Hamburg. Bürgermeister Peter Tschentscher hat überraschend die Verklappung vor Scharhörn verteidigt. Kompromiss schon wieder hinfällig?

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher wirbt weiter für eine Verbringung des Elbschlicks in die Hamburger Außenelbe. Bei einem Vortrag im traditionsreichen Übersee-Club brachte er am Dienstagabend erneut die Verklappung von jährlich rund zweieinhalb Millionen Kubikmeter aus dem Flusslauf gebaggerten Sediments nahe Scharhörn ins Spiel. Die im Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer gelegene Vogelschutzinsel gehört zur Hansestadt.

Erst kurz vor Weihnachten hatte sich Hamburg im Streit um den Schlick mit Schleswig-Holstein und Niedersachsen darauf verständigt, vorerst keine Sedimente vor Scharhörn zu verklappen, sondern sie zunächst zum Seezeichen Tonne E3 bei Helgoland zu bringen. Aus Kiel hatte es im Anschluss geheißen, die Hamburger Scharhörn-Pläne seien damit vom Tisch. Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) hatte diese Lösung im Abendblatt-Interview als "tragfähigen Kompromiss" gelobt.

Elbe: Schlick-Verklappung vor Scharhörn "ein vernünftiger Vorschlag"

„Die Hamburger Außenelbe ist wirklich kein Skandal. Es ist ein vernünftiger Vorschlag“, sagte Tschentscher hingegen am Dienstag. Die Umweltbedenken der Nachbarländer stellte er als unbegründet dar, zumal es um Sediment „nur aus der Wasserstraße, nicht aus dem Hafenbecken“ gehe. „Wir möchten dem, was der Elbstrom ohnehin gemacht hätte - wenn er ein bisschen mehr Wasser geführt hätte -, dem möchten wir ein bisschen nachhelfen.“

Obwohl der Bund nicht weit entfernt von Scharhörn und „ziemlich dicht am Wattenmeer“ beim Neuen Lüchtergrund die vierfache Menge Schlicks verklappe, würden die Hamburger Pläne als „großes Ärgernis“ verstanden, „weil wir angeblich die Natur gefährden“, sagte Tschentscher. Dies sei aber gar nicht der Fall. „Das muss man einmal akzeptieren. Wir geben doch jetzt nicht mutwillig Schlick da irgendwo in die Nordsee, sondern das Sediment kommt - entweder aus der Nordsee rein oder mit dem Elbstrom runter. Es kommt nicht aus Hamburg.“

Daneben habe Hamburg auch die Nutzung der sogenannten ausschließlichen Wirtschaftszone zur Schlickverbringung vorgeschlagen - noch weiter draußen in der Nordsee. Dem müsse der Bund noch zustimmen. „Dann haben wir ein System, wo wir - je nach aktueller Lage und nach Sedimentqualität - die verschiedenen Verbringstellen nutzen können“, sagte Tschentscher.

Elbschlick vor Scharhörn? Kritik kommt nicht nur aus der Opposition

Sowohl aus der Hamburger Opposition als auch aus dem Nachbarland Niedersachsen, das sich ebenso wie Schleswig-Holstein strikt gegen eine Verklappung vor Scharhörn ausgesprochen hatte, kam am Mittwoch deutliche Kritik: „Die Halbwertszeit der Absprachen des rot-grünen Senats mit unseren Nachbarbundesländern scheint sehr überschaubar zu sein“, sagte CDU-Fraktionschef Dennis Thering mit Blick auf die vorweihnachtliche Einigung von Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen.

„Hier zeigt sich erneut die miserable Abstimmung des Hamburger Senats mit unseren Nachbarn“, sagte Thering. Mit dieser Vorgehensweise von oben herab werde Tschentscher scheitern. „Statt weitere Sonntagsreden zu halten, sollte der Bürgermeister endlich langfristige Lösungen mit den anderen Ministerpräsidenten und vor allem auch der Ampel im Bund finden und diese dann auch umsetzen.“

Grüne irritiert über Scharhörn-Vorstoß von Tschentscher

„Mich wundert und irritiert der erneute Hamburger Vorstoß sehr“, sagte Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) in einer Mitteilung am Mittwoch. „Alle beteiligten Länder waren sich einig, mit dem weihnachtlichen Schlickfrieden einen guten und wichtigen Schritt in Richtung einer vernünftigen und tragfähigen Lösung gemacht zu haben.“ Daran seien Schleswig-Holstein und Niedersachsen weiterhin interessiert. „Eine Schlickverklappung vor Scharhörn lehnen wir nach wie vor ab“, sagte Meyer.

Auch aus Kiel kommt Gegenwind: Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein hätten eine Verabredung getroffen, sagte der Pressesprecher des von den Grünen geführten Umweltministeriums, Matthias Kissing. „Wir gehen davon aus, dass Hamburg sich als ehrbarer Kaufmann an diese Verabredung hält.“ Der Landtag habe sich erst kürzlich klar und fraktionsübergreifend gegen eine Verklappung bei Scharhörn ausgesprochen.

Elbe: Selbst der eigene Umweltsenator plädiert für den Kompromiss

Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) hat ebenfalls zurückhaltend auf den Tschentschers Scharhörn-Vorstoß reagiert. Die zuständigen Fachbehörden Umwelt und Wirtschaft sowie die Senatskanzlei hätten kurz vor Weihnachten gemeinsam mit Schleswig-Holstein und Niedersachsen eine vernünftige Vereinbarung getroffen, sagte der Grünen-Politiker am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. „Wir haben dadurch Zeit gewonnen, neue Verbringstellen zu prüfen und nach einer Lösung zu suchen, die langfristig trägt.“

Dies sei eine große Chance, zusammen mit den Nachbarländern und dem Bund ein nachhaltiges Sedimentmanagement auf die Beine zu stellen. „Das sollte man nicht auf’s Spiel setzen. Ich fühle mich an diese getroffene Vereinbarung gebunden“, sagte Kerstan.