Hamburg. Verlagerung des Fernbahnhof Altona nach Diebsteich ist weiter umstritten. Initiative klagt nun gegen Autoverladung in Eidelstedt.
Die Verlagerung des Fernbahnhofs Altona zur bisherigen S-Bahn-Station Diebsteich ist in vollem Gange. 2021 wurden die Arbeiten für den Neubau gestartet, kürzlich wurde der Wettbewerb für die Gestaltung der Außenanlagen abgeschlossen, und auch die geplante Bebauung des angrenzenden ehemaligen ThyssenKrupp-Areals mit einem Fußballstadion, einer Musikhalle, Büros und Handel ist weitgehend durchgeplant.
Die Initiative Prellbock Altona, die für den Verbleib des Fernbahnhofs am jetzigen Standort kämpft, gibt dennoch nicht auf. Jetzt hat sie nach eigener Mitteilung Klage beim Oberverwaltungsgericht gegen eine neue Autoverladung in Eidelstedt eingereicht – beziehungsweise gegen den im vergangenen August ergangenen Planfeststellungsbeschluss für das Projekt. Denn der Neubau der bislang noch am Bahnhof Altona beheimateten Autoreisezuganlage (ARZ), wie sie offiziell heißt, sei eine „unnötige Konsequenz“ der geplanten Bahnhofsverlegung.
Warum Prellbock die Verlagerung der Autoverladung ablehnt
„Wir haben uns zur Klage entschlossen, um unserer Forderung nach der Berücksichtigung von Klima- und Ressourcenaspekten bei Großprojekten Nachdruck zu verleihen“, sagte der Prellbock-Vorsitzende Michael Jung. „Es kann nicht sein, dass in Zeiten der Klimakatastrophe ein gut funktionierender, erhaltenswerter Bahnhof stillgelegt und abgerissen wird, um ihn dann mit viel Aufwand und Ressourcenbedarf, hohen Kosten und schlechterer Funktionalität durch einen Neubau an anderer Stelle zu ersetzen.“
Die geplante Verlegung der Autoreisezuganlage von Altona „mitten zwischen zwei Wohngebiete in Hamburg-Eidelstedt zeigt deutlich, dass die Schließung des Bahnhofs in Altona verfehlt ist und weitere überflüssige Projekte nach sich zieht“, so Michael Jung.
"Schließung des Bahnhofs in Altona zieht weitere überflüssige Projekte nach sich"
Aus Sicht von Prellbock sprechen mehrere Punkte gegen den Abriss der vorhandenen Anlage in Altona und den geplanten Neubau. Außer dem Umweltaspekt – Bestandserhalt ist in den Regel klimaschonender als ein Neubau – sei dies auch die Lage zwischen Wohngebieten in Eidelstedt: Damit seien „erhebliche negative Umweltauswirkungen für die dortigen Anwohnerinnen und Anwohner verbunden“, heißt es bei Prellbock.
„Neben weiterer Bodenversiegelung sind viel zusätzlicher Lärm und Erschütterungen, erst durch den Bau und dann dauerhaft durch den Betrieb und den An- und Abfahrtverkehr zu erwarten.“ Zudem sei neue Autoverladung nur über die verkehrlich ohnehin überlastete Elbgaustraße und durch zwei enge Unterführungen zu erreichen, so die Initiative.
Hat die neue Anlage eine geringere Kapazität?
Die neue Anlage habe außerdem eine geringere Kapazität als die bestehende – dabei sei mit Ausweitung der Nachtzugverkehre und einer steigenden Nachfrage nach klimagerechtem Reisen eher von einem wachsenden Bedarf an Autoreisezügen auszugehen. Nicht zuletzt kritisiert Prellbock, dass die neue Autoverladung „in einem für die hamburgische Trinkwasserversorgung wichtigen Wasserschutzgebiet“ gebaut werden solle: „Das auf den zahlreichen Verkehrsflächen der ARZ-Anlage anfallende Regenwasser würde dort entgegen der klaren Vorgaben der Schutzgebietsverordnung in das Erdreich geleitet.“
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Prellbock schätzt die Kosten für die neue Autoverladung auf mehr als 100 Millionen Euro und kritisiert: „Letzten Endes würden die Bürger für die überflüssige Investition zur Kasse gebeten, sei es als Steuerzahler oder als Bahnfahrer über erhöhte Ticketpreise.“
Kosten von 100 Millionen Euro? Kann die Bahn „nicht bestätigen“
Die Deutsche Bahn sagt dazu auf Abendblatt-Anfrage, sie könne die Prellbock-Schätzung „nicht bestätigen. Die Kosten sind noch nicht abschließend berechnet“, so eine Sprecherin. Auch die Sorge vor möglichen Umweltschäden weist das Staats-Unternehmen zurück: Die Planung der Autoreisezuganlage berücksichtige die besonderen Anforderungen des Wasserschutzgebietes, heißt es. Schädliche Auswirkungen würden „durch Filtrierung des Regenwassers ausgeschlossen“.
