Hamburg. Astrophysiker Björn Voss möchte die Hamburger mit „Wissenschaft auf Augenhöhe“ begeistern. Das wird der erste Höhepunkt.
Der Himmel über Hamburg hat ungewöhnlich viel zu bieten an diesem Januarabend. Nach regnerischen Tagen ist es aufgeklart; nur einige hochstehende Federwolken verweilen noch. Ihre feinen weißen Fäden bilden ein kreisförmiges Band um den Mond.
„Eiskristalle, die das Licht brechen, erzeugen diesen atmosphärischen Effekt“, sagt Björn Voss. Der Astrophysiker steht im Winterhuder Stadtpark, den Kopf im Nacken, und weist in die Höhe. Sein Zeigefinger wandert vom Mond, der als fast volle, leuchtende Scheibe erscheint, über das dunkle Firmament zwei Handbreit nach rechts zu einem rötlich schimmernden Punkt. „Das ist der Mars.“ Unserer äußerer Nachbarplanet, gerade 100 Millionen Kilometer von uns entfernt, sei mit bloßem Auge besser erkennbar als meistens, erklärt Voss.
Nächster Halt: Jupiter! Was der neue Planetarium-Chef plant
Er deutet etwas tiefer am Himmel auf einen orangerot funkelnden Punkt: „Aldebaran.“ Der Hauptstern im Stier, 67 Lichtjahre weit weg, dennoch ohne Teleskop zu sehen. Rechts davon auszumachen, schwach glimmend: „Die Plejaden, wunderschön und beeindruckend.“
Um diesen Haufen aus Hunderten von Sternen allerdings „ordentlich“ zu sehen, sagt Voss, also nicht überstrahlt vom künstlichen Licht der Hansestadt, müssten wir an seinen künftigen Arbeitsplatz gehen, der hinter uns aufragt: das Planetarium. Dort kann jedermann auf simulierten Reisen durch unser Sonnensystem bis in ferne Galaxien fliegen – und ein scharfes Bild von den Sternen bekommen.
Voss hat schon einmal im Hamburger Planetarium gearbeitet
Voss ist ein Nordlicht. Er wuchs in Lübeck auf, studierte und promovierte in Kiel. 2006, im letzten Jahr seiner Doktorarbeit, war Voss erstmals im Hamburger Planetarium tätig: Als freier Mitarbeiter stand er am Technikpult, präsentierte Vorführungen. Im darauffolgenden Jahr übernahm Voss die Leitung des Planetariums Münster, das er fast 16 Jahre lang führte. Nun kehrt er in einer neuen Rolle in das Hamburger Haus zurück: Von Februar an wird der 46-Jährige die Institution im ehemaligen Winterhuder Wasserturm leiten.
Sein Vorgänger Thomas Kraupe sprach oft von einem „Sternentheater“. Das Planetarium sei eine Bühne, auf der Geschichten des Kosmos inszeniert werden. Auffällig war, wie sich dagegen Björn Voss schon vor seinem Amtsantritt in einer Mitteilung der Kulturbehörde zitieren ließ. Er wolle das Planetarium als „Wissenschaftstheater“ und unser „Tor zum Universum“ weiterentwickeln und alle Hamburgerinnen und Hamburger mit „Wissenschaft auf Augenhöhe“ begeistern.
Vorträge über neue Erkenntnisse aus der astronomischen Forschung seien schon immer ein fester Bestandteil des Programms im Hamburger Planetarium gewesen, sagt Voss beim Treffen mit dem Abendblatt – und lobt seinen Vorgänger überschwänglich. Kraupe habe eine „großartige Palette an Angeboten kreiert“. Aber: „Es ist schon ein neuer Akzent, dass ich mehr auf unterschiedliche wissenschaftliche Formate setzen möchte.“
Zusammenarbeit mit Berliner Planetenforschern geplant
Dabei profitiert der neue Direktor von vielen Kontakten zu wissenschaftlichen Einrichtungen und zur Raumfahrt, die er über die Jahre geknüpft hat. Nach seiner Promotion arbeitete Voss in einem Projekt der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) am Zentrum für Astronomie in Heidelberg mit und bereitete Messreihen für die Gaia-Raumsonde vor, die 2013 ins All startete und seitdem mit zwei Teleskopen und weiteren Instrumenten die Milchstraße durchmustert. Aus den bisher gesammelten Messdaten haben Forschende einen Atlas mit fast 1,8 Milliarden kosmischen Objekten erstellt.
