Hamburg. Model Bennet Behnke über alte Klischees von Männlichkeit und darüber, wie es sich anfühlt, als Mann weniger zu verdienen.
Schaut man sich Bennet Behnkes Instagram-Profil an, könnte man fast meinen, die Modelwelt hätte sich im Laufe der vergangenen Jahrzehnte kaum verändert. Mal steht Behnke in einem blau-weißen, weit aufgeknöpftem Hemd und weißer Leinenhose am Strand und schaut mit seinen braunen vollen Locken in die Ferne.
Models in Hamburg: Mit TikTok und Instagram zum Supermodel?
Ein anderes Mal sieht man den Hamburger mit einem weißen Handtuch um den Lendenbereich bekleidet vor einer cremefarbenen frei stehenden Badewanne bedächtig auf den Boden schauen. „Würdet ihr lieber nur noch baden können oder nur noch kalt duschen?“, heißt es da unter seinem Post.
Und tatsächlich: Blickt man auf die Gehaltsstrukturen männlicher und weiblicher Models, hat sich hier so gut wie nichts verändert. Nach wie vor verdienen Männer weitaus weniger als ihre weiblichen Kolleginnen. Auch der Weg hin zum Super-Model ist für Männer immer noch viel schwieriger.
Das sagt zumindest Marco Sinervo, der die Hamburger Modelagentur MGM Models betreibt und auf über 20 Jahre Erfahrung in der Branche zurückblickt. Doch warum genau ist das eigentlich so und was braucht es, um heutzutage als Männermodel durchstarten zu können?
Immer noch gibt es Vorurteile über Männer, die sich pflegen
Darüber und weshalb dieser Eindruck nur die halbe Wahrheit ist, sprechen Sinervo und Behnke in einer neuen Folge des Abendblattpodcasts „Drama, Baby!“. So langsam scheint sich das Business nämlich auch für Männer zu ändern – zum Positiven, wie Bennet Behnke findet.
Behnke, der durch einen Straßenscout zum Modeln kam und eigentlich studierter Betriebswirt ist, verrät: „Wenn man als Mann aufs Aussehen achtet, gilt man unter vielen entweder als arrogant oder schwul.“ Das widerstrebt dem 22-Jährigen allerdings, wie er sagt: „Ich habe keine Ahnung, woher das kommt und finde diese Ansicht auch nicht mehr zeitgemäß.“
Mit Social Media gegen alte Stereotype
Mit seinem Social-Media-Auftritt versucht der Hamburger deshalb, diesem Klischee entgegenzuwirken. Neben Poserfotos mit neuen modischen Trends finden sich auch ernste, nachdenkliche Bilder auf Behnkes Profil. So etwa ein Foto, auf dem das Model perlmuttfarbene Perlen im Gesicht trägt und „Männlichkeit“ in der Bildunterschrift thematisiert.
„Es ist egal, was du trägst, wen du liebst, wie du dich verhältst. Wenn du mit dir selbst im Reinen bist – dir deiner Rolle sicher bist, dann höre nicht auf das, was andere denken und sagen. Sie sind es, die unsicher sind und sich an veralteten Stereotypen festklammern. Das ist für mich wahre Männlichkeit“, heißt es da etwa.
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Und die Reaktionen der Nutzerinnen und Nutzer? „Ich habe so viel positive Resonanz auf diesen Post bekommen. Genau deshalb gebe ich auch meine Meinung weiterhin laut an die Follower heraus“, sagt Behnke.
Fast ironisch wirkt deshalb Behnkes Auftritt auf der Videoplattform TikTok: In kurzen Videos gibt das Model dort auf humorvolle Art und Weise Beziehungstipps. Und das scheint bei den Nutzerinnen und Nutzern der Plattform anzukommen: Fast 270.000 Follower schauen sich Behnkes täglich erscheinende Videos, sogenannte Reels an. Dass Behnkes Social-Media-Aktivitäten nicht bloßer Zeitvertreib sind, sondern fast eine Notwendigkeit, um es überhaupt auf dem Markt nach oben zu schaffen, weiß auch Marco Sinervo.
