Trittau. Der Moderator hat ein Buch über Männer in den Wechseljahren geschrieben. Was er über Viagra und eine eigene Late-Night-Show sagt.

Männer in ihren Fünfzigern – wie ticken die so? Einer, der es wissen muss, ist der bekannte NDR-Moderator Hinnerk Baumgarten. Fernsehzuschauern dürfte er vor allem aus der TV-Sendung „DAS!“ bekannt sein, in der er regelmäßig prominente Gäste auf dem Roten Sofa zum Interview empfängt.

Dass der Alterungsprozess auch vor einem erfolgreichen Moderator nicht haltmacht, hat der 55-Jährige am eigenen Leib erlebt. Über seine Erfahrungen hat er ein Buch geschrieben, in dem er ganz offen über die Themen berichtet, die Männer seiner Generation umtreiben. Baumgarten geht durch persönliche Krisen, Niederlagen, sportliche Grenzerfahrungen, durchlebt Vorsorgeuntersuchungen und eine im wahrsten Wortsinn sexuelle Hängepartie. Und kommt letztendlich doch zu dem Schluss: Bei Männern in den Fünfzigern geht noch was. Am Sonnabend, 4. März, liest er aus seinem Buch in der Wassermühle Trittau.

Erinnerungen waren detailreicher als vermutet

Jüngeren Lesern dürfte der Buchtitel „Younger sän ewer“ eher ein „cringe!“ entlocken, doch sie sind auch gar nicht die Zielgruppe. Wie er zu dem Titel kam, schildert Hinnerk Baumgarten so: „Wenn man in der Generation der 50er zusammenkommt und zum Geburtstag gratuliert oder sich zuprostet, wie oft hört man da ,Younger than ever‘ oder ,So jung kommen wir nie wieder zusammen‘. Er habe das durch die Lautschrift ein bisschen spaßiger formulieren und klar machen wollen, dass es kein auf Englisch verfasstes Buch sei.

Entstanden ist es in der zweiten Jahreshälfte 2021. Über den Schaffensprozess sagt Baumgarten: „Es ist ehrlicherweise einfach so aus mir herausgeflossen.“ Das Schreiben habe ihm sehr viel Spaß gemacht, und er sei überrascht gewesen, an wie viele Details er sich habe erinnern können. „Das war ganz wunderbar. Und wenn das mal nicht so geklappt hat, hat ein Blick in die Fotoapp geholfen.“

Fotos dokumentieren den körperlichen Verfall

Lediglich für „ein paar Beweisfotos meines körperlichen Verfalls“ habe er in alten Fotoalben geblättert. Und an der Stelle zeigt sich, dass der sonst so smarte Moderator durchaus selbstironisch sein kann. „Ich hatte schon mal eine bessere Figur“, gibt er unumwunden zu. „Wie sähe ich wohl aus, wenn ich nicht mehr trainieren würde?“ Seine Befürchtung: „Das wäre ganz schlimm. Ich neige eher zum Waschbärbauch als zum Waschbrettbauch.“

Bei so viel Körperlichkeit ist der Übergang zur Sexualität fließend. So spricht Baumgarten ganz offen darüber, dass er auch schon mal Viagra ausprobiert habe. Dabei sei es um eine einmaligen Einnahme gegangen, die aber überhaupt nichts gebracht habe, berichtet der Moderator. Nur die Erkenntnis, dass eine solche Hängepartie nur etwas mit dem Kopf zu tun habe. „Wenn ich bei meinen Lesungen von der Szene erzähle, ist das sehr amüsant für die Zuhörer und ein großer Lacher.“ Weniger Spaß machte dem Moderator allerdings, was das Nachrichtenportal „t-online“ aus dem intimen Geständnis machte. „Da wurde geschrieben, dass ich seit Jahren Viagra nehme“, sagt er.

Männer erkennen sich in Geschichten wieder

Baumgarten bricht bewusst Tabus, denn er will Themen, über die kaum öffentlich gesprochen wird, aber seine Generation umtreiben, nicht einfach ausblenden. „So etwas passiert uns halt, warum nicht darüber reden?“, fragt der Autor. „Es geht mir auch darum zu zeigen, wie man mit Niederlagen oder einer sexuellen Problematik umgehen kann.“ Frauen würden prinzipiell mehr lesen und verschenkten das Buch an Männer um die Fünfzig. Deren Feedback laute oft: „Das Thema kenn’ ich.“

Apropos Tabu: Selbst eine Vorsorgeuntersuchung wie eine Darmspiegelung könne amüsant sein, versichert Baumgarten. „Ich bin währenddessen auch noch aufgewacht“, sagt er. „Aber noch viel schöner ist, wenn ich von meiner Blasenspiegelung erzähle, das ist wirklich herrlich.“ An solchen Beispielen zeigt sich, wie sich selbst solche Situationen mit einer guten Portion Humor überstehen lassen. Er finde es blöd, nur über andere zu lachen, sagt Baumgarten. „Ich lache lieber mal über mich, mir passiert auch so viel Unsinn.“