Zur Kritik an den möglicherweise zu geringen Kapazitäten teilte die Bahn-Sprecherin mit, die neue Autoverladung in Eidelstedt sei „für die gleichzeitige Abfertigung von zwei Autoreisezügen mit jeweils maximal 80 Pkw ausgelegt“. Zum Vergleich: Derzeit werden im Schnitt etwa 40 Pkw pro Tag in Altona verladen. Auf der Projekt-Homepage heißt es zudem, die neue Anlage stehe „ausschließlich dem Autoreisezugverkehr zur Verfügung und ist für zukünftige Nachfragesteigerungen ausgelegt“.
Eröffnung soll 2027 zeitgleich mit dem neuen Bahnhof Diebsteich sein
Dort malt die Bahn das Projekt in schönsten Farben: Sie wirbt für die „einfache Anreise über die Autobahn sowie das Hamburger Straßennetz“ und die „gute Erreichbarkeit über den nahe gelegenen S-Bahnhof Elbgaustraße“. Ein modernes Servicegebäude stelle „einen bestmöglichen Kundenservice sicher“, und mit „der Nutzung des vorhandenen Betriebsgeländes wird die Umwelt geschont“.
Der Baubeginn verzögert sich dennoch weiter und ist nun für Herbst 2024 vorgesehen. In Betrieb gehen soll die neue Anlage im Frühjahr 2027 gleichzeitig mit dem neuen Bahnhof am Diebsteich. Für diesen steht schon fest, dass er knapp 550 Millionen Euro kosten soll.
Um die Kapazität des neuen Bahnhofs gab es bereits einen Rechtsstreit
Obwohl es dort nur noch sechs Gleise für Fern- und Regionalverkehr geben wird (der jetzige Bahnhof Altona hat acht Gleise plus den zweigleisigen Bypass auf der Verbindungsbahn), will die Bahn dort mehr Verkehr abwickeln. Als ein Hauptargument gilt dabei, dass am Diebsteich ein Durchgangsbahnhof gebaut wird, während Altona ein Kopfbahnhof ist, in dem sich die ein- und ausfahrenden Züge teilweise gegenseitig behindern.
Prellbock bezweifelt das und kritisiert dass der neue Bahnhof sogar weniger Kapazitäten habe als der bestehende. Darum hatte es allerdings bereits einen Rechtsstreit gegeben, der vor knapp drei Jahren mit einem Vergleich endete: Damals hatte sich der Verkehrsclub Deutschland Nord (VCD) als Kläger mit der Stadt und der Bahn unter Moderation von Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) vor dem Oberverwaltungsgericht verständigt und das Projekt Bahnhofsverlegung damit möglich gemacht. Kern der Einigung war ein Gutachten, wonach der neue Bahnhof am Diebsteich wie gefordert bis zu 31 Züge pro Stunde abfertigen kann.
Erst nach der Bahnhofsverlagerung können 1900 Wohnungen in Altona gebaut werden
Die Verlagerung ist auch Voraussetzung für die Realisierung des zweiten Bauabschnitts der Neuen Mitte Altona mit 1900 Wohnungen. Dieses Projekt kann erst starten, wenn die großen Gleisanlagen nördlich des heutigen Bahnhofs zurückgebaut sind. Der unterirdische S-Bahnhof Altona bleibt dabei erhalten. Auch Diebsteich wird wie bisher zwei Gleise für die S-Bahn haben.