Hamburg. Am 1. März ist Komplimente-Tag: Doch wie finden wir die passenden Worte? Und was hat unsere eigene Einstellung damit zu tun? Eine Sinnsuche.

Wer anderen eine Blume sät, blüht selber auf – das steht für kommenden Monat auf meinem Sprüchekalender. Das ist bestimmt kein Zufall, denn am 1. März ist „Welttag der Komplimente“.

Grund genug, mal wieder großzügig Komplimente und damit auch mich selbst glücklich zu machen. Aber wie gehe ich am besten vor? Welche Komplimente kommen gut an, welche sollte ich mir sparen und wie fallen mir überhaupt die passenden Worte ein?

Man kann nichts Gutes sagen, wenn man nichts Gutes denkt

Alles beginnt mit einer positiven Einstellung. Man kann nichts Gutes sagen, wenn man nichts Gutes denkt. „Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte“, heißt es schließlich an einer Stelle im Talmud*. Ich mache mich also bewusst auf die Suche nach Positivem und stelle fest, dass viele Selbstverständlichkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen mehr Aufmerksamkeit verdient haben und damit mehr Anerkennung, mehr Wertschätzung.

So nehme ich plötzlich wahr, dass es eben keine Selbstverständlichkeit ist, dass mein bester Freund einen Umweg auf dem Heimweg in Kauf nimmt, um sich mit mir in meinem Lieblingscafé zu treffen. „Schön, dass du da bist“, sage ich und starte damit bereits mein „Mehr Komplimente für alle“-Vorhaben. Auch, wenn das gar nicht wie ein offensichtliches Kompliment, sondern wie ein einfacher Zusatz zur Begrüßung klingt, wird es genau in dem Moment ein Kompliment, in dem ich es ausspreche.

Die Wortwahl macht das Lob

„Du siehst aber gut aus!“ Was aufs erste Hören wie ein nettes Kompliment klingt, kann schnell zur Plattitüde werden. Es liegt sehr im Auge beziehungsweise im Ohr des anderen, ob ein Kompliment auch als solches ankommt. Eine Möglichkeit, zum Beispiel diesen Satz ehrlicher, persönlicher und eben weniger abgedroschen klingen zu lassen, wäre, mit einer Ich-Botschaft zu formulieren: Statt „Du siehst aber gut aus“, lieber „Ich mag dein Kleid!“ oder präziser „Wenn ich doch auch so elegant auf diesen hohen Schuhen laufen könnte, wie du!“ oder „Ich finde, die Farbe steht dir ausgezeichnet.“ Wird ein Lob über die Optik auf diese Art und Weise verpackt, wirkt es weniger oberflächlich. Vor allem, weil es sich so viel individueller adressieren lässt.

Während „Gut siehst du aus“ auf jede und jeden passen könnte, passt „Ich mag dein Kleid“ nun wirklich nur bei dieser einen Kollegin, deren Kleid ich wirklich mag, und nicht beim Kollegen im feschen Anzug. Insgesamt sollten Komplimente also persönlich, aber nicht zu intim oder aufdringlich sein.

Wem darf ich überhaupt ein Kompliment machen?

Den Chef für seine akkurate Bartkontur zu loben ist genauso übergriffig, wie den knackigen Hintern der Kollegin zu betonen. Zu heikel, zu intim, zu wenig Distanz. Auch bei gänzlich Fremden sollte man mit Komplimenten vorsichtig sein. Da darf man sich oberflächlich herantasten, um überhaupt ins Gespräch zu kommen.

Man kann zum Beispiel den Redner für die exzellente Keynote loben – obwohl er das an dem Abend wahrscheinlich schon unzählige Male gehört hat – und legt dann mit einer kleinen Ich-Botschaft für den persönlichen Touch nach: „Besonders gut hat mir die Stelle über die Kommerzialisierung des Valentinstages gefallen.“ Sowieso kann man in jede Lobrede erst einmal oberflächlich starten und dann detaillierter werden.

Komplimente mit Maß

Obacht heißt es aber bei der Menge der Komplimente, die man direkt hinter­einanderreiht – man könnte als Schleimer gelten – oder bei Komplimenten, die man im selben Wortlaut in Mengen ständig an viele verteilt. Darüber schreibt bereits Freiherr Knigge in seinem Werk „Über den Umgang mit Menschen“: „Weit entfernt bin ich also, das System solcher Leute empfehlen zu wollen, die jeden ohne Unterlaß mit leeren Komplimenten, Schmeicheleien oder Lobsprüchen in die Verlegenheit setzen.“ Und auch Asfa-Wossen Asserate widmet sich in seinem Buch „Manieren“ dem Lob, das er kritisch hinterfragt, weil es mal schmeichelnd und mal anmaßend daherkommt.