Modewelt immer noch frauendominiert
„Dadurch, dass die Modewelt immer noch so frauendominiert ist, gibt es einfach viel weniger Männermodels in diesem Business.“ Plattformen wie TikTok und Instagram aber, geben Männern die Chance, mehr Sichtbarkeit zu erhalten, ihren Marktwert zu steigern und „so etwas wie einen Supermodel-Status überhaupt zu erreichen“.
Ob Behnke einen Job bekomme und zu welchem Lohn, werde beispielsweise auch durch seine Followeranzahl beeinflusst, sagt das Model. Und nicht nur das: Selbst die Follower-Anzahl auf den verschiedenen Plattformen haben einen unterschiedlichen Wert.
Instagram-Follower seien beispielsweise mehr wert als TikTok-Follower. „Das liegt daran, dass Instagram im Gegensatz zu TikTok primär eine Foto-Plattform ist. Da geht es viel um Aussehen und Ästhetik.“ Bei TikTok, so Behnke, verbringe man meist nur wenige Sekunden mit einem einzigen Video. Da sei die Aufmerksamkeitsspanne einfach kürzer.
Kosmetik für Männer
Dass Aussehen und Ästhetik bei Männern immer mehr an Bedeutung gewinnt, zeigt sich etwa daran, dass große Modemarken nun dazu übergehen, speziell Kosmetik für Männer zu produzieren, sagt Sinervo. „Also der Markt mit Kosmetik für Männer wie etwa Concealer boomt gerade total.“
Deshalb, so der Agentur-Betreiber, steige die Nachfrage nach männlichen Models auch. Um zehn bis 15 Prozent sei die Nachfrage nach männlichen Models in den vergangenen zwei Jahren in seiner Agentur gestiegen. Zwar sei das Verhältnis von 30 zu 70 Prozent Männern gegenüber Frauen unter den Models immer noch im starken Ungleichgewicht, doch sei ein deutlicher Wandel spürbar, so Sinervo.
Auch Behnke spürt, dass insbesondere Hautpflegeprodukte bei Männern im Kommen sind. „Ich glaube, viele Männer trauen sich vielleicht noch nicht.“ Für das Model sei es mittlerweile jedoch bereits Alltag einen Abdeckstift zu nutzen. „Warum auch nicht?“
Außerdem, kämen aus seiner Followerschaft allmählich immer mehr Fragen wie: „Wie pflegst du deine Haut?“, oder „Wie machst du deine Haare und was für Produkte benutzt du?“ Laut Behnke sei ganz klar erkennbar, dass sich immer mehr Männer für Kosmetik interessierten.
Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen
Doch mit der Nachfrage steigt nicht unbedingt das Gehalt. Noch immer verdienen Männer gegenüber ihren weiblichen Kolleginnen deutlich weniger Geld. Woran das liegt, kann auch Sinervo nicht erklären. „Es ist extrem schwer, Männer auch teurer zu verkaufen, wenn sie Karriere machen. Bei einer Frau scheint es für die Kunden irgendwie nachvollziehbarer zu sein“, sagt der Agentur-Betreiber.
Doch Behnke stört dieser Aspekt kaum, denn er findet, dies sei „immer noch Klagen auf hohem Niveau.“ Natürlich fühle es sich etwas „komisch“ an, zu wissen, dass eine Kollegin für dieselbe Arbeit mehr Geld erhalte.
Der 22-Jährige sei aber mit seinen bisherigen Gagen immer zufrieden gewesen. „Die Frauen sind auch meistens viel länger in der Maske als ich und es bedarf viel mehr Aufwand und Vorbereitung, weil Kleider zum Beispiel abgesteckt werden.“ Noch nie habe sich Behnke deshalb ungerecht behandelt gefühlt, so das Model.
Deutlich längere Karrieren für Männer
Ein Aspekt, der Männermodels beim Gehaltsunterschied jedoch trösten dürfte, ist, die „Halbwertzeit“, wie Sinervo sagt. Im Gegensatz zu Frauen sei diese bei männlichen Models deutlich länger: „Männer kriegen auch noch bis 45 ganz gute Aufträge und werden oftmals noch für große Kampagnen gebucht.“
Bei Frauen hingegen endet eine Karriere in der Regel bei spätestens Mitte 30. Ob sich womöglich auch hier Änderungen ergeben, diskutierte Sinervo bereits in einer früheren Folge von „Drama, Baby!“ mit dem Best Ager-Model Susanne Böhm.