Hamburg. Die Angeklagte stand wegen Verstoßes gegen das Heilpraktikergesetz vor Gericht – und das nicht zum ersten Mal.

„Hej Süße!“ „Hallo Maus!“ Der Umgangston im Chat zwischen den beiden Frauen war mehr als freundlich. Man kannte einander schon länger, und viele Begegnungen waren offenbar zur Zufriedenheit beider verlaufen. Die eine spritzt Botox und kassiert dafür gutes Geld, die andere freut sich über eine mehr oder weniger faltenfreie Stirn. So weit so gut. Allerdings: Die Frau, die die Spritzen gesetzt hat, hatte keinerlei Zulassung als Heilpraktikerin oder eine ärztliche Approbation. Sie hätte solche Behandlungen also gar nicht durchführen dürfen.

Und deshalb muss sich Iris K. (alle Namen geändert) jetzt wegen Verstoßes gegen das Heilpraktikergesetz vor dem Amtsgericht verantworten. Der 42-Jährigen wird vorgeworfen, im Sommer 2019 einer heute 37-Jährigen Botox-Injektionen verabreicht zu haben, ohne Zulassung — und ohne die Kundin über das damit verbundene Risiko aufzuklären.

Prozess Hamburg: Angeklagte wegen gleichen Vergehens vorbestraft

Iris K. spricht mit leiser Stimme; sie ist eine Frau, der schon an ihrer geduckten Haltung anzusehen ist, wie unwohl sie sich in ihrer Haut und auf der Anklagebank fühlt. Zu behaupten, sie hätte nicht gewusst, dass sie für entsprechende Behandlungen eine Zulassung braucht, wäre zwecklos. Denn die 42-Jährige ist bereits unter anderem wegen genau eines solchen Vergehens vorbestraft. Damals erlitt eine Kundin Schmerzen, eine andere hatte eine vorübergehende Schiefstellung.

Und so schweigt die Angeklagte, nickt aber immer zustimmend, während jene Frau als Zeugin aussagt, die schließlich eine Anzeige gegen Iris K. erstattete. Warum ihre damalige Kundin das tat, erschließt sich aus deren Aussage nicht. Denn sie habe „keine Schäden davongetragen. Alles lief perfekt“, sagt Annika M. Eine Freundin habe sie mit Iris K. bekannt gemacht. Dann habe sie sich über Jahre „ab und zu Botox spritzen lassen“, in die Stirn. Auch ihre Lippen habe sie sich gelegentlich aufpolstern lassen. Beim ersten Mal sei die Behandlung im Kosmetikstudio erfolgt, dann bei Iris K. zu Hause. „Man kennt sich, weiß, worum es geht, packt sich auf eine Liege.“ Eine Botox-Spritze halte eine Weile vor. Manchmal habe sich der Effekt bei ihr aber erst deutlich später oder auch so gut wie gar nicht eingestellt. Deshalb habe sie in dem Fall eine kostenlose zweite Behandlung bekommen.

Prozess Hamburg: Angeklagte zu 160 Tagessätzen verurteilt

„Was kostet der Spaß?“, möchte der Amtsrichter über die Botox-Behandlung wissen. Sie habe damals „100 oder 120 Euro pro Spritze“ bezahlt, erzählt die Zeugin. „Cash?“ „Ja“, meint Annika M. Aber das sei durchaus üblich. Auf Nachfrage schildert die 37-Jährige, dass sie gewusst habe, dass Iris K. keine Zulassung hatte. „Aber das ist mir egal gewesen. Warum soll ich 400 oder 500 Euro ausgeben, wenn es auch anders geht? Ich habe ihr vertraut.“

Gewisse Erfahrungen mit dem Verabreichen von Spritzen sowie intensive medizinische Kenntnis hat Iris K. in der Tat vorweisen können. Sie ist gelernte OP-Schwester, hat allerdings nach mehreren persönlichen Schicksalsschlägen „zur Flasche gegriffen“, wie die Angeklagte erzählt. Jetzt ist sie auf einem guten Weg, dauerhaft vom Alkohol loszukommen, aber schon lange arbeitslos.

Dass Gesundheitsschäden sind im aktuell angeklagten Fall nicht aufgetreten sind und Iris K. „nicht gänzlich fachfremd“ ist, zählt die Staatsanwältin als strafmildernd auf. Doch die einschlägige Vorstrafe sei deutlich negativ zu werten. Sie fordert eine Geldstrafe von 160 Tagessätzen zu zehn Euro. So entscheidet auch der Amtsrichter. „Sie wussten, dass Sie das nicht durften, haben aber nach einem früheren Urteil unmittelbar weitergemacht“, redet der Richter der Angeklagten ins Gewissen. Iris K. ist einverstanden. Sie nimmt das Urteil an.