Hamburg. Der Wissenschaftskabarettist Vince Ebert spricht im Abendblatt über Kernkraft, gefährlichen Perfektionismus und Umweltbewusstsein.

Vince Ebert sagt, dass eine Idee, die in der Theorie super klingt, in der Praxis totaler Müll sein kann, er misstraut dem Zeitgeist und schwimmt gern gegen den Strom. Das hat dazu geführt, dass sich der Wissenschaftskabarettist manchmal den Vorwurf gefallen lassen muss, dass mit der Klimawandel nicht wirklich ernst zu nehmen, obwohl genau das Gegenteil der Fall ist – seine Vorschläge um da rauszukommen sind nur andere. In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht Ebert, der am 12. März in Alma Hoppes Lustspielhaus zu Gast ist, über Kernkraft, deutschen Perfektionismus, Wohlstand und Umweltbewusstsein.

Das sagt Vince Ebert über…

… den deutschen Weg in der Klimakrise:

„Ich bin als Physiker kein Klimawandel-Leugner, natürlich müssen wir Deutschen im Rahmen unserer Möglichkeiten versuchen, die Erderwärmung und unseren Kohlendioxidausstoß zu reduzieren. Wenn man aber gleichzeitig sieht, wie die großen Schwellenländer in den vergangenen Jahren ihren gestiegenen Energiebedarf mit Hilfe von fossilen Energien befriedigen, muss uns klar sein, dass selbst die drastischsten Maßnahmen bei uns weltweit gesehen nur einen kleinen Effekt haben werden. Wir als Hochindustrienation, als Land der Ingenieure und Wissenschaftler müssen stattdessen versuchen, klimafreundliche Technologien zu entwickeln, die so attraktiv sind, dass andere Länder bereit sind, diese Technologien zu übernehmen. Mit Reduzierung- und Verzichtappellen werden wir die Chinesen und andere nicht überzeugen.“

… die Entscheidung Deutschlands auf Kernkraft zu verzichten, die er falsch findet:

„Ich werde immer als Kernkraft-Fan bezeichnet, aber darum geht es nicht. Der Weltklimarat sagt, dass Kernkraft die einzige grundlastfähige Energieform ist, um CO2-Emissionen deutlich zu senken. Es gibt eine große Nature-Studie, die dasselbe feststellt. Wenn man sich die Entwicklung von neuen Reaktoren ansieht, kann man die überhaupt nicht vergleichen mit denen, die in der Vergangenheit gebaut worden sind. Kernenergie ist statistisch gesehen die Energieform, die am effektivsten und am ungefährlichsten ist, auch das Endlagerproblem wird komplett überschätzt. Und wir in Deutschland steigen aus der Kernenergie aus, während alle anderen Industrienationen deren Potenziale sehen.“

… einen Perfektionismus, der gefährlich werden kann:

„Wir Deutschen sind eine Nation, die in ihrem Perfektionismus gefangen ist. Das ist bei vielen kleinen Dingen sinnvoll, etwa bei der Herstellung von Duschköpfen. Es ist aber schwierig, diesen Perfektionismus auf die großen Probleme unserer Zeit zu übertragen. Wir versuchen, den Kampf gegen den Klimawandel so perfektionistisch anzugehen wie die Herstellung eines Duschkopfes. Darunter machen wir es nicht, wir wollen der Welt die perfekte Lösung für die Klima- und überhaupt für alle Krisen präsentieren, und übersehen dabei, wie die Themen zusammenhängen. Einfaches Beispiel: In unserem großen Ziel, auf Kernenergie zu verzichten, haben wir übersehen, dass wir bei der vermeintlichen Brückentechnologie Gas stark von Russland abhängig waren. Wir neigen leider dazu, uns ein bestimmtes Problem herauszusuchen und das zu lösen, ignorieren dabei aber alle anderen Risiken, die damit verbunden sein können. Wir müssen endlich lernen, dass es in komplexen Systemen wie dem Weltklima keine perfekten Lösungen gibt.“

… den Zusammenhang von Wohlstand und Umweltbewusstsein:

„Wenn du in einem Land nicht weißt, ob du das nächste Jahr überlebst, ist es dir egal, ob der Fluss in deinem Ort verdreckt ist. Je wohlhabender Gesellschaften werden, desto mehr machen sich die Menschen Gedanken um das Klima und ihre Umwelt. Das ist so nachvollziehbar wie sinnvoll, und deshalb habe ich einen anderen Ansatz im Kampf gegen die Klimakrise. Erstens: Wenn wir Deutschland deindustrialisieren, gefährden wir nicht nur unseren Wohlstand, sondern auch unsere wirtschaftlichen Möglichkeiten, Technologien zu entwickeln, die die Welt wirklich verbessern. Zweitens: Man sieht an Schwellenländern, die sich entwickeln, wie sich dort auch das Umweltbewusstsein verändert. Wenn wir es also schaffen, den Wohlstand weltweit zu erhöhen, hilft das im Zweifel mehr im Kampf gegen ökologische Probleme, als wenn wir von den Menschen verlangen auf Dinge zu verzichten, auf die sich nicht verzichten wollen, zum Beispiel auf Urlaubsreisen. Die Appelle, dass die Leute sich ändern müssen, sind aus meiner Sicht fruchtlos. Das Gros einer Gesellschaft möchte gern konsumieren, Energie verbrauchen und sich ein schönes Leben machen. Deshalb finde ich eine moralische Diskussion, wie sie in Deutschland in Teilen läuft, nicht zielführend, insbesondere dann nicht, wenn sie von Menschen ausgelöst wird, die eher aus wohlhabenden Kreisen kommen. Wer sind die, etwa einer Putzfrau vorschreiben zu wollen, nicht mehr für 90 Euro nach Mallorca zu fliegen?“

