Hamburger. Der Kabarettist spricht über Gendern, den RBB-Skandal und den Bundeskanzler – ein Thema in seinem satirischen Jahresrückblick.

Er ist mit seinem satirischen Jahresrückblick „Schluss jetzt!“ am 7. Januar in der Hamburger Laeiszhalle zu Gast. Vorher sagt Florian Schroeder in unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“, was er über die ersten zwölf Monate mit Bundeskanzler Olaf Scholz und der Ampel-Regierung, den Skandal beim RBB und die Zuschauerrückgänge in Theatern denkt. Das komplette Gespräch hören Sie hier.

Das sagt Florian Schroeder über …

… seine (sehr schnelle) Art zu sprechen:

„Ich spreche nicht so schnell, weil ich hektisch bin oder weil ich es eilig oder Angst habe, nicht alles unterzubringen, was ich sagen möchte. Ich spreche von Natur aus etwas schneller als andere. Wenn ich langsamer spreche, bremse ich auch mein Gehirn, und dann kommt da nichts Sinnvolles heraus.“

… die vielen Shows, Kolumnen, Sendungen, die er macht:

„Ich brauche verschiedene Kanäle für verschiedene Stimmungen und Stimmen, die ich in mir habe. In einem Podcast kann und darf ich etwas ganz anderes machen als in einer Kolumne für einen Radiosender oder gar in einem Bühnenprogramm. Deshalb nutze ich möglichst viele Medien für meine Arbeit. Das ist auch deswegen gut, weil sich mit der Zeit und neuen Erkenntnissen meine Haltung zu bestimmten Themen ändert und ich dann verschiedene Plattformen habe, um diese Prozesse zum Ausdruck zu bringen.“

… das erste Jahr mit Olaf Scholz als Bundeskanzler, das eines der Hauptthemen in seinem satirischen Jahresrückblick ist:

„Fangen wir mit dem Positiven an: Er ist zweifellos besonnen, er ist klug, analytisch und nachdenklich, und er ist sicher ein besserer Regierungschef als ganz viele, die uns international umgeben. Ich bin froh, dass wir in dieser schwierigen Situation jemanden wie ihn haben. Und damit zum Negativen: Leider ist seine Kommunikation katas­trophal. Olaf Scholz ist auf eine dramatische Weise ein Dissident des Diskurses. Das heißt: Er schweigt, wenn er sprechen sollte, und er spricht, wenn er schweigen sollte. Hinzu kommt, dass Scholz es trotz seiner Belesenheit nicht schafft, seine Politik klar und verständlich zu erklären. Das konnte Angela Merkel besser, auch wenn wir alle wissen, dass sie gleichfalls keine große Rhetorikerin war. Und sie wirkte nie so arrogant wie der aktuelle Kanzler.“

… die Zeit der großen Parodien, die vorbei sei:

„Comedy und Satire haben sich verändert. Es ist alles im positiven Sinn schneller geworden, während Parodieprogramme eher langsame Formate sind. Die Kunst der Parodie ist heute, sie kurz in ein Bühnenstück einzubauen, also hier drei Sätze und dort vier, und weiter geht’s.“

… den Skandal beim RBB, für den er auch arbeitet:

„Ich konnte mich in den Podcasts, die ich für den RBB mache, tabulos über die Affäre dort auslassen, das sagt schon einmal einiges über die Kultur der Aufarbeitung im Sender. Der Skandal war für niemanden vorhersehbar innerhalb des RBB. Bei den wenigen Begegnungen, die wir hatten, fand ich Frau Schlesinger souverän, charismatisch und bestimmt. Und sie hat das Programm inhaltlich wirklich umgebaut und auf ein neues Niveau gebracht. Der RBB hat im Vergleich mit anderen Sendern überdurchschnittlich viele hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und er hat wie kaum eine andere Anstalt einen Freiheitsethos seinen Leuten gegenüber. Dieser Laden hat es nicht verdient, was in diesem Jahr mit ihm passiert ist, und ich frage mich bis heute, wie Patricia Schlesinger sich so verhalten konnte, wie sie sich verhalten hat. Ich fürchte, es war in Koalition mit ihrem Mann die Nummer: Baby, wir gehen nach Berlin, und dann zeigen wir Hamburger den Dilettanten da mal, wie es in der großen Welt aussieht. Und dann hat sie Programm eingekauft in einer Liga, die für den RBB eine Nummer zu teuer war.“

… das Gendern und andere Sprachgebote:

„Die Herausforderung in unserer Gesellschaft ist doch, dass wir sehr viele unterschiedliche Strömungen akzeptieren, unterschiedliche Arten zu leben und auch zu sprechen. Ich fürchte, wenn sich Sprachgebote durchsetzen, wenn also bestimmte Leute meinen, anderen sagen zu müssen, was sie zu sagen haben und vor allem in welcher Form, dann ist es zu Lebensgeboten, also Vorgaben, wie das richtige und damit auch das falsche Leben aussieht, nicht mehr weit. Das hat mit recht haben zu tun und nichts mit Toleranz, und das finde ich bedenklich. Ich bin nicht der Auffassung, dass ich jemandem erklären muss, wie er sprechen oder schreiben soll. Ich gendere zwar in meinem Programm nicht, aber ich gehöre nicht zu denen, die im Gendern den Untergang des Abendlandes sehen. Ich finde, jeder und jede sollte so sprechen, wie er oder sie das will. Das Ziel muss sowieso sein, dass alle an einem Tisch sitzen und miteinander reden, darum geht es doch.“

