Hamburg. Bei jedem fünften Unfall mit dem Roller ist Alkohol im Spiel. Kliniken erwarten zum Frühjahr mehr Verletzte. Welche Strafen drohen.

Die Zahl der Unfälle mit E-Scootern hat sich in Hamburg innerhalb von zwei Jahren fast vervierfacht. Waren im Jahr 2020 noch 222 dieser elektrisch angetriebenen Tretroller in einem Unfall verwickelt, registrierte die Polizei im vergangenen Jahr 858. Das geht aus der aktuellen Verkehrssicherheitsbilanz hervor, über die das Abendblatt bereits berichtete.

Ein Polizeisprecher begründet den Anstieg vor allem mit der erheblichen Zunahme der Elektrokleinstfahrzeuge im Leih-Betrieb. Mittlerweile ist deren Anzahl auf circa 23.000 Fahrzeuge in der Hansestadt gewachsen.

E-Scooter in Hamburg – die meisten Unfälle im Zentrum

Die meisten Unfälle mit E-Scootern ereigneten sich in zentrumsnahen Stadtteilen. An der Spitze stehen Hamburg-Altstadt mit 37 Unfällen im Jahr 2022, Eimsbüttel (35) und St. Pauli (32); die wenigsten gab es zum Beispiel in Sinstorf, Ohlsdorf und Nienstedten.

Bei jedem fünften E-Scooter-Unfall ist Alkohol im Spiel. Von allen in 2022 eingeleiteten Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren beim Führen eines Kraftfahrzeuges unter dem Einfluss von Alkohol verantworten E-Scooter-Nutzer einen Anteil von 33 Prozent. „Betrachtet man den geringen Anteil von E-Scootern am Gesamtverkehrsgeschehen und zieht man diese Informationen mit ein, lässt sich feststellen, dass ein Elektrokleinstfahrzeug überdurchschnittlich häufig unter dem Einfluss berauschender Mittel geführt werden“, betonte der Polizeisprecher.

E-Scooter: In falscher Richtung auf Radweg – ab 20 Euro Bußgeld

Neben Alkoholfahrten gehört der Zusammenstoß mit einem Fahrzeug, das einbiegt oder kreuzt, zu den häufigsten Unfallursachen, in denen die Tretroller verwickelt sind. Dazu kommen „Geisterfahrer“, die auf Radwegen in entgegengesetzter Richtung unterwegs sind (Bußgeld: ab 20 Euro.) Weitere Unfallursachen sind Zusammenstöße mit Fußgängern und mit Fahrzeugen, die plötzlich losfahren oder im ruhenden Verkehr stehen, das Fahren in Fußgängerzonen und Rotlichtverstöße.

Erst in der vergangenen Woche kollidierten eine Autofahrer und ein 41 Jahre alter Scooter-Lenker auf dem Carl-Petersen-Straße. Während der Hyundai auf den Sievekingdamm abbiegen wollte, kam der Scooter ihm auf dem Radweg in entgegengesetzter Richtung entgegen, was nicht erlaubt ist. Der 41-jährige Fahrer wurde schwer verletzt.

Ärztin erwartet zum Frühjahr mehr verletzte E-Scooter-Fahrer

Mit der beginnenden Frühlingszeit dürften diese Fahrzeuge wieder häufiger genutzt werden. Die Krankenhäuser erwarten deshalb, dass verstärkt Unfallpatienten eingeliefert werden. Julia Ehrlich arbeitet als Ärztin in der Abteilung Unfallchirurgie, Orthopädie und Sportorthopädie in der Asklepios Klinik St. Georg und hat zahlreiche E-Scooter-Fahrer nach Stürzen medizinisch behandelt.

„Die meisten Unfälle ereignen sich aufgrund von übersehenen Bordsteinkanten oder Kollisionen mit anderen Verkehrsteilnehmern oder Fußgängern“, sagt sie. Häufig würden E-Scooter auch fehlerhaft genutzt, gerade im alkoholisierten Zustand oder zu zweit auf dem Tretroller.

Unfälle mit E-Scootern: Mediziner sehen oft Schädelverletzungen

Die Unfallfolgen können je nach Geschwindigkeit und Unfallmechanismus von einfachen Prellungen bis zu schwerwiegenden Verletzungen reichen. Da in den meisten Fällen keine Helme getragen würden, ließen sich besonders häufig Schädelverletzungen oder Verletzungen des Mittelgesichtes feststellen. Ebenfalls treten in vielen Fällen Brüche der Extremitäten, wie beispielsweise Brüche des Sprunggelenkes, des Handgelenkes oder des Oberschenkels auf. Auch schwerwiegende Weichteilverletzungen sind Begleiterscheinungen der Sturzereignisse.

Eine Helmpflicht besteht für Elektrotretroller nicht, das Tragen eines Helms gilt angesichts dieser Unfallfolgen aber als empfehlenswert. Das Mindestalter für das Fahren liegt bei 14 Jahren (für maximal 25 Stundenkilometer schnelle Fahrzeuge; bei den Verleihern wie Tier beträgt es 18 Jahre).

Auch auf E-Scootern gelten strenge Alkoholgrenzwerte

Für Elektroroller gelten dieselben Alkoholgrenzwerte wie für Autofahrer. Das bedeutet: „Wer mit 0,5 Promille bis 1,09 Promille fährt und keine alkoholbedingte Auffälligkeit zeigt, begeht eine Ordnungswidrigkeit und erhält einen Bußgeldbescheid“, heißt es beim ADAC. In der Regel sind das 500 Euro, ein Monat Fahrverbot und zwei Punkte in Flensburg.

Eine Straftat liegt vor, wenn der Fahrer trotz einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,1 Promille mit dem E-Scooter unterwegs ist. Der ADAC weist nachdrücklich darauf hin, dass für Fahrer unter 21 Jahren und Führerscheinneulinge in der Probezeit die 0,0 Promille-Grenze gilt.

„Ein E-Scooter ist somit definitiv keine Alternative zum Auto, um im berauschten Zustand nach Hause zu fahren“, betont der Polizeisprecher. Um diesem möglichen Irrglauben entgegenzuwirken, setzt die Polizei Hamburg auf zahlreiche präventive Maßnahmen und Aufklärung, aber auch auf konsequente Ahndung von Verstößen. Mit der im vergangenen Jahr initiierten Kampagne „Mobil. Aber sicher!“ wird ein Schwerpunkt der Öffentlichkeitsarbeit gesetzt.

E-Scooter in Hamburg: Kennzeichen sollen Schäden regulieren helfen

Seit dem 1. März gilt auch für E-Scooter ein neues Versicherungsjahr. Seither ist nur noch das schwarze Kennzeichen erlaubt. Wer dann noch mit dem alten grünen fährt, macht sich strafbar und genießt keinen Versicherungsschutz, so der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Neben zwei-, drei- oder vierrädrigen Kleinkrafträdern und motorisierten Krankenfahrstühlen brauchen auch Elektrokleinstfahrzeuge wie etwa E-Tretroller dieses Kennzeichen als Nachweis einer gültigen Kfz-Haftpflichtversicherung. Diese reguliert verursachte Fremdschäden.

Für die Regulierung von Schäden am eigenen Fahrzeug wären zusätzlich Teil- oder Vollkaskoversicherungen nötig. Auch die schnellen S-Pedelecs brauchen ein Kennzeichen. Die Kennzeichen-Pflicht gilt so auch für die schnellen S-Pedelecs, die bis 45 km/h beim Treten unterstützen. Normale Pedelecs bis 25 km/h gelten dagegen als Fahrrad und brauchen daher kein Kennzeichen.