Hamburg. Immobilienentwickler Lothar Schubert arbeitet an drei Großprojekten, die unterschiedlicher kaum sein können. Eines ist einzigartig
Es gibt wohl nicht viele Investoren, die sich in der HafenCity besser auskennen als er. Kurz nachdem Lothar Schubert, zuvor Niederlassungsleiter der Strabag Projektentwicklung, sich 2007 mit Björn Dahler selbstständig gemacht hat, zog ihr neu geschaffenes Unternehmen DC Developments in die HafenCity. Der 55-Meter-Wohnturm Marco Polo Tower, von einigen Hafenrundfahrtskapitänen als „Döner-Spieß“ verulkt, war eines der ersten Projekte in Hamburgs neuem Stadtteil.
Auch das Quartier KPTN mit seinen fünf Gebäuden, die das Astor-Kino und das Hotel Pier Drei beherbergen, haben die Hamburger entwickelt. Derzeit baut das Unternehmen mit seinen 60 Mitarbeitern die Wohnanlage „Eleven Decks“ im südlichen Überseequartier, 470 Wohnungen am Strandkai und die neue VTG-Zentrale im Elbbrückenquartier.
Was wird aus Hamburg? Die HafenCity als Experiment
„Die HafenCity ist ein Standort, an dem man viel bewegen kann“, sagt Lothar Schubert im Podcast „Was wird aus Hamburg?“: „Natürlich benötigt man immer ein bisschen Glück. Das Glück haben wir an den Standorten gehabt.“ Bald geht das Quartier am Strandkai seiner Vollendung entgegen. Dort bewegt DC Developments – im Joint Venture mit Aug. Prien Immobilien – einen dreistelligen Millionenbetrag: Es entstehen gleich zwei Wohntürme mit Luxuswohnungen, welche die Silhouette der HafenCity prägen werden. Der eine Turm FiftyNine, entworfen von Hadi Teherani, bietet 76 Apartments in Größen von 54 bis 430 Quadratmeter, der andere Wohnturm The Crown ist eine Idee des Düsseldorfer Büros Ingenhoven.
„Die Penthäuser sind mehr als 300 Quadratmeter groß – der Strandkai ist für solche Immobilien einer der besten Standorte in Deutschland“, sagt Schubert. Der Blick aus den Wohnzimmern fällt auf
Elbe, Elbphilharmonie und den Michel. „Das Luxussegment ist das, was zurzeit von allen Wohnungen, die verkauft werden, am besten funktioniert“, so der 51-Jährige. Die überwiegende Zahl der Käufer kommt aus dem Inland, die Mehrheit aus Hamburg und der Metropolregion. „Wir beobachten, dass viele jetzt aus anderen Stadtteilen in die HafenCity ziehen. Das war vor einigen Jahren noch ganz anders. Bei den ersten Bauprojekten war der Prozentsatz der Hamburger verschwindend gering. Sie haben erst einmal abgewartet und geguckt, was da hinter der Speicherstadt entsteht. Durch die Attraktivität der HafenCity ziehen inzwischen viele aus Eppendorf auf den Strandkai.“ Das dürften die Planer als Bestätigung verstehen.
Hamburger HafenCity soll kein Reichenviertel werden
Doch die HafenCity soll kein Reichenviertel werden: DC Developments realisiert am Strandkai in unmittelbarer Nähe zu den Luxustürmen 147 Mietwohnungen, hinzu kommen 175 Mietwohnungen, die drei Genossenschaften preisgedämpft bauen. Die Krise im Immobilienbereich spüren alle: „Die Käuferschaft ist zurückhaltender geworden, das gilt gerade für Kapitalanleger, die mit einer hohen Fremdkapitalquote investiert haben. Da gehen auch unsere Vertriebszahlen zurück“, sagt Schubert.