So erzählt Asserate von einem Tischgespräch zwischen einem jungen Mann und einer älteren Dame. Der Jüngere macht der Älteren ein vermeintliches Kompliment, das allerdings fürchterlich nach hinten losgeht: „Meine Dame, wie gebildet Sie sind.“ Die Dame ist pikiert und ­entgegnet schlagfertig: „Sind Sie auch sicher, dass Sie das beurteilen können, junger Mann?“ 1:0 für die Dame und es zeigt deutlich: Komplimente bergen Risiken!

Sharing statt comparing

Jemandem zu sagen, dass er besser, ­schöner, schneller ist, dass er höher springt, sich gekonnter schminkt oder stilvoller kleidet als jemand anderes, impliziert, dass jemand anderes eben nicht so gut, schön oder schnell ist. Komplimente scheitern, wenn damit jemand anderes schlechter dasteht.

Auch – und das fällt uns oft gar nicht auf – gibt es versteckte Vergleiche, die sich sogar gegen denjenigen richten, dem eigentlich das Kompliment galt: Der Satz „Rosi, du siehst aber gut aus heute“ drückt schließlich auch aus, dass Rosi sonst eben nicht so gut aussieht. Anton reibt man mit „Prima, dass du heute pünktlich bist“ öffentlich unter die Nase, dass er eigentlich ein unzuverlässiger Hampel ist. Vorsicht also mit gut gemeintem Lob, das gleichzeitig auch das Gegenteil impliziert.

Ein Tipp für zu Hause: „Das Essen schmeckt heute aber gut“ schlägt in dieselbe Kerbe.

Keine Erwartungshaltung haben

Ebenso wichtig für den Frieden zu Hause, im Büro oder an der Kasse in der Boutique: Wer anderen ein Kompliment nur deshalb macht, weil er sich dadurch in erster Linie einen bestimmten Vorteil erhofft, der hat den Sinn verfehlt. Komplimente gilt es so zu behandeln, wie Geschenke: Man macht sie für den anderen, nicht für sich selbst.

Komplimente dürfen nicht zum Eigennutz missbraucht werden, um abends doch ruhigen Gewissens mit den Kumpels zum Fußballgucken in die Kneipe verschwinden zu dürfen, um die Kollegin seine eigenen Aufgaben erledigen zu lassen oder um das Cashmerekleid ein bisschen günstiger zu bekommen. Komplimente sind nur echt, wenn sie selbstlos sind.

Wie nimmt man ein Kompliment an?

Der Umgang mit Komplimenten ist einfach. Wirklich einfach: annehmen, bedanken, jubeln. Ein Kompliment zu bekommen und es nicht zu genießen, das wäre, wie ein Geschenk zu bekommen und es nie auszupacken. Damit nähme man dem anderen die ganze Freude – und sich selbst auch. Warum sich nicht mal diesen kurzen Moment des Rampenlichtes gönnen und sich freuen?

Wie oft lautet die Antwort aufs Lob für das neue Shirt nicht „Danke“ verbunden mit einem Lächeln im Gesicht, sondern „Ach, das war ein Zufallsschnapper im Sale!“ oder „Ach, das hab ich schon ganz lange.“ Dazu noch dieses beiläufige Abwinken mit der Hand, womit das Kompliment regelrecht vom Tisch gewischt wird. Schade.

Könnte die Reaktion auf ein solches Kompliment doch auch aus Lächeln, stolzer Brust und leuchtenden Augen bestehen und so klingen: „Danke! Ich bin auch wirklich glücklich mit dem Shirt, ich habe ewig danach gesucht!“

Ein Kompliment ist das Angebot sich anzunähern

Wer sich das erlaubt, ist ganz nah am Genießer-Status. Komplimente gibt es schließlich nicht, damit man sich schlecht fühlt oder sich gar schämt. Der Duden sagt: „Ein Kompliment ist eine lobende, schmeichelhafte Äußerung, die jemand an eine Person richtet, um ihr etwas Angenehmes, Erfreuliches zu sagen [und ihr zu gefallen].“

Denn ja, auch das schwingt im Kompliment mit: Ein Angebot, Distanzen zu schmälern. Sich gegenseitig zu pushen, vielleicht mehr zu mögen und vor allem zu zeigen, dass man sich und besondere Eigenschaften oder Taten zu schätzen weiß. Einen netten Menschen mag man mehr, ihm wird eher vertraut und mehr verziehen.

Wer Komplimente ehrlich einsetzt, geschickt formuliert, sie annehmen und wertschätzen kann, wird merken, wie Komplimente das Miteinander stärken, Beziehungen festigen und für eine positive Atmosphäre sorgen.

*Der Talmud ist eine der bedeutendsten Schriften im Judentum. Die vollständige Textstelle lautet: „Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen. Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten. Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter. Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein ­Schicksal.“

Autorin Birte Steinkamp ist Trainerin für Business-Etikette und Vorstandsmitglied Deutsche-Knigge-Gesellschaft e.V.