Hamburg. Die Verbindung der Wissenschaften Astrophysik und Archäologie generiert neue Entdeckungen, entlarvt aber auch zweifelhafte Theorien.

Die Verbindung von Archäologie und Astrophysik mag auf den ersten Blick seltsam erscheinen. Doch sie ist eine Erfolgsgeschichte, die neue Entdeckungen generiert, aber auch Verschwörungstheorien entlarvt. Denn Aliens boomen, Übernatürliches und Mystery, Magie, Fantasy und Science- Fiction­ sind in, vor allem Fiction ohne Science­.

Und Archäologie ist dabei ein beliebtes Opfer. Denn tatsächlich gibt es Funde und Befunde, an denen auch die Wissenschaftler bis heute herumrätseln. Der beste Humus für Verschwörungstheorien. Denn die üben eine gefährliche Faszination aus, nicht nur in der Archäologie.

Astrophysik Hamburg: Buch über die Sterne erscheint

In den vergangenen drei Jahrzehnten habe ich mich in meinen Fernsehserien wie „Schliemanns Erben“, „C14“ oder „Humboldts Erben“ intensiv und immer wieder mit den Geheimnissen der Archäologie auseinandergesetzt. Jetzt wurde es Zeit für eine neue Perspektive: Gemeinsam mit dem Astrophysiker Harald Lesch fühle ich merkwürdigen Fällen auf den Zahn, die es eigentlich nicht geben dürfte.

Das Ergebnis: „Liegt die Antwort in den Sternen?“ ist jetzt als gemeinsames Buch erschienen. Darin dreht es sich um Fragen wie diese: Gab es eine Menschheit vor der Menschheit? Oder unterschätzen wir das Wissen und Können unserer Vorvorfahren­? Oder weilten „sie“ doch schon auf der Erde, sie, die Außerirdischen? Wie etwa das „Sirius-Rätsel“ vermuten lässt.

Das Buch „Liegt die Antwort in den Sternen?“ ist im Propy­läen-Verlag erschienen, hat 368 Seiten und kostet 32 Euro.
Das Buch „Liegt die Antwort in den Sternen?“ ist im Propy­läen-Verlag erschienen, hat 368 Seiten und kostet 32 Euro. © Propyläen Verlag

Das Sirius-Rätsel der Dogon

1974, kurz vor Weihnachten, erklimmt der Hamburger Generalkonsul der Republik Mali das schroffe Felsmassiv von Bandigara, 300 Kilometer südlich der sagenhaften Stadt Timbuktu, der Pforte zur Sahara. Hier ist das Reich der Dogon, ein Volk ohne Schrift, das kaum jemand kennt. In seiner Begleitung: ein Leutnant, ein Fahrer, zwei Dolmetscher für Dogon-Bambara und Bambara-Französisch sowie seine Ehefrau, also ich.

In Europa wussten nur eine Handvoll Ethnoarchäologen und vor allem Kunstliebhaber von den isoliert lebenden Menschen, die im 12. Jahrhundert auf der Flucht vor dem Islam auf das hitzeglühende zerklüftete Plateau mit seinen schroffen bis zu 500 Metern tiefen Abhängen geflohen waren.

Expedition ins Volk der Dogon

Begrüßt werden wir mit Bier aus einer Kalebasse, nicht anders als eine französische Expedition in den Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts mit dem unverblümten Ziel, möglichst viele ethnografische Gegenstände – die ältesten stammen aus dem 11. Jahrhundert – mitzubringen, um die Sammlung des Pariser Musée d’Éthnographie du Trocadéro zu bereichern. Mit Begeisterung und Feuereifer tauchten die Teilnehmer ein in diesen neuen Kosmos mit seinen mystischen Bräuchen und Ritualen.

Alles ist fremd, alles rätselhaft. Vor allem der Leiter der Expedition, der junge französische Völkerkundler Marcel Griaule, ist fasziniert. So sehr, dass die Dogon zu seinem Lebens­inhalt werden. Als ich zum ersten Mal das Land der Dogon besuchte, kannte jeder noch Marcel Griaule, der neun Jahre zuvor gestorben und mit der großen rituellen Trauerzeit Dama geehrt worden war.

In den kommenden Jahrzehnten sollte er immer wieder hierher zurückkommen, mit dem Volk der Dogon leben, ihre Sprache lernen und schließlich in die größten Geheimnisse des Stammes eingeweiht werden, auch in ihr „uraltes geheimes Wissen“ über astronomische Systeme und kalendarische Messungen.

„The Sirius Mystery“: Außerirdische auf der Erde zu Besuch?

Und damit begann das ganze Theater. In Griaules Veröffentlichung seiner Gespräche mit dem Weisen Ogotemmeli beschreibt er, wie ihre jahrhundertealte Mythologie, ihre Tänze und Zeichnungen das komplexe System des 8,6 Lichtjahre entfernten Roten Riesen Sirius, des hellsten Sterns am Firmament, beschreiben und auch seinen unsichtbaren Begleiter, den Weißen Zwerg Sirius B, der ihn alle 50 Jahre umkreist. Alles Phänomene im Universum, von denen die Dogon eigentlich nichts wissen konnten, weil sie mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind!