Ausgeklügelter Heiratsantrag scheiterte kläglich

Dazu kann auch die Liebe ein Anlass sein. Baumgartens langjährige Lebensgefährtin Joanna (49) ist Polin und lebt in Danzig. Kennengelernt hat er sie 2014 bei einer Gala des Eagles Charity Clubs in Griechenland. „Roland Kaiser stand dort auf der Bühne, und wir haben das erste Mal zu seinem Kultsong ,Joanna‘ getanzt.“ Er beschreibt, wie er seine Angebetete einmal spontan in ihrer Heimatstadt besuchte, um sie an der Schule ihrer Tochter mit einem Heiratsantrag zu überraschen. Der ausgeklügelte Plan sei jedoch kläglich gescheitert. Er habe in dem Moment den einen Gedanken gehabt: „Hallo, du bist ja fünfzig und stehst mitten im Regen mit einem Taxi und Stofftier und Blumenstrauß im Arm auf dem Parkplatz.“

Auch wenn er den Heiratsantrag in den Sand gesetzt hat, will Baumgarten mit diesem Beispiel zeigen, dass Männer seines Alters „sich etwas einfallen lassen können und bereit sind, für Liebe zu kämpfen“. Und dass sie Gefühle zeigen und darüber reden könnten. In der Generation seiner Eltern sei das nicht selbstverständlich gewesen. „Ich glaube, wir sind eher in der Lage, Gefühle auszudrücken.“ Er sei sehr froh gewesen, dass er seinem Vater einige Monate vor dessen Tod gesagt habe: „Ich liebe dich.“ Ein sehr intensiver Moment, erinnert er sich. Der Abschied vom Vater sei Anlass gewesen, über die eigene Sterblichkeit nachzudenken.

Ältere Männer können durchaus überraschend sein

In Baumgartens Buch wechseln nachdenkliche Themen mit humorvollen Passagen ab. „Auch die Schlägerei auf Mallorca kommt vor und wie sie ausgegangen ist und ich beschreibe, wie sich die Situation mit Katja Riemann wirklich abgespielt hat.“ Auf die Frage, ob er sich als Macho sehe, überlegt Baumgarten kurz, sagt dann: „Ich finde, ein bisschen Macho darf sein, Chauvi aber niemals.“

Was macht Männer um die Fünfzig attraktiv, was unterscheidet sie von Jüngeren? „Ein wenig mehr Gelassenheit,“, stellt Baumgarten bei sich selbst fest. „Man ist körperlich nicht mehr so fordernd. In einer Beziehung muss man sich nicht mehr so häufig Sorgen machen, dass der Mann um die Häuser zieht.“ Er hält kurz inne und meint dann: „So viele Vorteile hat es auch nicht, aber es ist eben noch nicht alles schlecht. Das Schöne ist, der Mann kann mit seiner Energie schon überraschen, da passiert ja noch was.“ Es sei eine Frage dessen, ob man sich so verhalte, als ob man auf die Rente zusteuere oder als ob man im Leben stehe. „Verhalte dich so, wie du sein möchtest, und du wirst so sein“, ist er überzeugt. Trotzdem wägt der Moderator inzwischen gut ab, ob sich am Abend ins Partyleben stürzen und es sich leisten kann „am nächsten Morgen komplett in den Seilen zu hängen“.

Hinnerk Baumgarten hat sich viele Ziele gesetzt

Zu den privaten Zielen, die Baumgarten erreichen will, zählt für den passionierten Golfer, sein Handicap von sieben auf fünf zu verbessern. „Und auf einen ergänzenden Wohnwechsel in den Süden hätte ich Lust.“ Natürlich mit seiner Partnerin, die er bald heiraten will. „Die Chance, dass man sich scheiden lässt, sinkt mit dem Alter“, sagt er und lacht. Und beruflich? „Die eigene Late-Night-Show.“

Bei der Lesung in Trittau ist der Buchladen Wenck mit einem Büchertisch vor Ort. „Ich erzähle zwei Stunden und signiere in der Pause auch Bücher und mache Fotos mit den Besuchern“, kündigt der Moderator an. Trittau kenne er bisher nur von der Durchfahrt mit der Oldtimer-Rallye. „Da hatte ich das große Vergnügen, zweimal mit einer schwarzen Corvette Stingray mitfahren zu dürfen. Das ist natürlich wieder der kleine Macho-Traum.“

Lesung Sa 4.3., 20.00, Wassermühle, am Mühlenteich 3, Karte 15,–, Vvk. im Buchladen Anja Wenck, Poststraße 31, und an der Abendkasse