Der Strandkai lebt von seinem Mix: Luxuslofts und Genossenschaften, Gastronomie- und Kulturangebote sowie einem öffentlichen Raum, der bis in die Elbe ragt. Der Ehrgeiz ist, mitten in der City ein „Dorf in der Stadt“ zu bauen. „Dorfstrukturen sind ja im Wesentlichen Blickbeziehungen. Man kennt sich, kennt den Einzelhändler. Das ist etwas, was in der HafenCity sehr gut funktioniert, weil alle zusammen etwas aufbauen und jeder neue Baustein ein bisschen mehr Stück Stadt schafft“, erklärt Schubert. „Der ganze Strandkai ist von der Öffentlichkeit durchflutet. An der Spitze des Strandkais gibt es einen öffentlichen Platz. Das ist kein closed shop für Besserverdiener, sondern ein Platz für alle Hamburger.“ Dort ist ein kleines Amphitheater geplant, das die Stadt betreibt und in dem beispielsweise Konzerte stattfinden können.
Inzwischen biete die HafenCity alles, was Stadt ausmacht: „Das ist eigentlich eine Zehn-Minuten-Stadt. Bis auf Feuerwehr und Krankenhaus findet man alles in fußläufiger Entfernung“, sagt Schubert. „So geht vorbildliche Stadtentwicklung und echte Nachhaltigkeit, die viele andere Stadtteile nicht bieten. Hinzu kommen die Wasserflächen und stets eine frische Brise – sie machen die HafenCity so besonders.“
HafenCity: Das Überseequartier soll die nötige Frequenz bringen
Die Erdgeschosslagen sind noch nicht alle vermietet. Schubert: „Die haben es in der HafenCity in den letzten zehn Jahren nicht leicht gehabt. Die Stadtentwicklung verlangt öffentlichkeitswirksame Erdgeschossnutzung, und jeder Projektentwickler wurde dazu verpflichtet.“ Einzelhandel sei stets abhängig von Angebot und Nachfrage. „Wo die Laufkundschaft fehlt, ist es schwierig. Aber das wird sich ändern. wenn das Westfield Hamburg eröffnet.“
Das Überseequartier, das im Frühjahr 2024 fertig sein soll, werde die nötige Frequenz bringen. Mit Wasserblick entstehen am Strandkai zudem Gastronomieflächen. Die Investoren mussten auch Rückschläge hinnehmen. Ursprünglich sollten dort auf 3000 Quadratmetern die Märchenwelten einziehen, eine digitale Märchenausstellung zum Mitmachen. Doch das ambitionierte und hochgelobte Projekt floppte.
„Ursprünglich haben wir für die Märchenwelten gebaut. Gott sei Dank ist das Haus flexibel, sodass wir umdenken können und andere freizeitbezogene Nutzungen unterbringen.“ Das gehe in Richtung Gastronomie, Beauty, Fitness, laut Schubert. „Da führen wir gerade spannende Gespräche.“ Ende des Jahres soll der Strandkai vollendet sein, „vielleicht zieht es sich auch in den Anfang des nächsten Jahres“. Ursprünglich hatten die Investoren schon auf eine Fertigstellung im Jahr 2022 gehofft.
HafenCity: Mit dem Eleven Decks wagt sich DC auf Neuland
Verschiebungen und Verzögerungen haben in der Pandemie fast alle getroffen – auch das Überseequartier kommt rund eineinhalb Jahre später. Dort errichtet DC Developments ein Apartment-Haus mit 306 Wohnungen namens Eleven Decks. Die Apartments sind luxuriös und bescheiden zugleich, weil viele Funktionen in Gemeinschaftsräumen gebündelt werden – es gibt Dachgärten und einen grünen Innenhof mit 2000 Quadratmetern Größe, ein Fitnessstudio, einen Yoga-Raum, Co-Working-Büros, einen Clubraum zum Computerspielen, eine Veranstaltungsküche und eine Grill-Terrasse. „Dort können die Käufer oder Mieter bei Bedarf nutzen, was sie nicht ständig in der Wohnung benötigen. In diese Gemeinschaftsräume mit 600 Quadratmeter Fläche verlängere ich meinen Wohnraum und habe weniger Fixkosten.“
