gegen 11.15 Uhr konnte zumindest eine Spur wieder freigegeben werden, gegen 13.30 Uhr war dann der komplette Tunnel wieder frei.

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Auch der Veddeler Damm wurde von den Aktivisten blockiert.
Auch der Veddeler Damm wurde von den Aktivisten blockiert. © Lenthe-Medien/Röhe | Lenthe-Medien/Röhe

Aktivist der Letzten Generation misshandelt? Polizei Hamburg reagiert auf Video

Auch an der Nordseite der Elbbrücken klebten sich insgesamt fünf Aktivisten fest. Die Billhorner Brückenstraße wurde stadteinwärts gesperrt, was den Rückstau auf der A1 auslöste.

Bei dem Versuch der Polizei, die Protestierenden von der Fahrbahn zu entfernen, kam es zu einem Zwischenfall. Auf einem Video, das die Letzte Generation in den sozialen Netzwerken verbreitete, ist zu sehen, wie ein Beamter einen laut schreienden Aktivisten von der Fahrbahn der Billhorner Brückenstraße entfernt. In einer ersten Reaktion meldete die Polizei Hamburg Zweifel daran an, dass dem Mann durch den Eingriff Schmerzen zugefügt worden seien.

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„Der Herr, dessen Kleber unserer Kenntnis nach (& offensichtlich) noch nicht getrocknet war, wurde durch eine RTW-Besatzung in Augenschein genommen. Keine Verletzung, keine Behandlungswürdigigkeit“, hieß es bei Twitter. Man habe das Video aber gesichert und an die Abteilung BMDA (Beschwerdemanagement und Disziplinarangelegenheiten) gesandt.

Journalist am Veddeler Damm von Polizei festgehalten.

Eine dritte Klebe-Aktion am Veddeler Damm konnte weitgehend verhindert werden. Offenbar, weil die Aktivisten und Aktivistinnen vorher von Zivil-Polizisten verfolgt worden waren. Dabei wurde auch ein Reporter zeitweise von der Polizei festgehalten. Weshalb dies geschah, war zunächst unklar.

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Letzte Generation rechtfertigt Blockadeaktionen

Ein Sprecher der Letzten Generation rechtfertigte die massiven Blockaden kurz vor Ostern mit einer „absoluten Notstandssituation“. Die Regierung weigere sich, Maßnahmen zu ergreifen, die aus der Krise führten. „Jede politische Blockade steigert dabei die Bedrohung des Klimas und des daraus resultierenden Wirtschaftskollaps ins „Unermessliche“.

Ein 73-Jähriger begründete seine Teilnahme an der Aktion so: „Unsere Regierungskoalition blockiert den notwendigen, demokratischen Wandel und kommt ihrer Verantwortung nicht nach, unser Überleben und das der künftigen Generationen zu schützen.“

Politiker kritisieren die Aktionen der Letzten Generation

Politiker aller großen Parteien verurteilten hingegen die Blockaden der Klimaaktivisten scharf. „Den Verkehr in einer Stadt bewusst und mit voller Absicht lahmzulegen, in dem auch Kranken- und Rettungstransporte, Feuerwehr und Polizei unterwegs sind, ist rücksichtslos und unverantwortlich“, sagte der Fraktionsvorsitzende der SPD in der Bürgerschaft, Dirk Kienscherf, dem Abendblatt. Die wiederholten Störaktionen seien allein auf das Verursachen von wirtschaftlichem und anderem Schaden ausgelegt und brächten so auch sonst aufgeschlossene Menschen gegen notwendige Maßnahmen zum Klimaschutz auf. „Wir erwarten, dass jetzt mit allen juristischen Mitteln, einschließlich Schadensersatzforderungen, gegen die Letzte Generation vorgegangen wird.“

„Wir haben in den letzten Wochen wiederholt betont, dass wir für die zunehmend eskalierenden Aktionen der Letzten Generationen kein Verständnis haben“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Dominik Lorenzen. „Wer so rücksichtslos handelt, setzt die gesellschaftliche Unterstützung für Klimaschutz aufs Spiel. So wird kein Gramm zusätzlich an CO2 eingespart und das Verständnis für die eigentlich nachvollziehbaren Sorgen wird auch nicht größer.“ Für gute Klimapolitik brauche es einen gesunden Diskurs und breite Mehrheiten. „Derart destruktives Verhalten im Feiertagsverkehr bringt daher niemanden nach vorne.“

CDU Hamburg spricht von „Klima-Chaoten“

„Es reicht“, meint auch der Vorsitzende der CDU-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft, Dennis Thering. „Rund um Hamburg haben die Klima-Chaoten 30 Kilometer Stau verursacht, das ist vorsätzliche Klimaverschmutzung und schadet uns allen.“ Die Einsatzkosten müssten den Protestlern vollständig in Rechnung gestellt werden.

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Am 21. März hatten im Hamburger Rathaus Gespräche zwischen SPD und Grünen sowie Angehörigen der Letzten Generation stattgefunden. Dem vorangegangen war ein Brief der Letzten Generation an Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sowie mehrere Bürgerschafts-Fraktionsvorsitzende.

Klimaaktivisten der Letzten Generation blockierten am Donnerstag mehrere Verkehrsknotenpunkte in Hamburg
Klimaaktivisten der Letzten Generation blockierten am Donnerstag mehrere Verkehrsknotenpunkte in Hamburg © André Lenthe | André Lenthe

Die Aktivisten verlangten darin, die Forderung nach Bildung eines Gesellschaftsrates zur Lösung der Klimakrise zu unterstützen. Sie setzten ein Ultimatum bis zum 13. März und drohten mit Störaktionen. Es folgten mehrere Klimaproteste und Blockaden.

Ein weiterer Gesprächstermin Ende März wurde vom rot-grünen Senat abgesagt, nachdem die Aktivisten kurz vor dem Besuch von König Charles einen Farbanschlag auf das Hamburger Rathaus verübt hatten. Die Initiative diskreditiere sich auf diese Weise als seriöser Gesprächspartner, hatte Bürgermeister Tschentscher erklärt.