Hamburg. Wurde mit der Entlassung des Tatverdächtigen aus der JVA gegen Recht verstoßen? Hamburger Justizsenatorin wehrt sich.

Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina gerät nach den tödlichen Messerangriffen in einem Regionalexpress von Kiel nach Hamburg unter politischen Druck. Es geht um den Umgang der Hamburger Justiz mit dem 33 Jahre alten Mann, der am vergangenen Mittwoch zwei junge Menschen erstochen und mehrere lebensgefährlich verletzt hatte.

Messerattacke von Brokstedt: War Entlassung des Täters rechtens?

Der staatenlose Palästinenser war am 19. Januar, nur wenige Tage vor der Messerattacke in Brokstedt, aus der JVA Billwerder entlassen worden. In der einjährigen Haft (nach einem Messerangriff) hatte er Mitgefangene und einen Justizangestellten attackiert, offensichtlich eifrig illegale Drogen konsumiert – und er war mit der Ersatzdroge Methadon versorgt worden ohne zu wissen. was er einnahm, behauptet A.’s Anwalt Björn Seelbach. Die Haft endete offiziell im Januar. Aber hat Hamburg mit der Entlassung des Mannes dennoch gegen Recht verstoßen?

Diesen Vorwurf erhebt der Jurist und Kriminologe Bernd Maelicke. Der Strafrechtsexperte wirft Gallina vor, das 2019 beschlossene Hamburger Gesetz zu Resozialisierung und Opferschutz ignoriert zu haben. Das soll verhindern, dass Ex-Häftlinge in ein „Entlassungsloch fallen“, wenn sich die Gefängnistore öffnen. Das Gesetz sei gut, sagt Maelicke. Aber es werde offensichtlich nicht angewendet.

Paragraf 9 des Hamburger ResOG schreibe einen verbindlichen Eingliederungsplan vor mit Regelungen zur sozialen Situation, zum Aufenthaltsort, zu Suchtverhalten und zur Sicherung des Lebensunterhalts. „Auch die im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen zur Prävention sind in diesem Einzelfall nicht erkennbar“, kritisiert Maelicke.

Die Behörde wehrt sich gegen Maelickes Kritik: „Die Vorgaben des Gesetzes zum Eingliederungsplan und auch zum Integrierten Übergangsmanagement gelten nur für die Strafhaft, nicht für die Untersuchungshaft“, teilte die Behörde mit. A. war zwar zu einem Jahr Haft verurteilt worden und hatte auch ein Jahr in Haft gesessen. Da aber das Urteil nicht rechtskräftig war, galt die Zeit offiziell als Untersuchungs- und nicht als Strafhaft.

Wegen der ungewissen Entlassungsperspektive könne für Untersuchungshaftgefangene ein zeitlich und inhaltlich strukturiertes Übergangsmanagement, … nicht umgesetzt werden, verweist die Behörde. „Die Eingliederungsplanung erfolgt im Anschluss an die Untersuchungshaft, wenn feststeht, wie lange die Strafdauer ist. Entlassungsmanagement kann nur zielgerichtet erfolgen.“

CDU zu Messerattacke von Brokstedt: Hamburger Justiz völlig überfordert

Für den Hamburger CDU-Fraktionschef Dennis Thering zeigt der Fall „aufs Neue, dass die Hamburger Justiz völlig überfordert und Senatorin Gallina der Aufgabe nicht gewachsen ist. „Sie taucht einmal mehr ab, statt Antworten zu geben und Probleme zu lösen“, kritisiert Thering.

Erste Antworten erwartet er am Donnerstag im Justizausschuss. Die Staatsanwaltschaft Itzehoe ermittelt wegen heimtückischen Mordes in zwei und versuchten Totschlags in vier Fällen gegen den mehrfach Vorbestraften. A. sitzt in Untersuchungshaft und verweigert die Aussage.