Hamburg. Hamburg verdoppelt seine Einnahmen durch Temposünder. Für die enorme Steigerung in 2022 gibt es zwei Gründe.

Nach dem coronabedingten Rückgang bei den Einnahmen im Jahr 2021 verdient die Stadt Hamburg mit stationären und mobilen Blitzern wieder mehr Geld. Und zwar viel mehr Geld. Hamburg hat die Einnahmen durch Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen (GÜA) im Vergleich zu 2021 fast verdoppelt.

Exakt 43.589.336,39 Euro kassierte die Stadt im Vorjahr durch Buß- und Verwarngeld, so die Innenbehörde auf Abendblatt-Anfrage. Dem zugrunde liegen 989.388 Anzeigen, 142.523 mehr als 2021. Den Anstieg führt die Polizei vor allem darauf zurück, dass der Verkehr nach Wegfall der Corona-Auflagen wieder deutlich zugenommen hat.

Blitzer: Hamburg kassiert 43 Millionen Euro durch Temposünder

Hauptursache für das dicke Einnahmen-Plus ist allerdings etwas anderes: der geänderte Bußgeldkatalog. Seit November 2021 sind die neuen Sätze gültig; für einige Verkehrsverstöße ist jetzt eine doppelt so hohe Strafe fällig. Wer bis zu 10 km/h zu schnell unterwegs ist, zahlt nunmehr 30 statt 15 Euro; wer bis zu 20 km/h zu schnell fährt 70 statt 35 Euro.

Die durchschnittlich gezahlten Bußgelder erhöhten sich von 24,30 (2019) über 28,10 (2021) auf 45,10 Euro bis Mitte 2022. „Wer rast und damit andere und häufig schwächere Verkehrsteilnehmer gefährdet“, sagt der Sprecher der Innenbehörde, Daniel Schaefer, „für den kann es sehr schnell teuer werden.“

Erst recht in Hamburg. Deutschlandweit gibt es in der Hansestadt die meisten Messgeräte. Hier können Autofahrer an 77 Stellen geblitzt werden, hat die Berliner Rechtsanwaltskanzlei Goldenstein ermittelt. „Nur in Köln (71,1) und Berlin (54,4) gibt es im Schnitt ebenfalls mehr als 50 Geschwindigkeits- und Rotlichtkontrollen pro Tag“, so die Kanzlei.

Hamburg hat keine hohe „Blitzer-Dichte“

Sie hat analysiert, wie viele feste, mobile und teilstationäre Blitzer in den 40 größten deutschen Städten stehen. Gemessen an der Straßenfläche belegt Hamburg mit seiner „Blitzer-Dichte“ allerdings nur den 16. Platz im Bundes-Ranking.

Den Löwenanteil der Anzeigen machen in Hamburg längst nicht mehr die fest installierten Geräte aus, sondern die mobilen Blitzeranhänger der Polizei. Während die „Festen“ nur noch 278.000-mal und damit etwas weniger häufig auslösten als 2021, aber durch die neuen Bußgeldsätze mit fast 10 Millionen Euro trotzdem deutlich mehr erwirtschafteten, gingen die Anzeigen der mobilen Anlagen „durch die Decke“.

Sie stiegen von 555.532 auf 710.135 im Vorjahr. Allein durch die mobilen Messungen, darin enthalten auch die der Provida-Fahrzeuge, Handlaser und Großkontrollen, kassierte Hamburg fast 34 Millionen Euro. Zum Vergleich: 2017 nahm die Stadt durch Temposünder insgesamt „nur“ rund 15 Millionen Euro ein.

Mobile Blitzer sind rund um die Uhr im Einsatz

Die inzwischen 16 Blitzeranhänger können jederzeit und überall in der Stadt eingesetzt werden. Heute in Eimsbüttel, morgen in Harburg, übermorgen in Bergedorf. An ihren jeweiligen Interims-Standorten – in der Regel Unfallhäufungsstellen, Schulen, Kindergärten oder Seniorenheime – blitzen die Anlagen rund um die Uhr. Wann sie wo stehen? Bis auf die Polizei weiß das niemand.

Dieser „Flächendruck“ dürfte das Risiko, ertappt zu werden, insbesondere für notorische Zuschnellfahrer unkalkulierbar machen und sie zum Einhalten der Tempolimits animieren – ein aus Sicht der Behörden hochwillkommener psychologischer Effekt. Der aber auch eine Kehrseite hat: Immer häufiger werden die mobilen, rund 150.000 Euro teuren Messanhänger beschädigt. 2022 registrierte die Polizei hier 104 Fälle von Sachbeschädigung. Die stationären Geräte erwischte es 15-mal.

Dass die Tempo-Disziplin in Hamburg zugenommen hat, führt die Unfallforschung der Versicherer (UdV) indes vor allem auf den Einsatz der Anhänger zurück. Nach einer im Vorjahr veröffentlichten Studie ist die Zahl der Fahrzeuge, die in 50er-Bereichen schneller als 55 km/h fuhren, im Vergleich zu 2017 um 46 Prozent zurückgegangen.

Neun von zehn Fahrern hielten sich an Tempo 50, immerhin 60 Prozent an das Limit in den 30er-Zonen (2017: 47 Prozent). „Diese Rückgänge sind eine gute Nachricht, und wir freuen uns über dieses Ergebnis“, sagt Schaefer.

Diese Blitzer in Hamburg lösen am häufigsten aus

Im kommenden Jahr will die Innenbehörde zwei weitere Blitzeranhänger beschaffen, insgesamt sollen es 20 werden. Auch wenn die Anhänger längst zu einer Art Goldesel der Stadt avanciert sind und der Betrieb der 47 stationären Anlagen an den 39 Standorten scheinbar immer marginaler wird, so erwirtschaften die „Festen“ doch noch Millionen Euro.

Der unangefochtene Blitzer-Primus war auch 2022 die Anlage an der Stresemannstraße 147, sie löste fast 57.000-mal aus; die auf Höhe der Nummer 70 mehr als 31.000-mal. Zusammen spülten die Geräte 3,52 Millionen Euro in die Stadtkasse.

Am dritthäufigsten wird an der Finkenwerder Straße/ Vollhöfner Weiden geblitzt (15.973), es folgen die Kollaustraße/Papenreye Richtung stadteinwärts mit 11.532 „Schnappschüssen“ und die Anlage an der linken Seite der Neuen Elbbrücke (11.438). Nicht mehr in den Top 5 ist die stationäre Anlage an der Saarlandstraße 68.

„Nicht angepasste Geschwindigkeit ist weiterhin eine der Hauptunfallursachen“, so der stellvertretende Leiter der Verkehrsdirektion, Stephan Kahl. Und auch wer über Rot brettert, spielt mit dem Leben anderer Menschen. Im Vorjahr wurden rund 22.000 Rotlichtverstöße (2021: 18.842) erfasst, die mit insgesamt 2,1 Millionen Euro sanktioniert wurden.