Hamburg. Gunter Keßler aus der Pfalz gelingt es, in seinen Weinen den Geschmack der Region einzufangen – vom Gutswein bis zum Premiumprodukt.

Um ihren Kunden die Suche nach dem richtigen Wein zu erleichtern, haben sich deutsche Winzer eine Klassifizierung ausgedacht, die sich an der des französischen Burgunds orientiert. Die Weine werden nach ihrer Herkunft und Qualität in vier Kategorien eingeteilt.

Vier Flaschen: Warum es nicht immer ein Großes Gewächs sein muss

Der Gutswein ist der Einstiegswein jedes Winzers, vielleicht könnte man ihn auch seine Hausmarke nennen. Der Ortswein ist die Klasse direkt darüber, alle Reben, die hier verwendet werden, müssen aus einem bestimmten Ort kommen (aber nicht zwangsläufig von einem Weingut).

Die dritthöchste Liga ist der sogenannte Lagenwein, heißt: Die Reben, die für diese Weine verwendet werden, stammen von einem klar definierten Weinberg. Und schließlich gibt es das Große Gewächs, kurz GG, die höchste Klasse. Hierfür dürfen, vereinfacht gesagt, nur die besten Reben aus einer Lage genutzt werden.

Das Problem: Wenn überhaupt, findet man die vier genannten Bezeichnungen, nur sehr klein auf den Etiketten von Weinflaschen, und außerhalb der Weinwelt können die wenigstens etwas damit anfangen. „Man hat versucht, den Kunden bei der Auswahl eines Weines zu helfen, aber das ist leider nur mittelmäßig gelungen“, sagt Michael Kutej. Der Weinkenner, Inhaber der Hanse-Lounge am Hamburger Rathaus, will deshalb in dieser Folge unserer Reihe „Vier Flaschen“ die Klassifikation an Beispielweinen erklären, die von einem seiner Lieblingswinzer aus der Pfalz kommen.

Auf dem Weingut Münzhof in der Pfalz wird Burgunder und Chardonnay angebaut

Gunter Keßler betreibt dort mit seinem Sohn Friedrich das Weingut Münzberg, das auf einer Fläche von 18 Hektar vor allem Weißweine (80 Prozent) anbaut und sich der Burgunder-Familie verschrieben hat. Wobei Keßler neben Grau- und Weißburgunder und Spätburgunder auch Chardonnay dazuzählt: „Wir wollen, dass man aus jedem unserer Weine die Herkunft herausschmeckt“, sagt er, und dass er deshalb die Einteilung von Ortswein bis Großes Gewächs gut fände.

Region käme bei ihm vor Frucht, was für Apfelsaftschorlentrinker Axel Leonhard, der zusammen mit Rieslingliebhaber Lars Haider und Kutej alle zwei Wochen „Vier Flaschen“ probiert, eine mittelgute Nachricht ist: Leonhard liebt eher süße und fruchtige Weine, und die, um die es heute geht, sind eher trocken, haben sehr wenig Zucker und auch relativ wenig Alkohol.

Auch Ortsweine können Kennern sehr gut schmecken

Los geht es mit dem Grauen Burgunder Godramstein Kalkmergel aus dem Jahr 2021, einem Ortswein, der fast kupferfarben ist und das Vorurteil widerlegt, dass bei den „Vier Flaschen“ seit mehr als 90 Folgen gepflegt wird. „Dieser Grauburgunder ist das Gegenteil von beliebig“, sagt Haider, Kutej geht sogar noch weiter: „Ich könnte diese Flasche jetzt komplett austrinken“, sagt er.

Und dass das auch daran liege, dass der Zuckergehalt so niedrig sein. Etwas, das nicht nur Leonhard, sondern auch viele andere klassische Grauburgunderliebhaber stören dürfte. Denn es sei oft und gerade der Zucker, der diese Rebsorte so beliebt mache, so Kutej.

Vom Grauen zum Weißen Burgunder, dem Godramstein Löß-Lehm, ebenfalls aus 2021, ebenfalls ein Ortswein. Der schmeckt wie eine Ananas, die man in Salz eingelegt hat, wobei auch hier das Salz im Vordergrund steht, und nicht die Frucht, „das ist nun einmal unsere Stilistik“, sagt Kessler. Kutej hat sogar „etwas Rauchiges, Speckiges“ auf der Zunge.

Die Lagerung im Holzfass sorgt beim Premium-Weißburgunder für Cremigkeit und Karamellgeschmack

Flasche drei bietet sich für einen direkten Vergleich an. Erneut geht es um einen Weißen Burgunder, der Schlangenpfiff Münzberg aus dem Jahr 2020 spielt aber in der ersten Liga, ist also ein Großes Gewächs (und kostet mit 26,90 Euro zwölf Euro mehr als Flasche Nummer zwei).

Auf dem Etikett fehlt der Name übrigens, stattdessen sieht man eine Schlange, die pfeift. Vor Jahren ist Keßler offiziell verboten worden, die Bezeichnung Schlangenpfiff auf der Flasche zu verwenden, ansonsten darf der Wein aber weiter so heißen…

Wie gesagt: Wenn es um Namen und Klassifizierungen geht, neigt die deutsche Weinwelt dazu, es sich und ihren Kunden schwer zu machen. Dem Großen Gewächs schmeckt man die Pfälzer Eiche an, also das Holzfass, in dem er gelagert wurde, der cremig und leicht süße Karamellgeschmack bleibt, um Kutej zu zitieren, „irre lange“. Gunter Keßler glaubt, dass der perfekte Zeitpunkt, um den Wein zu trinken, noch nicht gekommen ist: „Der wird in ein, zwei Jahren am schönsten sein.“

Der Chardonnay, ein Lagenwein, ist preislich auf dem Niveau wie das Große Gewächs vom Weißburgunder

Das gilt auch für den Chardonnay Godramsteiner Stahlbühl in Flasche Nummer vier, dabei stammt der aus dem Jahr 2018, ist also noch mal zwei Jahre älter als der Weiße Burgunder. Erst seit 1992 darf Chardonnay in Deutschland angebaut werden, „wir haben das von Anfang an gemacht, weil wir finden, dass die Rebsorte zu der Burgunder-Familie passt“, sagt Keßler.

Wieder gibt das neue Holz, in dem der Wein gelagert wurde, ihm den Geschmack von Karamell, dazu kommen Honig und Litschi, fast möchte man von einer leichten, exotischen Note sprechen, die hier aus der Pfalz mitgeliefert wird. Ist dieser Wein jetzt schlechter als das Große Gewächs? Schwer zu sagen, fest steht: Er wird eine Liga darunter angesiedelt, bei den Lagenweinen, kostet aber genauso viel.

Vier Flaschen: Warum es nicht immer ein Großes Gewächs sein muss

Die „Vier Flaschen“ können Sie sich jederzeit auch unter www.abendblatt.de/podcast anhören oder auf dem Youtube-Kanal des Hamburger Abendblatts ansehen. Im Wechsel mit der bekannten, etwa 90 Minuten langen Folge gibt es alle zwei Wochen eine schnelle Variante: In maximal 9:59 Minuten testen Kutej, Haider und Leonhard eine Flasche Wein, die unter zehn Euro kosten muss, und die am Ende mit Punkten von eins bis zehn bewertet wird.