Hamburg. Nicht nur für Gletschermumie Ötzi war ein Schuss in den Rücken folgenschwer. In Hamburg verletzte ein Drogendealer einen Kontrahenten tödlich.
Der Mann ahnt nicht, dass er in Lebensgefahr schwebt. Gerade hat er eine ausgiebige Mahlzeit eingenommen – als sich sein Feind von hinten anpirscht. Der Verfolger spannt seinen Bogen, visiert sein Ziel an und schießt. Ein Pfeil trifft den arglosen Mann von rückwärts in der linken Schulter.
„Für das Opfer fühlt sich die Verletzung im ersten Moment wie ein Schlag an“, sagt Rechtsmediziner Klaus Püschel im Abendblatt-Crime-Podcast „Dem Tod auf der Spur“ mit Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher. „Das ist recht typisch, wenn jemand durch einen Pfeil getroffen wird. Dann aber spürt das Opfer einen brennenden Schmerz. Blut sickert aus der Wunde. Keuchend fällt der Mann zu Boden. Er hat nicht mehr lange zu leben.“
True Crime: Tödliche Pfeile – Wenn die Armbrust zur Mordwaffe wird
Mehr als fünftausend Jahre liegt dieses Verbrechen mittlerweile zurück. Es ist ein Mord, der bis heute Rätsel aufgibt, sagt Mittelacher. Und zugleich gibt es kaum einen Fall, an dem über viele Jahre so intensiv geforscht wurde.
Ötzi, die Gletschermumie aus den Ötztaler Alpen, ist einer der berühmtesten Toten weltweit. Noch immer ist nicht eindeutig geklärt, wie das Opfer genau umgekommen ist. Und sein Mörder? Unbekannt. „Der Fall birgt tatsächlich noch viele Geheimnisse“, meint Püschel. „Aber nachgewiesen ist, das Ötzi hinterrücks von einem Pfeil getroffen wurde. Es ist eine mit großer Sorgfalt gefertigte Waffe. Ein Instrument zum Morden.“
Uh, das klingt schaurig!, findet Mittelacher. Aber ähnlich spannend sind weitere Fälle aus vergangenen Zeiten. Wer sich mit dem Tod durch Pfeile beschäftigt, stößt auf etliche hoch interessante Fälle von der Frühzeit bis heute. Mit diesen Waffen wurde Kriege entschieden, Könige getötet, Suizide begangen, dramatische Unglücke ausgelöst und heimtückische Morde verübt.
Bis heute kursieren verschiedene Theorien über Ötzis Tod
„Bis heute gilt Ötzi als die am besten erhaltene Gletschermumie überhaupt“, sagt Püschel. „Sie wurde 1991 von Wanderern entdeckt. Der Tod von Ötzi wurde auf die Zeit zwischen 3359 und 3105 vor Christus datiert. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass der Mann möglicherweise an einem Schädeltrauma verstarb.
Dem vorangegangen ist die Verwundung durch eine Pfeilspitze, die in sein Schulterblatt eindrang.“ Und dass es sich um die Waffe eines Verfolger handelt, so die Gerichtsreporterin, ergibt sich dadurch, dass sich die Pfeilspitze von den beiden Pfeilspitzen aus Ötzis Köcher unterscheidet.
„Die Pfeilspitze verletzte beim Eindringen in den Körper die rückseitige Wand der linken Unterschlüsselbeinarterie. Eine der wahrscheinlichsten Theorien ist, dass Ötzi durch die Verletzung so geschwächt war, dass er stürzte und sich das Schädelhirntrauma zuzog“, fasst Püschel zusammen.
Es gibt aber auch andere Theorien, von denen keine zweifelsfrei ausgeschlossen werden konnte, oder?, will Mittelacher wissen. „Ja, allerdings. Der Tod könnte unmittelbare Folge der arteriellen Blutung oder der Verletzung einer Vene sein“, meint Püschel. „Ein sicherer Nachweis, welche dieser Theorien die richtige ist, steht bis heute aus.“
Drei Tote und eine Armbrust gaben der Polizei in Passau Rätsel auf
Eindeutige Erkenntnisse gibt es indes in einem spektakulären Fall aus jüngster Vergangenheit, der der Polizei zunächst viele Rätsel aufgegeben hat. Am 11. Mai 2019 finden Mitarbeiter einer Pension im bayerischen Passau drei Tote.
In den Leichen der 30 und 33 Jahre alten Frauen sowie des 53 Jahre alten Mannes stecken Armbrust-Pfeile. „Ermittlungen ergaben, dass die 30-Jährige zunächst die beiden anderen Personen getötet und dann die Waffe gegen sich selbst gerichtet hat“, erklärt Püschel. „Die beiden Opfer waren zuvor mit K.o.-Tropfen betäubt worden.“
Nach der Theorie der Ermittler wollten alle drei den Tod, fasst Mittelacher zusammen. Und eine aus dem Trio hat es übernommen, die anderen beiden umzubringen. „In der Wohnung der 30-Jährigen im Landkreis Gifhorn fand die Polizei wenig später zwei weitere Frauenleichen“, so Püschel.
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True Crime: Tödliche Pfeile – Wenn die Armbrust zur Mordwaffe wird
„Auch hier stellte sich heraus, dass es sich um Selbsttötungen handelte. Analysen des Blutes der Opfer ergaben, das die Frauen einen tödlichen Medikamentencocktail zu sich genommen hatten. Die fünf Toten gehörten den Ermittlern zufolge zu einer sektenähnlichen Gruppe. Sie sahen sich laut Ermittlungen, als ,Welterneuerer und Welterschaffer’.“ Das klingt reichlich befremdlich, meint die Gerichtsreporterin.
Aber es sind weitere Fälle von Pfeilschussverletzungen bekannt. Auch in der Hamburger Rechtsmedizin sind eine Reihe von Pfeilschüssen untersucht worden. Welche Erkenntnisse sind da gewonnen wurden? „Meist handelte es sich um Verletzungen mittels Armbrust, entweder als Unfall beim Hantieren mit der Waffe oder als bewusste Selbstverletzung“, erinnert sich Püschel.
„Außerdem gab es zwei Tötungsdelikte. In einem davon wurde ein 39-jähriger Mann tot aufgefunden. Eine Schussverletzung im Brustkorb war offensichtlich. Später stellte sich heraus, dass Täter, Opfer und ebenso die Zeugen in einen Drogendeal verwickelt waren. Als Täter wurde ein 19-Jähriger ermittelt, der selbst Drogenhändler war. Er erhielt zehn Jahre Gefängnis wegen Mordes.“