Ein Größenvergleich zwischen dem Riesenplaneten Jupiter (l.), unserer Sonne und dem Sirius A.
Ein Größenvergleich zwischen dem Riesenplaneten Jupiter (l.), unserer Sonne und dem Sirius A. © wikimedia

Griaules Veröffentlichungen über das erstaunliche Wissen der Dogon brachten den Orientalisten und Schriftsteller Robert K.G. Temple auf die Idee zu einem Buch. 1976 erschien „The Sirius Mystery“, das weltweit bis heute Furore macht. Temple wollte Belege dafür gefunden haben, dass die bis ins 20. Jahrhundert isoliert lebenden Dogon ihre detaillierten Kenntnisse über den hell leuchtenden Sirius und seinen Begleiter direkt aus erster Hand erhalten hatten. Nämlich von Besuchern des Sterns höchstpersönlich! Das habe sich als uraltes Bewusstsein in ihren Mythen erhalten, die – so Temple – eigentlich Reportagen seien über längst vergangene Besuche Außerirdischer auf Erden.

Aus den Mythen wurde zahlreiche Filme, Serien, Musikstücke

Temples mysteriöse Thesen begeistern Präastronautiker und Ufologen und finden sich massenweise bis heute in der Populärkultur wieder, in zahlreichen Filmen, TV-Serien und selbst in Musikkompositionen. Karlheinz Stockhausen, Pionier der elektronischen Musik, war wohl ebenfalls von Temples Hypothesen angesteckt. Am Anfang seines Werks „Sirius“ ertönt aus Lautsprechern das rotierende Bremsgeheul von vier Raumschiffen, mit denen die Boten von Sirius auf der Erde landen.

Der Komponist selbst behauptet von sich, vom Stern Sirius zu stammen und nach seinem Tod (er ist 2007 gestorben) von Köln aus dorthin zurückzukehren. Zumindest dies werden wir überprüfen können, wenn die Raumsonde Voyager 2, die 1977 gestartet ist, wie vorgesehen am Sirius vorbeifliegt. Das dauert nur noch 296.000 Jahre. Bis dahin freuen wir uns, dass mein Co-Autor, der Astrophysiker Harald Lesch, die Dinge ins rechte Licht setzt.

Fazit: Das „Sirius-Rätsel“ ist keins. Eigentlich schade.

Tatsächlich wurde Sirius B erst 1862 bei einem Test mit einer neuen Teleskoplinse entdeckt. Und erst im Jahr 2000 zeigte das Weltraumteleskop Hubble, dass B fast denselben Umfang wie die Erde hat, aber 300.000-mal so schwer ist. Ein Weißer Zwerg, eine Sternleiche, ein – nach astronomischen Maßstäben – winziges Überbleibsel eines großen vor vielen Hundert Millionen Jahren verstorbenen Sterns. Und weil dieses Überbleibsel so klein ist, kann man es nur mit einem sehr guten Teleskop entdecken.

Die beiden Vermessungssatelliten TerraSAR-X und TanDEM-X erstellen ein dreidimensionales Abbild unserer Erde, das auch von Archäologen für ihre Forschungen genutzt wird.
Die beiden Vermessungssatelliten TerraSAR-X und TanDEM-X erstellen ein dreidimensionales Abbild unserer Erde, das auch von Archäologen für ihre Forschungen genutzt wird. © wikimedia

Aber wieso können die Dogon davon gewusst haben? Doch zur Enttäuschung aller Präastronautik-, Temple- und von-Däniken-Anhänger: aus erster Hand sicher nicht. Das Sternsystem Sirius ist viel zu jung für belebte Planeten. So müssen wir uns mit einer nüchternen Lösung zufriedengeben. Heute wird vermutet, dass Marcel Griaule, der auch Astronomie studiert hatte, es in den 33 ermüdenden Gesprächstagen dem Weisen Ogotemmeli selbst in den Mund gelegt hat. Fazit: Das „Sirius-Rätsel“ ist keins. Eigentlich schade.

Die Dogon wurden zwar (vor 100 Jahren) von einer technisch höher stehenden Zivilisation besucht – doch nicht von einer außerirdischen. Doch es bleiben heiß diskutierte archäologische Funde und Befunde, denen im Buch nachgeforscht wird. Wie den Nasca Linien in Peru, dem Sternenwissen der alten Ägypter oder einer 4000 Jahre alten, hoch technisierten Zivilisation, die „aus heiterem Himmel“ in der sibirischen Steppe auftauchte und spurlos wieder verschwand.

Warum ging das Maya-Reich unter?

Viele neue Fragen an alte Zeiten können jetzt durch den Einsatz moderner Techniken gestellt – und beantwortet – werden. Der Einsatz physikalischer Methoden wie Georadar oder LiDAR (Light Detection and Ranging) und die satellitengestützte Weltraumarchäologie sind längst nicht mehr nur die Zukunft des „Ausgräbers“, große Ausgrabungen sind ohne sie heute nicht denkbar. Selbst dichte Urwälder werden am Bildschirm künstlich entlaubt und geben so frei, was sie unter dem Blätterdach verbergen.

Zum Beispiel die Antwort auf die Frage, warum das mächtige Maya-Reich versank. In den Urwäldern Südamerikas offenbarten Laserscans die Existenz von mehr als 60.000 bisher unbekannten versunkenen Ruinen. Darunter eine riesige Metropol­region der Maya im Dschungel von Guatemala, ein gewaltiges Netzwerk aus miteinander verbundenen Städten, in denen Millionen von Menschen lebten. Überbevölkerung, unmäßiger Energieverbrauch, Hungersnöte, Emigrationsbewegungen und Aufstände führten zu einem Zusammenbruch: Große Zivilisationen gehen auch und vor allem an sich selbst zugrunde. Können wir aus Geschichte lernen? Wir könnten, aber wir tun es nicht.

Auftritt im Planetarium

Am Sonntag, 4. Dezember, um 11 Uhr stellen Gisela Graichen und Harald Lesch ihr Buch „Liegt die Antwort in den Sternen?“ im Planetarium Hamburg vor. Karten zu 15 (13) Euro sind im Internet erhältlich auf planetarium-hamburg.de