Hamburg. Zwangshandlungen können den Alltag der Betroffenen stark belasten. Wie eine Therapie mit virtuellen Welten helfen kann.
In unserer alltäglichen Welt sind wir ständig und überall von Bakterien und anderen Mikroorganismen umgeben. Das erzeugt bei vielen Menschen Ängste, sich zu infizieren und krank zu werden. Wenn diese Ängste immer größer werden, kann sich daraus ein Waschzwang entwickeln.
Jetzt wollen UKE-Wissenschaftler untersuchen, ob diesen Patienten mit einer Therapie geholfen werden kann, bei der virtuelle Welten eingesetzt werden, die sogenannte „Virtual reality“ (VR).
Virtual Reality: So funktioniert die Therapie der UKE-Wissenschaftler
Als wirksame Therapie gegen diese Art von psychischen Störungen gilt die sogenannte Expositionstherapie, bei der sich die Betroffenen immer wieder ganz bewusst den gefürchteten Situationen aussetzen und dabei die Erfahrung machen, dass die Ängste dabei weniger werden. Doch viele scheuen diesen Schritt, der viel Überwindung kostet.
Die Wissenschaftler der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf untersuchen Therapien, bei denen die sogenannte Mixed Reality („Gemischte Realität“) eingesetzt wird.
„Dabei erhält der Patient eine Brille, durch die er seine reale Umgebung sehen kann. In diesen Raum können wir dann zum Beispiel auf dem Schreibtisch eine schmutzige OP-Maske oder eine dreckige Spritze projizieren“, erklärt Prof. Dr. Lena Jelinek, Leiterin der Arbeitsgruppe Angst- und Zwangsstörungen. Geprüft werden soll, ob sich damit ähnliche Gefühle auslösen lassen wie in einer Exposition in der Realität.
Zwangshandlungen sollen Ekel, Anspannung und Angst unter Kontrolle bringen
Denn beim Waschzwang erzeugt allein schon der Gedanke, dass der Türgriff am Eingang mit gefährlichen Viren kontaminiert, die Toilette in der Firma verschmutzt oder der Sitzplatz im Zug bakteriell verseucht sein könnte, Ekel, Anspannung und Angst. Betroffene entwickeln dann Zwangshandlungen, um den vermeintlichen Gefahren aus dem Weg zu gehen und ihre starken Gefühle unter Kontrolle zu bekommen.
„Diese Handlungen sind stark ritualisiert, sie folgen einem festen Ablauf: Jeder Finger muss zum Beispiel einzeln gewaschen werden. Wenn man dabei gestört wird, beginnt das Ritual häufig noch mal von vorn“, sagt Jelinek. Das kostet viel Zeit und kann zu erheblichen Einschränkungen im Alltag führen. Und es betrifft relativ viele Menschen: Waschzwänge sind die häufigste Form der Zwangsstörungen, an denen in Deutschland rund zwei Millionen Menschen leiden.
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Gelingt es, die Ängste auch mit einer VR-Therapie zu reduzieren, könnte das für viele Menschen neue Behandlungsmöglichkeiten eröffnen. „Dann könnten wir damit auch die erreichen, die sich in der Realität zunächst nicht trauen“, sagt Jelinek. Für die Studie sucht das UKE noch Teilnehmer, die unter Waschzwängen leiden. Infos dazu gibt es hier.
Virtual Reality gegen Vortragsangst: Vorträge halten in einem virtuellen Saal
Zurzeit führen die UKE-Wissenschafter auch eine Studie durch, bei der die „Virtual Reality“ gegen Vortragsangst eingesetzt wird. Dabei wird mithilfe der VR simuliert, dass der Patient Vorträge hält, vor wenigen oder vor vielen Menschen, im großen Saal oder auf der Bühne.
„Das Tolle ist, dass man die Dinge in der virtuellen Realität schnell verändern und individuell an die Ängste des Patienten anpassen kann“, sagt Jelinek. Auch in dieser Studie wird geprüft, ob sich mit Hilfe der VR die Ängste genauso reduzieren lassen wie mit einer Therapie in der Realität. Die Ergebnisse dieser Studie werden zur Zeit ausgewertet und sollen in wenigen Wochen vorliegen.