Hamburg. Gesine Janssen rät zu schneller Hilfe, sollte jemand zusammenbrechen. Ihr Tipp: Prüfen! Rufen! Drücken!
„Prüfen! Rufen (112)! Drücken“, sagt Dr. Gesine Janssen. Das seien die wichtigsten Schritte, damit ein Mensch, der vor den eigenen Augen einen Herzstillstand erleidet, eine Chance hat zu überleben. Diesen Rat gibt die Leiterin des Cardiac Arrest Center am Agaplesion Bethesda Krankenhaus Bergedorf. Wörtlich übersetzt bedeutet es Herzstillstands-Zentrum. „Genau darum geht es auch. Es geht um die Versorgung von Patienten, die einen Herz-Kreislauf-Stillstand erst mal überlebt haben. Diese Menschen befinden sich in einem sehr kritischen Zustand. Sie sind eigentlich tot gewesen und sind wieder ins Leben zurückgeholt worden“, sagt Gesine Janssen, die seit 2009 in Hamburg lebt, im Podcast „Hamburger Klinikhelden“.
Dafür brauche es in der Klinik Spezialisten, die sich mit diesem Bereich besonders gut auskennen und die eng miteinander zusammenarbeiten. Dazu zählen laut Janssen Intensivmediziner, Notfallmediziner, Herzspezialisten, Radiologen und Neurologen. Janssen ist Internistin mit der Zusatzweiterbildung für Intensivmedizin.
Hamburger Klinikhelden: In Zentren arbeiten mehrere Spezialisten zusammen
Wenn jemand zu Hause oder auf der Straße zusammenbricht, einen Herzstillstand erleidet und wiederbelebt wird, wird er ihren Angaben zufolge mit einem Krankenwagen möglichst in eines der sieben zertifizierten Zentren gebracht. Um diese Zertifizierung zu bekommen, brauche die Klinik bestimmte Fachabteilungen. „Das fängt an mit einer Notaufnahme, die 24 Stunden, sieben Tage die Woche solche Patienten annehmen kann. Man braucht den Kardiologen, der 24 Stunden, jeden Tag in der Lage ist, Herzkatheter-Untersuchungen durchzuführen. Man braucht eine CT- oder MRT-Diagnostik, also den radiologischen Teil. Man braucht Neurologen und natürlich am Ende die Intensivstation, die in der Lage ist, Organersatzverfahren anzuwenden, also Beatmung oder Dialyse.“
Und neben den Fachabteilungen mit den entsprechenden Ärzten und Pflegekräften, seien Ablauf-Schemata erforderlich, „also wann muss was passieren, welche diagnostischen Schritte müssen wir einhalten. Das alles ist darauf ausgerichtet, das bestmögliche Ergebnis für den Patienten zu erzielen. Und das muss möglichst gut strukturiert sein, damit sich keiner irgendwie in Unsicherheiten verlieren kann.“ Zeit sei ein ganz entscheidender Faktor.
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„Eine häufige Ursache für einen Herz-Kreislauf-Stillstand betrifft das Herz direkt, zum Beispiel bei einem sehr schweren Herzinfarkt“, sagt die 39-Jährige, die in Marburg und Göttingen studiert hat. Oder jemand hat sich verschluckt und kann nicht mehr atmen, der Sauerstoff könne dann nicht mehr ins Blut aufgenommen werden. Dann würde auch das Herz irgendwann aufhören zu schlagen – oder bei einem schweren Verkehrsunfall mit einer schweren Blutung blute der Körper quasi aus, dann höre auch das Herz aufzuschlagen.
Nur zehn Prozent der Betroffenen haben später wenige Einschränkungen
Wie lange ein Mensch nach einem Herzstillstand noch lebt, hängt laut Janssen davon ab, wann mit der Herzdruckmassage begonnen wird und welche Ursache der Herzstillstand hat. „Es kommt sehr darauf an, wie schnell mit der Wiederbelebung begonnen wird. Aber man muss sich natürlich dessen bewusst sein, dass die Wahrscheinlichkeit, dass aus so einer Situation jemand unbeschadet herauskommt oder nur geringfügige Einschränkung vielleicht zurückbehält, sehr gering ist.“ Nur etwa zehn Prozent der Betroffenen könnten später ein Leben mit relativ wenig Einschränkungen führen.
„Der Großteil behält doch stärkere Einschränkungen zurück oder überlebt die ersten 24 Stunden nicht“, sagt die Medizinerin. Denn das Gehirn sei wahnsinnig empfindlich für Sauerstoffmangel, der entsteht, wenn das Herz nicht mehr schlägt. Manchmal seien Reha-Phasen über Wochen, Monate, manchmal auch Jahre notwendig.
Hamburger Klinikhelden: Unbedingt sofort helfen und mit der Reanimation beginnen
Wer in die Situation gerät, dass vor den eigenen Augen jemand zusammenklappt, sollte unbedingt sofort helfen: „Man kann nichts falsch machen. Das einzige, was man falsch machen kann, ist nichts zu tun“, appelliert Janssen. Folgende drei Begriffe sollte sich jeder merken, sagt sie: „Prüfen, rufen, drücken! Man solle die Person ansprechen und an ihr rütteln. „Kommt keine Reaktion. ist das schon mal der erste große Hinweis dafür, dass jemand das Bewusstsein verloren hat“, sagt die Ärztin. Solange jemand atmet, sei das eher kein Kreislaufstillstand. Schnappatmung sei ein Zeichen, mit Wiederbelebungsmaßnahmen anzufangen. „Im Zweifel fängt man an mit der Reanimation, weil jemand, der nicht bewusstlos ist, wird sich wehren.“
Wenn der Mensch nicht reagiert und nicht richtig atmet, müsse man Hilfe rufen – entweder selbst die 112 anrufen oder jemanden beauftragen, dies zu tun. „Und dann fängt man an zu drücken. Man muss den Brustkorb schon ein bisschen eindrücken, mit einer Geschwindigkeit von 100 mal pro Minute.“ Das sei wahnsinnig anstrengend, man sollte sich mit jemandem abwechseln. Wenn man einen unbekannten Menschen nicht zusätzlich beatmen wolle, sei das okay, sagt Janssen.
„Wir wissen, dass eine gute Herzdruckmassage durchgehend auch zu guten Ergebnissen führt.“ Sollte ein Defibrillator in der Nähe sein, sollte man ihn einsetzen. „Die Geräte sagen einem ganz genau, was man zu tun hat.“ Der Defibrillator sei aber nur ein ergänzendes Gerät, ersetzt aber nicht die Herzdruckmassage.