… das veränderte Zuschauerverhalten bei Kulturveranstaltungen:

„Ich habe den Eindruck, dass die Zuschauer immer noch zurückhaltend sind, aber mir fällt auf, dass sich diese Zurückhaltung vor allem auf den Regelbetrieb auswirkt, also auf Theater, Opern oder Kabarettisten, die das ganze Jahr auf Tour sind. Die haben zum Teil dramatisch schlechte Auslastungen. Ich war da aufgrund meiner Bekanntheit privilegiert und hatte trotz allem noch recht volle Säle. Ich hörte neulich von einem wichtigen Theatermann aus Hamburg, dass er nicht damit rechnet, dass sich dieser Gesamtzustand kurzfristig wieder ändert. Was aber auch auffällt, ist, dass die Leute zu allem hingehen, was einmalig und besonders ist. Ich merke das persönlich bei meinem satirischen Jahresrückblick, bei dem die Zuschauerzahlen sprunghaft nach oben gehen, weil die Leute wissen, dass es den nur sieben Wochen gibt.“

Florian Schroeder, „Schluss jetzt!
Der satirische Jahresrückblick“
. Am 7. Januar 2023 in der Hamburger Laeiszhalle (Großer Saal), 20 Uhr. Infos: www.elbphilharmonie.de/de/programm/florian-schroeder-schluss-jetzt/19194

Der Fragebogen: Was wollten Sie immer schon mal sagen?

Was wollten Sieals Kind werden und warum?

Erst Müllmann, weil ich denen immer hinterhergelaufen bin, wenn sie mit ihrem Wagen vorbeikamen ... Später Polizist, dann schnell Fernsehmoderator.

Was war der beste Rat Ihrer Eltern?

Ich fürchte mich vor nichts und niemandem, was auch immer passiert, ich schaffe es. Ein Satz, den meine Mutter oft sagte. Quelle kenne ich nicht.

Wer war beziehungsweise ist Ihr Vorbild?

Früher David Letterman und Harald Schmidt. Heute weniger Vorbilder als mehr Orientierungspunkte: Stephen Colbert zum Beispiel.

Was haben Ihre Lehrer/Professoren über Sie gesagt?

Er ist doch nicht dumm, warum ist er nur so faul! Später: Er ist ja ganz lustig, aber muss er’s denn immer so übertreiben?

Wann und warum haben Sie sich für den Beruf entschieden,den Sie heute machen?

Weil Humor das Einzige war, was ich konnte – eine Art Rettung aus der Uncoolness.

Wer waren Ihre wichtigsten Förderer?

Die gab es nie, ich habe mich immer selbst gefördert.

Auf wen hören Sie?

Auf wenige wichtige Menschen um mich herum.

Wie wichtig war/ist Ihnen Geld?

Da wir nicht viel Geld hatten in der Familie, war ich froh und dankbar, als ich im Studium so viel Geld verdient habe, dass ich davon leben konnte ohne Angst, auf andere angewiesen zu sein.

Duzen oder siezen Sie?

Ich duze lieber – kommt aber auf das Gegenüber an.

Was sind Ihre größten Stärken?

Spontaneität, schreiben, reden, parodieren, zuhören.

Was sind Ihre größten Schwächen?

Alles Handwerkliche, Feinmotorische, körperliche Koordination, Warten.

Welchen anderen Schriftsteller/Künstler würden Sie gern näher kennenlernen?

Markus Lüpertz, Michel Houellebecq.

Was würden Sie ihn/sie fragen?

Ich würde mit ihnen über Beobachtung und Autorschaft sprechen.

Wann haben Sie zuletzt einen Fehler gemacht?

Als ich eine Show ausfallen lassen musste und mich zu spät auf Social Media bei den Fans entschuldigt habe dafür.

Welche Entscheidung hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg geholfen?

Die Entscheidung, als Kabarettist auf Tour zu gehen und so das Handwerkszeug wirklich zu lernen.

Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?

Das kann ich nicht beantworten. Sehr viele wahrscheinlich.

Wie viele Stunden schlafen Sie (pro Nacht)?

Fünf bis sieben.

Wie gehen Sie mit Stress um?

Es gelingt mir gut, in sehr stressigenSituationen sehr konzentriert zu bleiben. Es sei denn, es geht um Termine: Bei Verspätungen etc., die das Folgende gefährden, werde ich schnell hektisch und wütend.

Wie kommunizieren Sie?

Per iPhone, WhatsApp, SMS, Mail, Social Media.

Wie viel Zeit verbringen Sie an Ihrem Schreibtisch?

Am heimischen recht wenig, mein Schreibtisch ist mein Notebook. Daran wiederum sehr viel.

Wenn Sie anderen Menschen nur einen Rat für ihren beruflichen Werdegang geben dürften, welcher wäre das?

Dinge unpersönlicher nehmen!

Und zum Schluss: Was wolltenSie immer schon mal sagen?

Nichts.