Hamburg. Ärztin und ihr Mann sollen versucht haben, online einen Mörder anzuheuern. Stattdessen seien sie von Kriminellen hereingelegt worden.
Anonymität ist das Zauberwort. Sie ist das A und O im sogenannten Darknet. Und um dort möglichst abgeschirmt vom sonstigen Internet agieren zu können, ist schon auf dem Weg in die Weiten dieser düsteren Sphären ein Maximum an Verschleierung gefordert. So wäre es schließlich möglich, im besten Fall absolut inkognito Straftaten zu begehen — beispielsweise einen Auftragskiller zu engagieren, um den missliebigen Ex-Partner aus dem Weg räumen zu lassen.
Prozesse Hamburg: Ärztin sollte im Darknet mit Bitcoins zahlen
So sollen es die Hamburger Ärztin Lena V. und deren Ehemann, der Unternehmer Timo V., (alle Namen geändert) im vergangenen Frühjahr versucht haben. Die 49-Jährige und ihr zwei Jahre älterer Gatte stehen deshalb wegen versuchter Anstiftung zum Mord vor dem Schwurgericht. Ihnen wird vorgeworfen, auf einer vermeintlich für solche mörderischen Machenschaften spezialisierten Website Foto und Adresse des früheren Partners von Lena V. mitgeteilt und die Bezahlung in Form von Bitcoins in die Wege geleitet zu haben.
Allerdings: Die Website war nicht von professionellen Killern, sondern von Betrügern eingerichtet worden. Nachdem sie das Geld erhalten hatten, verschwanden sie auf Nimmerwiedersehen in den undurchsichtigen Pfaden des Darknet. Den mutmaßlichen Auftraggebern indes kamen Ermittler des FBI auf die Schliche.
Die Hamburger Ermittler hätten Hinweise der amerikanischen Bundespolizei bekommen, dass die Spur verdächtiger Machenschaften im Darknet nach Hamburg führe, berichtete am Dienstag ein LKA-Ermittler als Zeuge. Die FBI-Kollegen hätten die Website, auf die umgerechnet 15.000 Dollar in Bitcoin transferiert wurden, „Number One Hitman Service“ (Nummer eins Auftragskiller-Service) genannt. Doch in Wahrheit besteht so eine Website im Darknet typischerweise nicht aus einem gut nachvollziehbaren Namen, sondern aus einer Folge von Zeichen — möglichst gründlich chiffriert.
FBI ermittelte im Fall der Hamburger Ärztin
Und auch wer sich dieser Dienste bedienen will, muss etliche technische Hindernisse überwinden. In das Darknet geht es nicht etwa mit einem einzigen entschlossenen Schritt durch die eine imaginäre Tür, die Eingeweihte aufschließen können. Sondern es werden Daten so oft und so gründlich verschlüsselt, bis sich neue Wege auftun — in die Anonymität und damit in die nahezu unbegrenzten Möglichkeiten des Darknets. Der Ermittler erzählt unter anderem von „Wasabi-Wallets“, einem sogenannten Bitcoin-Mixer, der Zahlungs-Transaktionen so verschleiere, dass der Weg der Bitcoins nicht mehr nachvollziehbar ist.
Das FBI habe das Hamburger LKA darüber informiert, dass es einen Mordauftrag gegen einen 56-jährigen Hamburger gegeben habe — den früheren Lebensgefährten von Dr. Lena V. Hintergrund sei ein Sorgerechtsstreit um die gemeinsame Tochter gewesen. So gerieten die Medizinerin und ihr Ehemann in das Visier der Hamburger Ermittler.
Unter anderem wurden die Finanzen der beiden Verdächtigen durchleuchtet, wobei festgestellt wurde, dass Unternehmer Timo V. mehrere Konten hatte und offenbar über sehr viel Geld verfüge. Auswertungen hätten Geldbewegungen zu einer sogenannten Krypto-Börse ergeben.
Polizei fand bei Unternehmer Timo V. Notizbuch mit verdächtigen Einträgen
Und hier kommt die Verschleierungs-Methode „Wasabi-Wallet“ ins Spiel. Auch ein „Secret Code“ und ein „View-Code“ spielen eine Rolle, um sich die Welt zum Darknet zu öffnen, ebenso wie eine sogenannte Seedphrase. Dies seien mehrere Wörter, erläutert der LKA-Ermittler. Jedes stehe für einen bestimmten Wert, und aus diesen Werten werde ein „private key“, also ein privater Schlüssel, errechnet. Mit diesem könne der Nutzer eines Kontos nachweisen, dass er überhaupt verfügungsberechtigt ist.
Und offenbar gibt es Hinweise, dass Unternehmer Timo V. entsprechende Transaktionen unternommen habe. Einerseits deuten Ermittlungen darauf hin, dass der 51-Jährige am Computerbildschirm eine sogenannte Seedphrase erstellt haben könnte. Darüber hinaus wurde bei einer Durchsuchung ein Notizbuch mit mehreren verdächtigen Eintragungen gefunden. Passwörter und Codierungen, um ins Darknet einzutauchen und dort Transaktionen einleiten zu können? Eine Kladde mit handschriftlichen Notizen einerseits und die hochkomplizierte, technisierte Welt der verschlüsselten Netzwerke andererseits: Es ist ein erstaunlicher Gegensatz. Doch womöglich war Timo V. in beiden Bereichen zu Hause.
Auftraggeber soll Pseudonym „Eppentown67“ benutzt haben
Insgesamt sechs Transaktionen in Bitcoins konnten die Ermittler feststellen, die sich auf eine Summe von rund 15.000 Euro addierten. Eigentlich hätte man diesen Betrag auch in einer Überweisung schicken können. Aber sie hätten einen Hinweis gefunden, so der Kripo-Beamte, dass die Entwickler im Darknet empfehlen, Einzahlungen in mehrere Transaktionen vorzunehmen, „um die Anonymität noch besser zu wahren“.
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Die Ermittler hätten versucht, nachzuvollziehen, wohin das Geld im Darknet geflossen ist, berichtet der LKA-Mann weiter als Zeuge. „Das waren aber Vorgänge, die wir nicht weiterverfolgen konnten.“ Als Auftraggeber seien ein User oder eine Userin mit dem Pseudonym „Eppentown67“ ermittelt worden. Laut Anklage steckt das Ehepaar Lena und Timo V. dahinter.
Seit Juni sitzt die beiden mittlerweile in Untersuchungshaft. Im Gerichtssaal herrscht zwischen der Frau und dem Mann eine auffällige Kühle. Kein Lächeln, kein vertrauter Blick, so scheint es. Lena V., eine schmale Frau mit langem blonden Zopf, wirkt vor allem mit sich selbst beschäftigt, etwa wenn sie in einer Verhandlungspause leichte Übungen wie angedeutete Kniebeugen vollzieht und dabei immer wieder tief durchatmet. Um sich zu beruhigen und Kraft zu schöpfen? Der Prozess wird fortgesetzt.