Hamburg. Nach dem Amoklauf in Hamburg kamen Hunderte Menschen zum ökumenischen Gottesdienst. Um den hatte es zuvor Ärger gegeben.
Kann es Trost geben nach dieser Tragödie? Viele Gläubige fragten sich, wo Gott gewesen ist bei dem Amoklauf von Alsterdorf, sagte Hamburgs Bischöfin Kirsten Fehrs am späten Sonntagnachmittag in der Hauptkirche St. Petri, wo sich gut 250 Menschen im Gedenken versammelt hatten.
´„Gott war da“, fuhr die Bischöfin fort. „In Ihnen, die mit Herz und Hingabe Leib und Leben riskiert haben, um noch Schlimmeres zu verhüten“, sagte Fehrs gerichtet an Polizisten, die am Abend des 9. März kurz nach den ersten Alarmrufen an dem Gebetshaus eintrafen, in dem der 35 Jahre alte Philipp F., früher ein Anhänger der Zeugen Jehovas, unter Mitgliedern seiner ehemaligen Gemeinde wütete.
Gott zeige sich auch in jenen, die am Tatort „Wunden verbunden, Tote geborgen, Erschrockene umarmt, Nachbarn beruhigt haben“, sagte Fehrs in ihrer Predigt. All die Beamten, Sanitäter, Ärztinnen und Notfallseelsorger seien „wie Licht in der Nacht und Trost in aller Untröstlichkeit“.
Es gehe darum, nicht das Vertrauen zu verlieren, „dass das Böse durch das Gute überwunden werden kann“, appellierte Fehrs an die Menschen in St. Petri, unter ihnen Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit und Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (beide SPD), die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne), Finanzsenator Andreas Dressel und Innensenator Andy Grote (beide SPD), Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) und Hamburgs Polizeipräsident Ralf Martin Meyer.
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Symbolisch wurden in der Kirche vier Kerzen angezündet: für die Opfer und Angehörigen, für die Nachbarschaft, für die Einsatzkräfte und für den Frieden. „Eine ganze Stadt trauert“, sagte Fehrs. „Voller Mitgefühl mit den Angehörigen der Getöteten und den Verletzten stehen wir hier gemeinsam, um dieser Trauer einen Ort zu geben – und eine aufrichtige Sprache.“
Nach Amoklauf: Zeugen Jehovas zunächst verärgert über Trauerfeier
Zu dem ökumenischen Gottesdienst eingeladen hatten die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Hamburg, das Erzbistum Hamburg und die Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland. Das Gedenken solle und könne eine Trauerfeier der Zeugen Jehovas nicht ersetzen, hieß es. „Die christlichen Kirchen kennen aber die Tradition der Fürbitte für andere“, erklärten die Veranstalter.
Zu Ärger war es gekommen, weil die Nachricht von der Planung des kirchlichen Gedenkens die Zeugen Jehovas wohl erst erreichte, als Senatssprecher Marcel Schweitzer den Termin während der Landespressekonferenz am vergangenen Dienstag schon verkündete.
Michael Tsifidaris, Regionalbeauftragter der Zeugen Jehovas in Norddeutschland, zeigte sich empört, dass seine Gemeinschaft nicht vorab informiert oder eingebunden war. Später sprach Tsifidaris von einer „Kommunikationspanne“. Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen erklärte, es habe ein Gesprächsangebot an die Zeugen Jehovas gegeben.
Zeugen Jehovas planen eigene Trauerfeier in zwei Wochen
Am Freitag sagte Tsifidaris gegenüber dem NDR, die Zeugen Jehovas begrüßten den ökumenischen Gottesdienst. „Wir schätzen es, wenn Kirchen oder andere Institutionen in unserem Land ein Zeichen der Solidarität und der Anteilnahme zeigen. Wir freuen uns, dass wir auf diese Weise auch spüren, dass es eine gesellschaftliche Unterstützung dieser Menschen gibt.“
Gleichwohl planten die Zeugen Jehovas eine eigene Trauerfeier am übernächsten Wochenende, um „dem Wunsch der Angehörigen und dem Gedenken der Opfer gerecht zu werden“. Dazu liefen Gespräche mit der Stadt. „Und wir werden auch Wege finden, wie auch die breitere Öffentlichkeit auf diese Weise Anteil nehmen kann“, sagte Tsifidaris.
Ein mit dem Amoklauf vergleichbares Verbrechen hat es in der Nachkriegsgeschichte der Hansestadt nicht gegeben. Philipp F. hatte mit einer halbautomatischen Pistole auf Gläubige im Königreichssaal der Winterhuder Gemeinde der Zeugen Jehovas an der Deelböge in Alsterdorf gefeuert.
Er tötete sieben Menschen, unter ihnen ein ungeborenes Kind, verletzte neun Menschen, acht von ihnen schwer, und brachte sich anschließend selbst um. Am Freitag erklärte Sprecher Michael Tsifidaris, die acht Schwerverletzten seien nicht mehr in Lebensgefahr.
Im Hamburger Rathaus liegt noch bis Sonnabend ein Kondolenzbuch aus
Bei dem ökumenischen Gedenken am Sonntag hob Hamburgs Erzbischof Stefan Heße hervor, dass die Opfer auch „Nachbarinnen und Nachbarn, Freundinnen und Freunde, Kolleginnen und Kollegen“ waren. Die Andacht biete eine Gelegenheit, Angst, Trauer, Fassungslosigkeit und Schmerz vor Gott zu bringen. „Mir ist dabei wichtig, dass wir nach all dem Geschehenen die Hoffnung auf eine friedlichere Welt nicht aufgeben“, sagte Heße. „Je unüberwindbarer die Schwierigkeiten und je düsterer die Aussichten auf Sicherheit und Frieden erscheinen, umso eindringlicher muss unser Gebet sein und umso mehr müssen wir in dieser Stadt zusammenstehen.“
Im Rathaus liegt bis zum kommenden Sonnabend, 25. März, ein Kondolenzbuch aus. Darin können Hamburgerinnen und Hamburger ihre Anteilnahme noch ausdrücken. Das Kondolenzbuch soll anschließend den Angehörigen der Opfer übergeben werden.