Hamburg. Koffer-Chaos immer absurder. Gepäck mit Weihnachtsgeschenken nur dank Eigeninitiative zurück. Das raten Verbraucherschützer.
Hans-Jürgen Willam ist sauer. Sogar richtig sauer, wie der Ahrensburger der Lufthansa in einer Mail schrieb, nachdem der mit Weihnachtsgeschenken für die Enkelkinder vollgepackte Koffer seiner Frau auf der Reise von Hamburg nach Miami verloren ging. Nur dank der Eigeninitiative des Freundes seiner jüngsten Tochter erreichte das Gepäckstück doch noch das Ziel in Florida – mit 39 Tagen Verspätung und vor allem: vier Wochen nach Weihnachten.
Die Ursache für den vor allem emotionalen Schaden könnte in einem Streit zwischen der Lufthansa und seinem für die Gepäckabwicklung im Flughafen Hamburg beauftragten Dienstleister Aviation Handling Services (AHS) zu finden sein. Doch der Reihe nach.
Flughafen Hamburg: Koffer-Drama mit Lufthansa
Hans-Jürgen Willam und seine Frau flogen am 14. Dezember mit Lufthansa von Fuhlsbüttel über Frankfurt nach Miami. Weil vor Ort eines der beiden aufgegebenen Gepäckstücke fehlte, meldete das Ehepaar den Verlust bei der Airline. Die versprach, dass der Koffer normalerweise in ein bis zwei Tagen ankomme. „Das hat sich als Trugschluss herausgestellt“, schrieb Willam dem Abendblatt.
Drei Anrufe und zähe viereinhalb Stunden in der Telefonwarteschleife später wurde lediglich der Status quo bestätigt: Die Lufthansa kümmere sich und er werde per E-Mail benachrichtigt, sofern es Neuigkeiten gebe. Doch diese blieben weiterhin aus. Auf eine E-Mail, die der Ahrensburger am 28. Dezember verschickte, erhielt er erst nach zwei Wochen eine Antwort – mit dem Inhalt, dass er sich an die richtige Stelle gewandt habe.
Eine Formulierung, die nicht gerade zur emotionalen Besänftigung des betroffenen Ehepaares führte. Dann aber meldete Lufthansa, dass der Koffer gefunden worden sei. „Wir warten auf das Eintreffen am Flughafen“, hieß es in einer Benachrichtigung.
Lufthansa fand den Koffer, konnte ihn aber nicht verschicken
Es verging erneut rund eine Woche, in der Willam nichts weiter von der Airline hörte, also fragte er abermals per Mail nach. In der Antwort, die dem Abendblatt vorliegt, kristallisierte sich eine Posse zwischen der Fluggesellschaft und ihrem Gepäckdienstleister AHS heraus: „... das Gepäck wurde in Hamburg bei einem Dienstleister gefunden, auf dessen Lager Lufthansa keinen Zugriff hat, wir eskalieren mit diesem Dienstleister täglich, bitten daher um Geduld.“ Doch der Passagier war zu diesem Zeitpunkt mit seiner Geduld längst am Ende.
Konfrontiert mit den Vorwürfen teilt AHS auf Anfrage mit, „verwundert“ über die Aussagen der Lufthansa zu sein. „Wir arbeiten eng und vertrauensvoll mit der Lufthansa zusammen und haben die uns übertragenen Aufgaben auch in Phasen von erhöhtem Gepäckaufkommen im Lost- & Found-Bereich verlässlich erledigt.“ Der Dienstleister weist darauf hin, stets den Besitzer von verloren gegangenen Koffern ausfindig zu machen und an den richtigen Flughafen zu bringen. Ab diesem Punkt übernehme allerdings wieder die Airline.
Wie der Koffer am Flughafen Hamburg wieder aufgefunden wurde
Übernommen hat schließlich auch Willam den Fall. Auf der Suche nach dem Koffer seiner Frau schickte er den Freund seiner jüngsten und in Hamburg lebenden Tochter zum Flughafen. Dort gelang seinem Schwiegersohn in spe tatsächlich das nicht mehr für möglich Gehaltene: Er fand das vermisste Gepäckstück inklusive aller Weihnachtsgeschenke.
Daraufhin informierte Willam die Lufthansa schriftlich über den Vorgang und brachte zugleich seinen Ärger über die fehlenden Informationen zum Ausdruck. Auf eine Antwort wartet er nach eigener Aussage bis heute.
39 Tage nach dem Abflug des Ehepaares in Hamburg landete der Koffer am vergangenen Sonntag schließlich in Miami. „Es ist ein kleines Wunder, dass der Freund meiner jüngsten Tochter es geschafft hat, den Job von Lufthansa zu übernehmen“, schrieb der Ahrensburger dem Abendblatt. „Wir empfinden es als frech, wie Lufthansa mit ihren Kunden umgeht.“
Koffer-Drama in Hamburg: Lufthansa entschuldigt sich
Den Frust der Willams kann die Airline nachvollziehen. „Das Vorgehen entspricht nicht unserem Service-Anspruch“, teilte Lufthansa-Sprecherin Anja Lindenstein auf Anfrage mit. „Mitte Dezember wurden wetterbedingt zahlreiche Flüge an den Flughäfen in Frankfurt und München gestrichen. Als Folge blieben viele Gepäckstücke zurück, die nicht mit dem Passagier befördert werden konnten.“ Für die Zukunft arbeite die Fluggesellschaft gemeinsam mit den Flughäfen und den Gepäckdienstleistern daran, die Vielzahl der Gepäckstücke auszuliefern.
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Das Ahrensburger Ehepaar will nun versuchen, für den „getätigten Aufwand“ finanziell entschädigt zu werden. Der emotionale Schaden aber wird die Familie noch eine Weile beschäftigen, davon ist Willam überzeugt.
Flughafen Hamburg: Koffer weg? Was Reisende tun können
Zumindest stehen die Aussichten auf eine finanzielle Entschädigung recht gut, wie die Juristin Julia Rehberg von der Verbraucherzentrale Hamburg dem Abendblatt mitteilte. Denn nach 21 Tagen gilt ein Koffer rechtlich als verloren. Betroffene haben ab diesem Zeitpunkt einen Anspruch auf Schadenersatz, der auf 1400 Euro pro Passagier (nicht pro Koffer) gedeckelt ist. Entschädigt wird der Zeitwert des Kofferinhalts. „Ich kann nur appellieren: Verpacken Sie wertvolle Gegenstände ins Handgepäck“, rät Rehberg Reisenden.
Ein Problem bleibt zudem die fehlende rechtliche Handhabe, wenn die Fluggesellschaft die Suche nach dem Koffer einstellt oder aus Sicht des Kunden nicht ausreichend priorisiert. „Es gibt keine rechtliche Möglichkeit, die Airline dazu zu zwingen, den Koffer zu suchen“, sagt Rehberg. „Das ist ein Dilemma für den Kunden.“
Das bekamen Hans-Jürgen Willam und seine Frau nun am eigenen Leib zu spüren.