Mit der ESA hat Björn Voss aktuell wieder intensiver zu tun, nun allerdings in seiner Rolle als Vorstandsmitglied der International Planetarium Society (IPS). Die IPS, erzählt Voss, wolle durch eine Kooperation mit der ESA erreichen, dass künftig regelmäßig Neuigkeiten aus der europäischen Raumfahrt in Planetarien präsentiert werden. Davon werde auch das Hamburger Haus profitieren. Losgehen soll es am 7. Mai mit einer Präsentation der ESA-Mission JUICE im Planetarium.
Die Abkürzung steht für „Jupiter Icy Moons Explorer“. Die gleichnamige Raumsonde soll im April dieses Jahres an Bord einer Ariane 5 ins Weltall befördert werden, um zum Jupiter zu fliegen. Der größte Planet unseres Sonnensystems ist ein sogenannter Gasriese. Auf einigen seiner eisigen Monde könnten sich Ozeane aus Wasser verbergen – die Grundlage für Leben, wie wir es kennen. Läuft es nach Plan, wird die Sonde dort 2031 ankommen.
Gibt es Leben außerhalb unseres Sonnensystems?
Leben könnte es auch auf Planeten außerhalb unseres Sonnensystems geben. Nach entsprechenden Spuren suchen Forschende etwa in dem von Exoplaneten reflektierten Licht. Eine führende Rolle spielt das von Heike Rauer geleitete Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Berlin. Geplant sei, dass die Professorin und ihr Team mit dem Planetarium Hamburg eine Produktion entwickeln, die die Vielfalt von Exoplaneten veranschaulicht, sagt Björn Voss.
Austauschen will sich der neue Planetarium-Chef zudem verstärkt mit Hamburger Wissenschaftlern. Denn in der Hansestadt gibt es etliche, die sich weiteren großen Themen der Astronomie widmen, etwa dem Mysterium der Dunklen Materie, Schwarzen Löchern und Gravitationswellen. Voss sucht aber auch den Kontakt zu Forschenden, die sich mit irdischen Problemen und Herausforderungen beschäftigen. Im Gespräch ist er etwa mit Mojib Latif, Klimaforscher und Präsident der Hamburger Akademie der Wissenschaften, über Veranstaltungen im Planetarium.
Die Projektion im Sternensaal soll kontrastreicher werden
Dort hatte sich in den vergangenen Jahren bereits baulich einiges getan. Von 2015 bis 2017 wurden der Sockel und das erste Obergeschoss um 1200 Quadratmeter Nutzfläche erweitert. Seit der Wiedereröffnung ist der Zugang vom Stadtparkniveau barrierefrei, im Erdgeschoss können sich Besucher im Café Nordstein entspannen.
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Björn Voss möchte es bei diesen Modernisierungen nicht belassen, sondern sich bald auch um das Herzstück des Planetariums kümmern: den Sternensaal. Ins Detail gehen mag er noch nicht. Nur so viel: Die Projektion des Sternenhimmels soll an Kontrast gewinnen. Der Bildeindruck könnte damit womöglich „um Welten besser“ werden, sagt er.
In seiner Münsteraner Wohnung hatte Björn Voss eine Dachterrasse. Von dort spähte er mit einem Teleskop ins All. Dieses Glück ist ihm bei seiner neuen Bleibe in der Hansestadt nicht vergönnt. Weiterhin auf seine Kosten kommen möchte er allerdings bei einem anderen Bedürfnis: nach gutem Essen. Deshalb will Voss demnächst die Restaurants vor seiner Haustür erkunden. Wenn es ihn doch mal wieder zu kosmischen Beobachtungen drängt, muss er nur im Planetarium bleiben und den Aufzug nehmen: Von der Plattform in 45 Metern Höhe ist der Blick auf den Himmel über Hamburg auch nicht übel.