Mit dem Eleven Decks wagt sich DC auf Neuland. „Ich bin ein Freund von Marktanalysen, weil man daraus lernen kann, bevor man Fehler macht. Wir haben aber nirgendwo ein Referenzobjekt für dieses Konzept gefunden.“ Es gebe zwar Wohngemeinschaften, Studentenwohnheime oder Seniorenanlagen. Ein so offenes Konzept wie im Überseequartier jedoch sei einzigartig – und funktioniert offenbar trotz Durchschnittspreisen von 11.600 Euro den Quadratmeter: „Wir haben von diesen Wohnungen schon eine Reihe verkauft. Die Kunden sind urbane Menschen. Es gibt Eltern, die für ihre studierenden Kinder kaufen. Und ältere Leute, die in die Stadt zurückziehen und sich über die großen Grünflächen im Innenhof freuen.“
HafenCity ist stets als Erweiterung der Innenstadt geplant worden
Das Gebäude entsteht über dem Einkaufszentrum. „Das Überseequartier wird ein Magnet werden“, ist sich Schubert sicher. „Es wird dafür sorgen, dass mehr Leute nach Hamburg fahren.“ So müsse die Innenstadt nicht unter dem XXL-Angebot leiden. „Beide Quartiere muss man fußläufig verbinden, um das Zusammengehörigkeitsgefühl zu verstärken. Die HafenCity ist stets als Erweiterung der Innenstadt geplant worden. Wenn das gelingt, wäre das für Hamburg fantastisch, aber auch national und international vorbildlich.“
Schubert sieht das Prestigeprojekt positiv: „Die HafenCity wird international sehr gut vermarktet und genießt einen exzellenten Ruf. Das Konzept gilt als stimmig, auch weil Hamburg die Fehler anderer Metropolen wie etwa London mit den Docklands nicht wiederholt.“ Es sei richtig gewesen, gleich die U-Bahn dort hinzubauen. Eine bessere fußläufige Anbindung an die Innenstadt indes hat Hamburg versäumt.
Tief im Osten des neuen Stadtteils baut DC im Elbbrückenquartier ein nachhaltiges Bürogebäude für das Unternehmen VTG. Das 15 Geschosse hohe Haus soll höchste Standards der Nachhaltigkeit erfüllen, zugleich formuliert Schubert „soziale und gesellschaftliche Aspekte, um dem Nachhaltigkeitsgedanken Ausdruck zu verleihen“. Das Zauberwort der Branche heißt ESG und steht für „Environment, Social and Governance“ – also ökologische, soziale und unternehmerische Verantwortung. Dahinter steckt mehr als PR.
HafenCity Hamburg: Der Elbtower ist umstritten
„Unsere Finanzierungspartner oder Kreditinstitute bewerten uns. Wie in der Schule bekommen die Immobilien und der Investor Noten. Sind die Schulnoten schlecht, ist die Finanzierung teurer oder wird im Zweifel gar nicht gemacht.“ Es gehe aber nicht allein um finanzielle Vorteile, sondern auch um Verantwortung. „Als Immobilienunternehmen sind wir verantwortlich für einen großen Anteil des CO2-Ausstoßes; ihn müssen wir senken. Als Projektentwickler dürfen wir mit privatwirtschaftlichem Risiko die übergeordneten stadtentwicklungspolitischen Ziele in die Tat umsetzen.“ Da sind Innovationen gefragt. So soll der begrünte Innenhof von VTG neun Monate im Jahr auch als Arbeitsort im Grünen nutzbar sein. Zudem werden Materialien verwendet, die zuvor anderswo eingesetzt waren.
„Von der Abbruchbaustelle im Holstenareal kaufen wir die Steine. Das ist zwar teurer, als sich neue Steine brennen zu lassen, aber ein Schritt in Richtung Nachhaltigkeit. Und wir setzen speziellen Beton ein, der bis zu 50 Prozent weniger CO2 ausstößt.“
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Umstrittener ist die Idee des Elbtowers. Der HafenCity-Experte bricht jedoch eine Lanze für den 245 Meter hohen Wolkenkratzer an den Elbbrücken: „Der Elbtower ist ein sehr mutiges Projekt, ein guter Schlusspunkt der HafenCity. Ich bin ein Fan davon und freue mich darauf, eines Tages auf der Dachterrasse zu stehen.“
Schubert meint, dass schon in wenigen Jahren die HafenCity die Wahrnehmung Hamburgs im In- und Ausland prägen wird. „Das ist in Ordnung. Alle Hamburger werden die HafenCity nutzen und stolz auf den Stadtteil sein. Das muss aber nicht bedeuten, dass andere Stadtteile dadurch an Attraktivität verlieren. Vielmehr können alle von der HafenCity lernen – von ihren Ideen, von ihren Konzepten und Experimenten.“