Hamburg. Prüfer kritisieren zudem, dass sich bei den bewilligten Mitteln ein „Resteberg“ in Höhe von 4,2 Milliarden Euro angesammelt hat.

Der Landesrechnungshof hält seine Kritik an der Haushaltsführung des Senats in Hamburg aufrecht. Auch für 2020 wurde der „Bestätigungsvermerk“, wie schon in den Vorjahren, erneut nur eingeschränkt erteilt. „Der Jahresabschluss und der Konzernabschluss vermitteln nur mit den nachgenannten Einschränkungen ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage“, sagte Rechnungshof-Präsident Stefan Schulz bei der Vorstellung des Jahresberichts.

Diese „Einschränkungen“ seien: „Geld- und Buchungskreislauf sind nach wie vor nicht geschlossen, das Rechnungswesen ist dezentral und sehr komplex organisiert und IT-Verfahren sind immer noch mit Mängeln behaftet“, so Schulz. In einigen Bereichen seien aber „Verbesserungen erkennbar“.

Rechnungshof: Hamburg fehlen Fortschritte bei der Digitalisierung

Konkret kritisierten die unabhängigen Prüfer die fehlenden Fortschritte bei der Digitalisierung: Hamburg sei nach dem Onlinezugangsgesetz (OZG) verpflichtet, den Bürgern bis Ende 2022 alle Verwaltungsleistungen digital anzubieten und müsse für die Schritte bis dahin eine Finanzierung vorlegen. Diese fehle jedoch noch, so Schulz: „Hamburg läuft Gefahr, nicht rechtzeitig fertig zu werden.“

Stefan Schulz ist seit 2012 Präsident des Rechnungshofes der Freien und Hansestadt Hamburg (Archivbild).
„Geld- und Buchungskreislauf sind nach wie vor nicht geschlossen", kritisiert Stefan Schulz (Archivbild). © picture alliance/dpa

Rechnungshof-Direktorin Birgit Carstens-Wähling ergänzte, dass bis Jahresende 80 Millionen Euro vom Bund bereit stünden, die die Stadt um eigene Mittel ergänzen müsste. Dafür müsste sie aber erstmal beschließen, welche Maßnahmen sie umsetzen will und „ein Preisschild dranhängen“. Das Ziel, bis zum 31. Juli 2021 ein Konzept vorzulegen, habe der Senat jedoch verpasst.

Dieser sieht die Umsetzung bis Ende 2022 hingegen „nicht als gefährdet“ an, wie er dem Rechnungshof antwortete: Es liege inzwischen „eine vom Bund genehmigte Umsetzungsplanung mit überarbeiteter Meilensteinplanung“ vor. Diese werde der Senat einhalten. Aus dem Rathaus hieß es, die Verzögerungen seien vor allem auf die komplizierte Abstimmung mit dem Bund zurückzuführen, denn 90 Prozent der digitalen Dienstleistungen würden in anderen Bundesländern programmiert. Hamburg entwickle lediglich zehn Prozent und liefere diese anderen Ländern zu.

Haushaltsreste in Hamburg werden zu einem "Resteberg"

Als „bedenklich“ stufte der Rechnungshof auch die Entwicklung der sogenannten Haushaltsreste ein. Dabei handelt es sich um von der Bürgerschaft bewilligte Mittel, die in einem Jahr nicht genutzt werden (können) und daher ins folgende Jahr übertragen werden. „Sie werden mehr und mehr zu einem Resteberg“, so Schulz. Dieser sei mittlerweile auf 4,2 Milliarden Euro angewachsen. Das könne zumindest im investiven Bereich kaum mehr abgebaut werden. Dort stünden mit 1,6 Milliarden Euro inzwischen mehr Reste als „normale“ Haushaltsmittel“ zur Verfügung.

Hinzu kamen pandemiebedingt „Corona-Reste“ in Höhe von 863 Millionen Euro – was eigentlich eine gute Nachricht ist, denn der Senat hat 2020 weniger als die Hälfte der bewilligten 1,5 Milliarden an Hilfsgeldern benötigt. „Da die haushaltsrechtliche pandemiebedingte Notlage Ende 2022 ausläuft, erwarten wir vom Senat eine Streichung dieser Reste spätestens zu diesem Zeitpunkt“, so Schulz. „Dies ist rechtlich zwingend.“

„Optimierungsbedarf“ sieht der Rechnungshof im Bereich des Unterhaltsvorschusses, auf den Kinder von Alleinerziehenden Anspruch haben, wenn der andere Elternteil keinen Unterhalt zahlt. Dieses Geld kann der Staat aber bei diesen Unterhaltspflichtigen zurückfordern. In Hamburg gelinge das jedoch kaum, so Stefan Schulz: „Bei der sogenannten Rückgriffsquote belegte Hamburg in manchen Jahren nur den letzten Platz.“ 2020 habe sie bei rund zehn Prozent gelegen, während andere Bundesländern auf mehr als 20 Prozent kämen.

Rechnungshof kritisiert etliche Hamburger Bauprojekte

Traditionell kritisierte der Rechnungshof etliche Bauprojekte. So sei beim Bau des „Zentrums für Studium und Promotion“ an der Technischen Universität (TU) durch die städtische Sprinkenhof GmbH zum Vergleich mit anderen Projekten eine Miete von 13,68 Euro pro Quadratmeter angegeben worden. Dieser Wert sei aber „ungeeignet“, so Schulz, weil er nur 67 Prozent der tatsächlichen Kosten abbilde: „Investitionszuschüsse und Grundstückskosten wurden nämlich nicht berücksichtigt.“ Am Ende sei der garantierte Maximalpreis von 7,33 Millionen um 0,44 Millionen Euro überschritten worden.

„Erneut weist der Rechnungshof auf zahlreiche Mängel in der Buchführung der Stadt hin“, sagte CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer. Besonders problematisch seien die hohen Haushaltsreste: „Dies zeigt, dass viele längst beschlossene Vorhaben vom Senat nicht planmäßig umgesetzt werden. Hier muss die rot-grüne Koalition ihre Hausaufgaben machen, anstatt sich nur für die Ankündigung von Investitionen feiern zu lassen.“

Petra Ackmann, Vorsitzende des Bundes der Steuerzahler Hamburg, nannte es „erschreckend , dass der Rechnungshof dem Senat in vielen Fällen vorwirft, seine Kontrollpflicht vernachlässigt zu haben“. Der FDP-Landesvorsitzende Michael Kruse sagte: „Ausgerechnet der Senat des ehemaligen Finanzsenators und jetzigen Bürgermeisters Tschentscher fällt wiederholt durch die stets gleichen Mängel bei Buchhaltung und Bewirtschaftung auf. Dass diese Probleme trotz jahrelanger Ermahnung durch den Rechnungshof nicht abgestellt wurden, ist schlichtweg schlampig.“