… Klimaforschung und Klimapolitik:

Klimaforschung ist objektiv, Klimapolitik, also die Maßnahmen, die wir gegen den Klimawandel ergreifen, sind dagegen subjektiv und verhandelbar. Man darf das nicht gleichsetzen. Wenn gefordert wird, dass man den Wissenschaftlern folgen soll, dann heißt das, das man ihre Studien zur Kenntnis nehmen muss. Aber man darf nicht von ihnen verlangen, dass sie die Lösung der Probleme, die sie entdecken, gleich mitliefern. Das ist die Aufgabe von Politik, und dabei gibt es eben nicht die eine Wahrheit.“

… Idealisten und Realisten:

„Idealisten sind von einer Idee komplett begeistert und versuchen dann, diese Idee mit allen Mitteln zu verwirklichen. Realisten dagegen fragen sich: Was kostet es, diese Idee zu realisieren? Ist sie überhaupt umsetzbar? Und falls ja, könnten durch die Umsetzung eventuell auch Nachteile auftreten, die eine an sich gute Idee zu einer schlechten machen? In den Augen von Idealisten sind Realisten fantasielose Erbsenzähler. In den Augen von Realisten sind Idealisten utopische Spinner.“

Der Fragebogen

Was wollten Sie als Kind werden und warum?

Tischler – der Beruf meines Vaters. Den Holzgeruch in seiner Werkstatt habe ich immer noch in der Nase.

Was war der beste Rat Ihrer Eltern?

Sei höflich und halte Dein Geld zusammen.

Wer war beziehungsweise ist Ihr Vorbild?

Mich faszinieren Selfmade-Typen. Leute wie Niki Lauda, Artur Fischer, Dietrich Mateschitz.

Was haben Ihre Lehrer/Professoren über Sie gesagt?

„Fleißig ist er ja. Aber ich hab‘ keine Ahnung, was aus dem mal wird …“

Wann und warum haben Sie sich für den Beruf entschieden, den Sie heute machen?

Als ich nach 3 Jahren Unternehmensberatung gemerkt habe, dass ich dazu nicht tauge.

Wer waren Ihre wichtigsten Förderer?

Susanne Herbert, die mich seit über 20 Jahren managt.

Auf wen hören Sie?

Auf meinen Bauch. Und manchmal auf meine Frau.

Wie wichtig war/ist Ihnen Geld?

Geld bedeutet vor allem Freiheit und Unabhängigkeit. Also sehr wichtig.

Duzen oder siezen Sie?

What do you mean?

Was sind Ihre größten Stärken?

Dem Zeitgeist stets skeptisch gegenüber zu stehen.

Was sind Ihre größten Schwächen?

Meine cholerische Ader.

Welchen anderen Schriftsteller/Künstler würden Sie gern näher kennenlernen?

James Cameron.

Was würden Sie ihn/sie fragen?

Wie kriegt man es hin, eine Filmcrew aus Hunderten von Leuten bei der Stange zu halten?

Wann haben Sie zuletzt einen Fehler gemacht?

Gestern. Da habe ich mein Ladekabel im Hotelzimmer vergessen. Unverzeihlich!

Welche Entscheidung hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg geholfen?

Die allermeisten gut gemeinten Ratschläge nicht zu beachten.

Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?

Das Gehirn macht zum Glück ja keine Pause…

Wie viele Stunden schlafen Sie (pro Nacht)?

Ich brauche ca. 7 Stunden um zu funktionieren. Auch wenn ich Schlafen als Zeitverschwendung sehe.

Wie gehen Sie mit Stress um?

Indem ich sämtliche Projekte lange vor der Deadline erledige.

Wie kommunizieren Sie?

Ich hoffe, so, dass es die Menschen zum Nachdenken anregt.

Wieviel Zeit verbringen Sie an ihrem Schreibtisch?

Sehr viel. Aber da ich ständig auf Tour bin, definiere ich jede noch so kleine Ablagefläche als mein Büro.

Wenn Sie anderen Menschen nur einen Rat für ihren beruflichen Werdegang geben dürften, welcher wäre das?

Wenn Du nicht bereit bist, für ein ambitioniertes Ziel erhebliche Nachteile in Kauf zu nehmen, kannst Du es gleich vergessen.

Und zum Schluss: Was wollten Sie immer schon mal sagen?

Man sollte immer in Erwägung ziehen, dass eine Idee, die in der Theorie super klingt, in der Praxis totaler Müll sein