Hamburg. Medienkonsum der Jugendlichen passiere zu unkontrolliert. Plattform-Algorithmen wirkten wie eine Droge: „Man kommt nicht los.“

  • Zug-Tragödie der Zwillinge von Allermöhe sollte "uns aufrütteln", sagt die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank
  • Der Medienkonsum von Jugendlichen passiere zu unkontrolliert – speziell in sozialen Medien wie TikTok
  • Fegebank fordert bessere Vermittlung von Medienkompetenz und Sanktionen gegen bestimmte Anbieter

Das Unglück der Zwillinge von Allermöhe, bei dem eine 18-Jährige starb und ihre Zwillingsschwester schwer verletzt wurde, beschäftigt nun die Politik: „Das, was den Mädchen passiert ist, ist sehr traurig und erschreckend. Es sollte uns aufrütteln – auch mit Blick auf die Nutzung von Social Media“, sagte die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) im Gespräch mit dem Abendblatt.

Tragödie der Zwillinge: Fegebank kritisiert Medienkonsum der Jugend

„Knapp dreieinhalb Stunden täglich verbringen Kinder und Jugendliche durchschnittlich online.“ Was sie dort sähen und erlebten, wirke wie eine Droge und sei insbesondere bei TikTok oftmals sogenanntes „digital crack“: „Die Algorithmen spielen mal lustige, mal verstörende Kurzvideos in einer Weise aus, dass man nicht davon loskommt.“

Am vergangenen Dienstagabend waren die Schwestern nahe dem Bahnhof Allermöhe von einem Zug erfasst worden. Vermutet wird, dass sie dort auf den Gleisen ein Video für TikTok drehten. Zuletzt kam es immer wieder zu Todesfällen bei Jugendlichen, die digitale Mutproben filmten, etwa indem sie sich die Luft abschnürten.

Social Media: "Die einen werden krank, die anderen verdienen Millionen"

„Dass der Megatrend der Challenges Jugendlichen das Leben kostet, ist eine dramatische Entwicklung, die die EU erkannt hat“, sagte Fegebank und lobte, dass die Kommission nun handeln will. Die Folgen der sozialen Medien treiben die Mutter von Zwillingen seit Längerem um. Zuletzt hatte sie eine Kennzeichnungspflicht für geschönte Bilder in sozialen Netzwerken gefordert, weil diese ein unrealistisches Schönheitsideal prägen.

Fegebank warnt nun, psychische Erkrankungen und mangelndes Selbstwertgefühl könnten durch Plattformen wie TikTok befördert werden. „Die einen werden krank, die anderen verdienen damit Millionen. Wir müssen darüber reden, wie es den Kindern geht, die sich in Social Media verlieren, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten sie nicht erlernen, wenn sich ihr Leben in eine digitale Parallelwelt verlagert und wie es den Eltern geht, die diesen Kampf nicht gewinnen können.“

Zwillinge-Tragödie in Allermöhe: Fegebank fordert bessere Medienkompetenz

Selbstkritisch sagt sie: „Diese wichtige gesellschaftliche Debatte haben wir nicht ausreichend geführt. Wenn Konzerne unsere Kinder und Jugendlichen nicht besser schützen wollen und Eltern es nur bedingt können, dann muss die Politik eingreifen.“ Es gehe um die Vermittlung von Medienkompetenz – die beispielsweise stärker in den neuen Bildungsplänen der Schulbehörde verankert ist – und die Durchsetzung von Sanktionen, wie sie die EU kürzlich angedroht hat.

„Ich wünsche mir, dass die EU die Möglichkeiten des neu in Kraft getretenen Gesetzes über digitale Dienste (DSA) effektiv einsetzt und wir alle besser hinsehen, damit sich Tragödien wie auf den Gleisen in Allermöhe nicht wiederholen“, sagt die Grünen-Politikerin.