Hamburg. SPD, Grüne und CDU wollen Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus und Förderung der Kinderrechte in die Verfassung aufnehmen.

Seit dem 1. Juli 1952 hat Hamburg seine eigene Verfassung (zuvor galt von 1946 an eine Vorläufige Verfassung). In einer Präambel und insgesamt 77 Artikeln definiert sich die Stadt. Von den Landesfarben über Senat und Bürgerschaft bis zu Gesetzgebung, Rechtsprechung, Verwaltung und dem Landeshaushalt – die Grundlagen von Stadt und Staat finden sich hier.

In der Bürgerschaftssitzung am Mittwoch wollen die Fraktionen von SPD, Grünen und CDU Änderungen in der Präambel beschließen. Auch Die Linke will dafür stimmen. Seit Mai 2021 arbeiteten zunächst die Abgeordneten Mathias Petersen (SPD), Farid Müller (Grüne) und André Trepoll (CDU), später ihre gesamten Fraktionen und externe Fachleute in einer Expertenanhörung des Verfassungsausschusses an dem Vorschlag.

Bürgerschaft: Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus wird Teil der Verfassung

Er nimmt ein klares Bekenntnis zum Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus sowie die Förderung von Kinderrechten und einem starken Europa in die Präambel auf und soll darüber hinaus das Ehrenamt stärken. Im Antrag heißt es dazu, man wolle „im Angesicht gesellschaftlicher Entwicklungen“ die Verfassung „um ein klares Bekenntnis zu Europa und ein vielfältiges und weltoffenes Hamburg ergänzen“.

Betont wird auch die Notwendigkeit eines Passus', der den Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus in die Verfassung aufnimmt: „Insbesondere der Verbreitung und Verherrlichung nationalsozialistischen Gedankenguts, von Antisemitismus und jeglicher Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wollen wir uns als demokratische Gesellschaft mit allen Mitteln entgegenstellen, um allen Hamburger:innen ein sicheres und freies Zusammenleben zu ermöglichen und die Vielfalt unserer Gesellschaft zu erhalten und zu fördern.“

Warum die Abgeordneten zweimal über die Verfassungsänderung abstimmen

Wenn am Mittwoch die notwendige Zweidrittelmehrheit für den Antrag erreicht wird, tritt die Änderung aber noch nicht sofort in Kraft. Auch das ist in der Verfassung der Stadt Hamburg geregelt. In Artikel 51 heißt es: „Zu einem die Verfassung ändernden Gesetz der Bürgerschaft sind zwei übereinstimmende Beschlüsse erforderlich, zwischen denen ein Zeitraum von mindestens dreizehn Tagen liegen muss. Beide Beschlüsse müssen bei Anwesenheit von drei Vierteln der gesetzlichen Mitgliederzahl und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Abgeordneten gefasst werden.“

Die Änderungen der Verfassung können also frühestens in der Sitzung am 1. März endgültig beschlossen werden. Danach lauten Eingangsformel und Artikel 73 wie folgt:

Bürgerschaft: Das ändert sich in Hamburgs Verfassung

Die Freie und Hansestadt Hamburg hat als Welthafenstadt eine ihr durch Geschichte und Lage zugewiesene, besondere Aufgabe gegenüber dem deutschen Volke zu erfüllen. Sie will im Geiste des Friedens eine Mittlerin zwischen allen Erdteilen und Völkern der Welt sein. Sie fördert ein geeintes Europa und leistet ihren Beitrag zu einer Europäischen Union, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen sowie dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist.

Durch Förderung und Lenkung befähigt sie ihre Wirtschaft zur Erfüllung dieser Aufgaben und zur Deckung des wirtschaftlichen Bedarfs aller. Auch Freiheit des Wettbewerbs und genossenschaftliche Selbsthilfe sollen diesem Ziele dienen.

Jedermann hat die sittliche Pflicht, für das Wohl des Ganzen zu wirken. Die Arbeitskraft steht unter dem Schutz des Staates. Die Freie und Hansestadt Hamburg achtet, schützt und fördert die Rechte der Kinder. Die Allgemeinheit hilft in Fällen der Not den wirtschaftlich Schwachen und ist bestrebt, den Aufstieg der Tüchtigen zu fördern. Die Arbeitskraft steht unter dem Schutze des Staates.

Um die politische, soziale und wirtschaftliche Gleichberechtigung zu verwirklichen, verbindet sich die politische Demokratie mit den Ideen der wirtschaftlichen Demokratie.

Vielfalt und Weltoffenheit sind identitätsstiftend für die hanseatische Stadt gesellschaft. In diesem Sinne und mit festem Willen schützt die Freie und Hansestadt Hamburg die Würde und Freiheit aller Menschen. Sie setzt sich gegen Rassismus und Antisemitismus sowie jede andere Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ein. Sie stellt sich der Erneuerung und Verbreitung totalitärer Ideologien sowie der Verherrlichung und Verklärung des Nationalsozialismus entgegen.

Die natürlichen Lebensgrundlagen stehen unter dem besonderen Schutz des Staates. Insbesondere nimmt die Freie und Hansestadt Hamburg ihre Verantwortung für die Begrenzung der Erderwärmung wahr.

In diesem Geiste gibt sich die Freie und Hansestadt Hamburg durch ihre Bürgerschaft diese Verfassung.

Darüber hinaus wird durch den Antrag Artikel 73 der Verfassung erweitert (Ergänzung hervorgehoben)

Die Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten in öffentlichen Ehrenämtern darf nicht behindert werden, insbesondere nicht durch ein Arbeits- oder Dienstverhältnis. Den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist die dafür nötige freie Zeit zu gewähren. Wieweit der Anspruch auf Vergütung erhalten bleibt, bestimmt das Gesetz. Das freiwillige Engagement, wie insbesondere der ehrenamtliche Einsatz für das Gemeinwohl, genießt den Schutz und die Förderung des Staates.